BWB: Theodor Thanner zieht sich zurück
Er war 15 Jahre lang das Gesicht der Bundeswettbewerbsbehörde und in der Branche für sein hartes Durchgreifen bekannt. Legendär etwa ist die Auseinandersetzung mit Lebensmittelhändler Spar wegen unerlaubter Preisabsprachen mit Lieferanten, die eine Rekordstrafe von über 40 Millionen Euro zur Folge hatte. Auch die Rewe Group wurde mit rund 21 Mio. Euro zur Kasse gebeten. Genau hingesehen hat Thanner auch bei der geplanten Eingliederung von Lekkerland in die Rewe oder zuletzt bei der Übernahme der C&C Abholgroßmärkte von AGM durch Metro. Für beide Fälle gab es kein grünes Licht. Es sei nun aber an der Zeit, die Verantwortung für und die Leitung der BWB abzugeben, so die Behörde. Laut einer Presseaussendung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort habe der am 9.2.1960 geborene Thanner heute sein Pensionsansuchen eingereicht.
Arbeitsintensives Jahr 2021
Das Jahr 2021 war eines der arbeitsintensivsten in der Geschichte der BWB. Etwa wurden die beiden größten Verfahren im Baukartell zu Ende geführt. Auch im Digitalbereich gab es 2021 mehrere Initiativen zur Sicherstellung eines funktionierenden Marktes in Österreich. „So ist es jetzt an der Zeit, sich neuen Aufgaben zuzuwenden“, erklärt Thanner (61), der sich auch bei seinen Mitarbeitern bedankt: „Alle sind mit großem Engagement, Einsatz und Beharrlichkeit für einen gesunden, fairen und starken Wettbewerb in Österreich, Europa und darüber hinaus eingetreten. Allen, die an den Ergebnissen und Erfolgen der BWB mitgearbeitet haben, danke ich sehr. Ich bin sicher, dass die BWB auch in Zukunft für fairen, freien und transparenten Wettbewerb eintreten wird."
Bis zur Entscheidung der Nachfolge, die Ausschreibung der Funktion werde den Vorgaben des Wettbewerbsgesetzes und des Ausschreibungsgesetzes entsprechend zeitgerecht erfolgen, übernimmt ab sofort interimistisch die stellvertretende Generaldirektorin Dr. Natalie Harsdorf-Borsch die Leitung der BWB. Thanners Funktionsperiode läuft noch bis zum 30. Juni 2022.
Wettbewerb in Österreich auf eine neue Stufe gehoben
Am 1. Juli 2002 wurde die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) auf Grundlage des Wettbewerbsgesetzes (WettbG) eingerichtet. Die BWB ist eine weisungsfreie und unabhängige Behörde, die sich mit dem Aufgriff und den Ermittlungen von Verstößen gegen österreichisches und europäisches Kartellrecht beschäftigt.
Mit 1. Juli 2007 übernahm Dr. Theodor Thanner die Funktion des Generaldirektors für Wettbewerb und übt dieses Amt seit bereits drei Perioden aus. Die BWB konnte sich in dieser Zeit Anerkennung quer durch alle Branchen erarbeiten, im Inland, wie auch im Ausland und im internationalen Umfeld.
Bilanz, Zahlen und Fakten
- Kartellverfolgung
In den letzten 15 Jahren konnten durch die Ermittlungstätigkeit der BWB zahlreiche Kartelle aufgedeckt und zerschlagen werden. So etwa im Bereich Aufzüge und Fahrtreppen, der Chemikalienindustrie, im Lebensmittel- und Elektronikhandel, bei den Speditionen, bei den Dämmstoffen, in der Milchverarbeitung, bei Brauereien sowie zuletzt in der Bauwirtschaft.
Durch Anträge der BWB an das Kartellgericht wurden von diesem mehr als EUR 300 Millionen an Geldbußen über Unternehmen – insbesondere aufgrund von vertikalen und horizontalen Absprachen, Marktmachtmissbrauch und verbotenen Durchführungen von Zusammenschlüssen – verhängt.
