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Hannes Wuchterl_quer

Dank „Extras“ gut unterwegs

Hannes Wuchterl blickt zufrieden auf das Ausnahmejahr 2020 zurück. Trotz Reduktion der Standortanzahl freut sich der Geschäftsführer und Unternehmenssprecher der ZEV Nah&Frisch Marketingservice über das erzielte Umsatzplus von 6,5 Prozent. Ob dieses auch heuer zu halten sein wird, hängt stark von der Entwicklung der Kaufkraft ab. „Schamlos“ nennt er das Verhalten einiger Marktbegleiter im Zusammenhang mit der FFP2-Maskenpflicht.

Autorin: Michaela Schellner

retailreport.at: Herr Wuchterl, bevor wir auf das Ausnahmejahr 2020 zu sprechen kommen, möchte ich Sie gerne zu zwei aktuelleren Themen befragen. Das erste betrifft die 20 Quadratmeter-Regelung der jüngsten Corona-Verordnung, die besagt, dass pro Kunde 20 Quadratmeter Platz zur Verfügung stehen müssen. Für den Lebensmittelhandel lag dieser Wert bisher bei 10 Quadratmetern, wurde aber aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes angepasst. Sie haben an Bundesminister Rudolf Anschober appelliert, hier nachzubessern und zur ursprünglichen Regelung zurückzukehren, was aber bis dato noch nicht passiert ist, oder?

Hannes Wuchterl: Leider gibt es hier in der Tat noch keine Neuigkeiten. Das Einkaufen von Lebensmitteln mit dem Besuch eines Möbelhauses oder eines Textilgeschäftes gleichzusetzen ist für mich völlig unverständlich. Warum hier eine Verschärfung für den Lebensmittelhandel notwendig sein soll versteht niemand. Die 10 Quadratmeter pro Kunden haben dort nämlich perfekt funktioniert und es gibt keinerlei Evidenz dafür, dass sich das Coronavirus beim Einkauf im Lebensmittelhandel verbreitet. Wir versuchen natürlich im Rahmen unserer Möglichkeiten alles, um die neue Regelung einzuhalten, auch wenn wir es auch in gesundheitspolitischer Hinsicht nicht für sinnvoll erachten, dass unsere Kunden nun bei Minusgraden in der Kälte Schlange stehen müssen. Aber damit sind wir ja in bester Gesellschaft.

Ein weiterer Aufreger waren die FFP2-Masken. Hier gingen ja die Wogen in der Branche zuletzt hoch, wie auch retailreport.at berichtet hat. Sie waren nicht ganz happy mit der Vorgehensweise der Bundesregierung und Ihren Händler-Kollegen.

Das kann ich so absolut unterstreichen. Wir haben ja bereits darüber gesprochen, dass wir wieder einmal nicht mit ins Boot geholt und nicht in die Gespräche zur Einführung der FFP2-Maskenpflicht miteingebunden worden sind. Den Preis von 59 Cent pro Stück, den unsere Marktbegleiter ausgerufen haben, können die Nah&Frisch-Kaufleute jedenfalls nicht mittragen. Der Grund dafür ist, dass wir wie erwähnt keinerlei Vorinformationen zu den Plänen der Bundesregierung bekommen haben, damit auch unseren Bedarf an Masken bei den Lieferanten nicht rechtzeitig platzieren konnten und wir aufgrund der im Vergleich zu unseren Marktbegleitern geringeren Bestellmengen höhere Konditionen in Kauf nehmen müssen. Deshalb habe ich auch vollstes Verständnis für jede Kauffrau und jeden Kaufmann, der einen höheren Verkaufspreis ausruft und sich auch gegen eine Gratisausgabe entscheidet.

Tut sich der LEH mit diesem Preiswirrwarr Ihrer Meinung nach generell etwas Gutes?

Nein, denn das Ganze hat eine sehr schiefe Optik für die Konsumenten, die bei den gleichen Unternehmen die gleichen Masken zuerst zu Preisen jenseits der zwei Euro gekauft, sie dann um 59 Cent angeboten und zuletzt sogar geschenkt bekommen haben. Da liegt der Vorwurf der Geldmacherei nicht ganz fern.

Kann sich dieser Selbstkostenpreis von 59 Cent pro FFP2-Maske Ihrer Meinung nach dann eigentlich überhaupt ausgehen?

Die Höhe des Selbstkostenpreises hängt immer von der georderten Menge ab und 59 Cent können sich bei großen Bestellungen vielleicht sogar ausgehen. Aber das Verlangen eines Selbstkostenpreises ist immer noch etwas anderes als die Masken herzuschenken und damit Bauernfängerei zu betreiben.

Können Sie die Entscheidung der Bundesregierung, den Lebensmittelhandel für die Verteilung der FFP2-Masken einzuspannen, nachvollziehen?

