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Tiertransporte auf dem Prüfstand

Jetzt kommt Bewegung in das Thema Tierwohl

Die Ereignisse überschlagen sich: Tierwohl ist in aller Munde, viele Parameter sind noch zu klären.

Ein Puzzlespiel der heiklen Art: Tierwohl. Wo fängt es an, wie weit geht es? Dass Fleisch auch in Zeiten des verstärkten Vegetarismus immer gegessen werden wird, steht wohl außer Zweifel. Aber wie werden die Tiere geboren, gehalten, transportiert und schließlich geschlachtet.

Aktuell gab es so einige Initialzündungen, die das Thema noch einmal mehr zur Diskussion brachten. Dazu zählen mit Sicherheit auch die Tiermärkte in China, auf denen der Ursprung des Corona-Virus vermutet wird, aber auch die schlechten Zustände in deutschen Fleischfabriken. Und auch manche heimische Berichterstattung über die Haltung vieler Tiere hat dazu beigetragen, ebenso wie die Berichte über Lebendtiertransporte in Drittstaaten, bei denen es den Tieren alles andere als gut geht.

Nun bekommt der Umgang des Menschen mit dem Nutztier ein Gesicht, die anonyme Maske der Kuh, des Kalbes, des Schweins, der Pute und auch des Huhns fällt zusehends. Nicht jeder und jede möchte sich die aufreibenden Bilder ansehen, doch es kommt Bewegung in das Thema, das auch immer mehr mit Bildern und Dokumentationen untermauert wird. 

Im heimischen Lebensmittelhandel hat man das Thema längst am Radar: Billa listet nur mehr Frischfleisch aus Österreich, Spar schaut über die Tann auf die Herkunft der Ware, Lidl war der erste Diskonter mit AMA zertifiziertem Putenfleisch und Hofer setzt dem Tierwohl die Krone auf: Im Rahmen der Tierwohl-Exklusivmarke FairHOF setzt Hofer gemeinsam mit der Hütthaler KG neue Standards hinsichtlich Tierwohl. Während bei FairHOF direkt auf den Verpackungen der Fleischartikel der Landwirt angegeben ist, von dem das jeweilige Tier stammt, sind bei „Zurück zum Ursprung“ alle Produkte chargengenau via App bzw. über www.zurueckzumursprung.at bis zu den Ursprungs-Bauern rückverfolgbar. Zudem setzte die Hütthaler KG im Jänner 2019 mit der Eröffnung des in Österreich ersten gläsernen Schlachthofs nochmals höhere Maßstäbe hinsichtlich Transparenz und Tierwohl im Schlachtbetrieb. „Unser Ziel war es, ein Gebäude zu errichten, in dem gute Arbeitsbedingungen, Wertschätzung dem Tier gegenüber sowie die Erzeugung von hochwertigen Lebensmitteln vereint sind“, sagt Geschäftsführer Florian Hütthaler. Eine Besonderheit des gläsernen Schlachthofs ist, dass Tierschutzbeauftragte und Veterinäre in einem kombinierten Büro ihre Arbeit nach dem Vier-Augen-Prinzip erledigen und regelmäßig Führungen für Besucher veranstaltet werden, um den ganz normalen Tagesbetrieb transparent beobachten zu können.

Hofer bezieht im übrigen ebenfalls das gesamte dauerhaft erhältliche Sortiment von Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch zu 100 % aus Österreich und setzt auf Rückverfolgbarkeit.

Forderung nach EU-weitem Verbot von Lebendtiertransporten in Drittstaaten

Dass es beim Tierwohl noch sehr viel Luft nach oben in Richtung Verbesserung gibt, ist trotzdem ersichtlich, auch wenn der Lebensmittelhandel in die richtige Richtung steuert. Wichtig ist es von der Preisdiskussion wegzukommen und somit eine win-win-win-Situation herbeizuführen: gut für das Tier, dem es besser geht, gut für den Bauern, der mehr für das Fleisch bezahlt bekommt und gut für den Lebensmittelhandel, der eine höhere Wertschöpfung erreicht. Nicht zuletzt auch gut für den Konsumenten, der nicht nur eine ausgezeichnete Qualität kauft, sondern auch sein Gewissen beruhigen kann – wenn es ihm das wert ist. 

Eine wesentliche Forderung stellt nun der Handelsverband: "Der Lebensmittelhandel ist daher offen für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel, um lokale Produzenten zu stärken – allerdings unter der Voraussetzung, dass diese Pflicht auch für die Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie gilt", erklärt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will, "wir stehen für Transparenz und wollen nicht, dass die Konsumenten durch fehlende oder irreführende Etiketten getäuscht werden. Dieselbe Transparenz wie im Supermarkt haben sich die Verbraucher auch im Wirtshaus, in Betriebskantinen, im Krankenhaus und unsere Kleinsten im Kindergarten verdient. Davon würde auch die heimische Landwirtschaft stark profitieren."

Die weitere Forderung des Handelsverbandes geht um den Transport der Tiere: Bei Transporten innerhalb der EU sowie bei Transporten, die auf dem Gebiet der Europäischen Union beginnen, sind die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 einzuhalten, mit welcher der Tierschutz beim Transport europaweit einheitlich geregelt wurde. Dies gilt ebenfalls dann, wenn der Endbestimmungsort außerhalb der Europäischen Union liegt.

Laut derzeitiger EU-Verordnung dürfen Rinder insgesamt 29 Stunden transportiert werden, wobei eine Stunde Pause eingehalten werden muss. Auch nicht-entwöhnte, also noch säugende Jungtiere dürfen transportiert werden (Kälber müssen mehr als 14 Tage alt sein). Bei Schweinen beträgt die zulässige Transportdauer 24 Stunden. Nach einer Pause von 24 Stunden darf die Maximaldauer aber beliebig oft wiederholt werden. Lediglich für innerösterreichische Transporte, bei denen Versand- und Bestimmungsort in Österreich liegt, gibt es viel strengere Bestimmungen.

"Wir empfehlen daher Zug um Zug zur verpflichtenden Herkunftskennzeichnung ein Verbot von Lebendtiertransporte in Drittstaaten, da der vorgesehen Schutz von Tieren beim Transport außerhalb der EU nicht kontrolliert werden kann. Dieses Vollzugsproblem muss dringend auf EU-Ebene geregelt werden", fordert Rainer Will.

Zum Nachschauen

Billiges Rind- und Kalbfleisch aus dem Ausland kommt Tag für Tag über die Grenzen nach Österreich. Dabei gäbe es genug Rindfleisch in Österreich. Der Verein Land schafft Leben erklärt in der Sendung „Am Schauplatz: Wo das Schnitzel herkommt“, warum es sich lohnt auf heimische Herkunft zu setzen. Wer möchte, kann die Sendung gerne nachschauen: Links:
Kälbertransport: https://www.landschafftleben.at/infografiken/kaelbertransporte
Die Sendung „Am Schauplatz“ vom 18.06.2020 um 21.05 in der ORF-TV-Thek: https://tvthek.orf.at/profile/Am-Schauplatz/1239/Am-Schauplatz-Wo-das-Schnitzel-herkommt/14055651
Hintergrundbericht zum Kälbertransport: https://www.landschafftleben.at/hintergruende/kalbertransport

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geschrieben am

19.06.2020