Das Kronzeugenprogramm der BWB hat wesentlich zu den Ermittlungserfolgen beigetragen. Bisher gab es insgesamt 110 Kronzeugenanträge.
Ebenso hat das etablierte Whistleblowing-System zu Ermittlungserfolgen beigetragen. Bisher gab es 210 Whistleblowing-Meldungen.
Zur Kartellaufdeckung wurden über 120 Hausdurchsuchungen durch die BWB durchgeführt.
- Prävention und Information
Ein Schwerpunkt in der Arbeit der BWB liegt auf dem Feld der Prävention und Information.
Die Herausgabe von Leitfäden und Handbüchern sowie das Organisieren von Veranstaltungen zu aktuellen wettbewerbsrechtlichen Themen sind daher aus einer modernen, transparenten und zielgerichteten Behördenarbeit nicht mehr wegzudenken.
Die BWB hat bislang über 25 Handbücher, Broschüren, Standpunkte zu verschiedenen Themen, wie beispielsweise zu Hausdurchsuchungen, vertikalen Preisbindungen, Settlements, Compliance und zur Kronzeugenregelung veröffentlicht.
Ebenso wurden insgesamt 8 Branchenuntersuchungen zu den Themengebieten Taxi- und Mietwagenmarkt, Gesundheit, Bankomatgebühren, Mobilfunk, Strom und Gas, Treibstoff, Bestattungswesen sowie Zement und Beton durchgeführt.
Zur Intensivierung des Kontaktes mit der Kartellrechtspraxis wurden insgesamt 44 Competition-Talks durchgeführt, bei denen mit Experten jeweils aktuelle Fragen des Kartellrechts diskutiert wurden.
Zu Gast waren unter anderem Amtskollegen aus Deutschland, der Schweiz, Luxemburg, Tschechien und der Europäischen Kommission, Vertreter der Wissenschaft, der Kartellrechtspraxis, der Medien und der Gerichte.
Insgesamt hat es über 100 Vortragende und 2.000 Teilnehmer gegeben.
- Unternehmenszusammenschlüsse
Zusammenschlüsse von Unternehmen sind daraufhin zu überprüfen, ob dadurch der Wettbewerb beeinträchtigt wird.
Insgesamt wurden in dieser Zeit von der BWB 5.200 nationale sowie 7.000 europäische Zusammenschlüsse durch die BWB überprüft.
Hohe Qualität der Arbeit national und international gewürdigt
Die BWB zählt - trotz ihrer geringen personellen und budgetären Ausstattung - zu den weltweit effizientesten und besten Wettbewerbsbehörden. Die hohe Qualität der BWB und deren Mitarbeitern wird regelmäßig seit Jahren in internationalen Rankings bestätigt. Auch wurden Projekte der BWB mehrfach von internationalen Institutionen prämiert.
Auch auf nationaler Ebene wird die hohe Qualität der Arbeit der BWB gewürdigt. Der Nationalrat hat in den letzten Jahren die jeweiligen Tätigkeitsberichte der BWB einstimmig zur Kenntnis genommen.
Ungeachtet der immer weiter steigenden Arbeitsintensität wurde die BWB jahrelang nicht entsprechend nachhaltig personell und budgetär aufgerüstet.
Diese Tatsache hat die BWB jedoch nicht daran gehindert, weiterhin stark für den Wettbewerb in Österreich und Europa einzutreten und nach ihrem Motto "…weil es uns um Fairness geht" zu handeln.
Auch Bundesministerin Margarete Schramböck, mit der sich Thanner zuletzt eine öffentliche Auseinandersetzung über die Unabhängigkeit der BWB geliefert hat, dankt dem Wettbewerbshüter für sein langjähriges Engagement: „Er galt als oberster Verfechter des Wettbewerbsrechts und hat seit 2007 wichtige Spuren hinterlassen. Seine Bilanz für diese besonders wichtige Behörde kann sich in jedem Fall sehen lassen.“