Nein, denn ich verstehe nicht, warum man uns die Umsetzung einer gesundheitspolitischen Maßnahme ohne ausreichende Vorbereitung umhängt und nicht jedem Haushalt entsprechend dem Melderegister eine entsprechende Anzahl an Masken per Post geschickt hat. Das hätte man schon lange für alle Österreicher tun können. Damit hätte man im Übrigen auch einer Ungleichbehandlung der Bevölkerung entgegengewirkt, die ja dadurch entsteht, dass manche Menschen Masken gratis erhalten und andere dafür bezahlen sollen, wie es ja ursprünglich gedacht war.

Anders als gedacht ist auch das Jahr 2020 gelaufen, denn Corona hat zahlreiche Pläne durcheinandergeworfen. Wie fällt Ihre Bilanz diesbezüglich aus?

Wir sind mit dem Jahr 2020 zufrieden, denn wir haben auf weniger Fläche mit weniger Standorten ein schönes Umsatzplus erzielt. Konkret beläuft sich der Außenumsatz auf 309 Millionen Euro und das Gesamtumsatzplus liegt bei 6,5 Prozent. Wir haben 13 Standorte neu eröffnet, 31 Standorte umgebaut und modernisiert, davon 23 im Rahmen von Neuübernahmen. 16 Standorte wurden endgültig geschlossen.

Worauf sind die Standortreduktionen zurückzuführen?

Die Krise hat zwei Gesichter. Im Schnitt können sich die Kaufleute über ein zweistelliges Umsatzplus in Höhe von 13 Prozent freuen. Es gibt aber auch welche, die die Krise sehr hart getroffen hat. Stark gelitten haben im Vorjahr zum Beispiel Standorte in Tourismusregionen. Hier haben sich einige Kaufleute dazu entschieden früher in Pension zu gehen oder ihre Standorte zu schließen. Negative Auswirkungen hatten zum Teil auch geschlossene Schulen oder das vermehrte Arbeiten im Homeoffice. Letzteres führte zum Beispiel dazu, dass die angebotenen Postdienstleitungen bei einigen Kaufleuten nicht mehr so stark in Anspruch genommen wurden, weil die Menschen eben häufiger zu Hause anzutreffen waren. Und was unsere Kaufleute natürlich auch stark gespürt haben und bis heute spüren sind die geschlossenen Gastronomieecken. Hier haben wir Anfang des Vorjahres mit „Mei Eck“ ein neues Konzept mit Fokus auf gemütlichen Kaffee- und Kuchengenuss vor Ort ausgerollt, das modular um beispielsweise warme Gerichte zu Mittag erweitert werden kann. In dieses zusätzliche Geschäftsfeld haben viele Kaufleute investiert, konnten dann aber nicht davon profitieren, weil ein gastronomisches Zusatzangebot coronavirus-bedingt nicht immer erlaubt war. In Zeiten, in denen es keine Beschränkungen gab, hat sich aber deutlich gezeigt, dass das Konzept sehr gut angenommen wird. Deswegen freuen wir uns auf die Zeit nach Corona und werden hier auch dranbleiben.

Und wie stark hat sich abseits der Krise die Diskussion ums Einwegpfand auf Standortschließungen ausgewirkt?

Auch diese hatte natürlich einen Einfluss auf so manche Entscheidung, nicht mehr weiterzumachen, denn viele selbstständige Kaufleute können ein zusätzliches Pfandsystem auf 200 Quadratmeter Fläche schon alleine aus Platzgründen nicht umsetzen. Von den notwendigen Investitionen gar nicht erst zu sprechen. Wir unterstützen selbstverständlich alle sinnvollen und angemessenen Maßnahmen, die dabei helfen, die Ziele der Single-Use-Plastic-Richtlinie der EU zu erreichen und die zu einer Verringerung und zur Vermeidung von Plastikeinwegverpackungen beitragen. Aber mit innovativen Ideen, wie wir ein schon jetzt, speziell auf dem Land, gut funktionierendes System gemeinsam weiterentwickeln. Vorschläge liegen genügend am Tisch, sie müssten nur aufgegriffen werden.

Jetzt gibt es aber auch viele Kaufleute, die trotz der zahlreichen Herausforderungen überdurchschnittlich gut gewirtschaftet haben. Womit haben diese konkret bei den Konsumenten gepunktet?

Die Nah&Frisch-Kaufleute sind sehr kreativ, gut ausgebildet, hochmotiviert und können sich schnell auf neue Gegebenheiten einstellen. Alle, auch jene, die die Krise stärker gespürt haben, führen ihre Geschäfte mit sehr viel Engagement und Herzblut. Sie sind das Gesicht ihres Ladens, das Herz von Gemeinden und Ortskernen und punkten mit ihrer Persönlichkeit. Sie sind es gewohnt die Extrameile zu gehen und machen das auch gerne, weil sie auch dazu bereit sind, gesellschaftliche Verantwortung zu tragen.  Sie haben mit unkomplizierten und verlässlichen Lösungen, häufig in Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen und unterstützt durch die Großhandelspartner Kastner, Kiennast, Unimarkt Gruppe und Wedl sowie unseren Dienstleistungspartner Markant, einmal mehr gezeigt, dass sie auch in der Krise rasch auf die Bedürfnisse ihrer Kunden reagieren können. Sehr gut angenommen wurde von den Konsumenten zum Beispiel das Angebot eines Lieferservices unter dem Motto „Dein Kaufmann/Deine Kauffrau bringt’s“. Da können die Kunden über WhatsApp, per E-Mail, per Telefon oder online bestellen und sich über die persönliche Zustellung durch ihren Kaufmann oder ihre Kauffrau noch am selben Tag freuen. Damit ist es den Kaufleuten auch gelungen neue Kunden aus Nachbargemeinden zu gewinnen. In Corona-Hochphasen gab es vor allem in diesem Bereich deutliche Zuwächse. Teilweise haben sich die georderten Mengen verdreifacht.

Und wie haben sich die Nah&Frisch punkt-Standorte entwickelt?

Auch hier sind wir sehr zufrieden, denn wir waren anfangs aufgrund der zurückgehenden Mobilität schon besorgt, wie es mit dem Tankstellengeschäft weitergehen wird. Zum Glück war diese Sorge unbegründet und wir wollen das Konzept auch noch weiter ausbauen. Aktuell gibt es 21 Standorte. In Summe mussten im Vorjahr elf abgegeben werden, im Gegenzug sind vier neue dazugekommen. Die Neuzugänge sind in erster Linie der Kooperation mit dem Großhandelshaus Kiennast mit der Tankstellenkette Socar zu verdanken. Generell sehen wir noch großes Potenzial in diesem Vertriebskanal und haben für 2021 weitere Projekte in der Pipeline.

Das Tankstellengeschäft ist allerdings ein heiß umkämpfter Markt, in dem auch Ihre Marktbegleiter mit Preisen auf Supermarktniveau stark vertreten sind.

Das stimmt und das ist eine Entwicklung, die ich kritisch sehe. Ich komme ja ursprünglich aus dem Tankstellengeschäft und weiß, dass die Ertragsaussichten für die Pächter aufgrund dieser Vorgehensweise stark sinken. Man muss aufpassen, dass die Spannen nicht zu niedrig werden.

Apropos Spannen, wie sehr kommt Nah&Frisch eigentlich durch die Preispolitik und das Eigenmarkengeschäft der Mitbewerber unter Druck?

Wir sind natürlich Teil des Marktes und müssen bis zu einem gewissen Grad im großen Teich mitschwimmen. Je nach Wettbewerbsumfeld agieren unsere Kaufleute diesbezüglich unterschiedlich und in einem Ausmaß, das für jeden Einzelnen sinnvoll ist. Hier arbeiten wir eng mit unseren Kaufleuten zusammen und zwar sowohl in Bezug auf die die Preisgestaltung als auch beim Eigenmarken-Sortiment. Mit „Jeden Tag“ haben wir aber eine sehr erfolgreiche Eigenmarke im Portfolio, die dann stärker vertreten ist, wenn es die Wettbewerbssituation erfordert. Darüber hinaus differenzieren wir uns mit unserer lokalen Marke „aus’m Dorf“, wo wir mittlerweile schon fast 2.000 Produkte unterschiedlichster Art und Herkunft anbieten und damit auch kleineren lokalen Produzenten einen zusätzlichen Absatzkanal liefern können.

Lokale und regionale Produkte werden ja schon seit Längerem stark von den Konsumenten nachgefragt, das Bedürfnis nach solchen hat sich aber auch getrieben durch Corona noch einmal verstärkt. Glauben Sie, werden sich die Kunden diese angesichts steigender Arbeitslosigkeit und schwächelnder Kaufkraft in Zukunft überhaupt noch leisten können?

2021 treffen zwei Trends aufeinander, die eigentlich sehr widersprüchlich sind. Denn Themen wie Regionalität, Lokalität, Nachhaltigkeit, Tierwohl, Kreislaufwirtschaft und umweltschonende Verpackungen werden immer wichtiger. Auf der anderen Seite ist die Sparquote aktuell so hoch wie noch nie, die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist sehr ungewiss und es ist heute noch nicht klar, wie viele Unternehmen in die Insolvenz schlittern, wenn die staatlichen Unterstützungen auslaufen. Das alles wirkt sich negativ auf die Kaufkraft aus. Angesichts dieser Unsicherheiten wird 2021 für den LEH sicherlich ein sehr herausforderndes Jahr.

Herr Wuchterl, vielen Dank für dieses Gespräch.

 

STRUKTURDATEN 2020 (inkl. Nah&Frisch punkt)

  • Nah&Frisch-Standorte: 436 (2019: 463)
  • Außenumsatz gesamt: 309 Mio. Euro  (2019: 290 Mio. Euro)
  • Gesamtverkaufsfläche: 87.400 m² (2019: rd. 90.000 m²)
  • Verkaufsfläche pro Standort: zwischen 200 und 250 m2
  • Beschäftigte: ca. 1.900
  • Gründung ZEV Nah&Frisch Marketingservice: 1983
  • Gesellschafter ZEV Nah&Frisch Marketingservice: Kastner, Kiennast, Unimarkt Gruppe, Wedl

Quelle: Unternehmensangaben

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geschrieben am

11.02.2021