Wie tickt der neue Spar-Vorstandsvorsitzende?
Autorin: Michaela Schellner
retailreport.at: Herr Poppmeier, seit Jahresbeginn zeichnen Sie als Vorstandsvorsitzender für die Geschicke der Spar verantwortlich. Wie haben Sie die ersten Wochen in Ihrer neuen Funktion erlebt?
Fritz Poppmeier: Ich habe die ersten Wochen sehr positiv erlebt und bin von meinen Kollegen in meiner neuen Rolle gut aufgenommen worden. Die Stimmung im Team ist sehr gut und auch der geschäftliche Jahresstart ist wunderbar verlaufen. Denn wir entwickeln uns rückblickend auf 2020 und trotz nach wie vor vorherrschender Corona-Rahmenbedingungen auf einer sehr soliden Basis erfolgreich weiter und es gibt durchaus viel zu tun.
Das Corona-Jahr 2020 war für die Spar also ein sehr positives, wie die aktuelle Bilanz zeigt.
Ja, summa summarum betrachtet haben wir mit 353 Millionen Euro ein leicht besseres Konzernergebnis als im Vorjahr erzielt und können unterm Strich wirklich sehr zufrieden sein. Dennoch ist die Geschäftsentwicklung divers zu betrachten, denn während wir im Lebensmittelhandel sowohl in Österreich als auch in Ungarn, Slowenien, Kroatien und Norditalien über dem Markt gewachsen und überall unter den Top 3 der örtlichen Lebensmittelhändler sind, mussten wir Corona-bedingt bei Hervis und den Shopping-Centern ein Umsatzminus hinnehmen. Eindeutiger Sieger im Vorjahr war aber ganz klar die Marke Spar, weil es uns gelungen ist, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Mit dieser Strategie, der wir seit jeher folgen, haben wir bereits in der Vergangenheit immer wieder die Wachstumsführerschaft im Lebensmittelhandel erreicht und sind Stück für Stück stärker geworden.
Diese Stärke spiegelt sich auch im Erreichen der Marktführerschaft im heimischen LEH wider. Wie stolz sind Sie darauf, dass Sie Ihren größten Mitbewerber überholt haben und nun bei 34,6 Prozent Marktanteil stehen?
Dass sich die Kunden in der Krise, die ja bekanntlich viele Dinge sichtbar macht, dazu entschieden haben, bei Spar einzukaufen und uns ihr Vertrauen zu schenken, macht mich schon sehr stolz. Es ist uns einmal mehr gelungen zu unterstreichen, dass die Menschen bei uns im Mittelpunkt stehen, wir diesem Anspruch alles unterordnen und wir uns sehr anstrengen, damit man sich bei uns wohl und sicher fühlt. Das klare Hygienekonzept gepaart mit großartigen, motivierten Mitarbeitern, einer nahezu lückenlosen Warenversorgung und einem verlässlichen Sortiment mit gewohnten Preisen und Aktionsangeboten sind kurz zusammengefasst sicherlich die Hebel, die zu dieser Veränderung im Markt geführt haben.
Sie haben zuletzt auch den Bereich Personalentwicklung verantwortet und waren damit in Österreich für über 45.000 Mitarbeiter verantwortlich. Wie stolz sind Sie auf diese und wie traurig darüber, dass dieser Bereich nun nicht mehr in Ihren Aufgabenbereich fällt?
Ich habe diesen Bereich mit großer Begeisterung verantwortet. Weil die Menschen bei uns im Mittelpunkt stehen, hat das Managen von Perspektiven für Mitarbeitende eine extrem hohe Bedeutung. Ob es die Spar Akademie, die Lehrlinge oder Wiedereinsteiger sind – die Weiterentwicklung jedes Einzelnen ist ein großes Ziel bei uns. Es tut natürlich schon ein Stück weit weh, diesen Bereich abzugeben, es gibt aber zwei lachende Augen. Das eine ist, als Vorstandsvorsitzender bleibt man sowieso am Thema dran und das andere ist, der Fachbereich geht zu meinem Vorstandskollegen Hans K. Reisch, den ich sehr schätze. Ich weiß, dass ihm dieses Gebiet viel Freude macht und damit in besten Händen ist. Die Mitarbeiter haben einen großen Anteil am Erreichen der Nr.-1-Position im LEH und wir werden natürlich weiterhin hart daran arbeiten, um die Marktführerschaft auch zukünftig zu halten.
Wie sehr werden Sie sich hier mit Blick auf die Entwicklung Ihres ersten Verfolgers überhaupt anstrengen müssen?
Also grundsätzlich ist es so, dass die Kunden in Österreich in punkto Lebensmitteleinkauf ein einzigartiges Paket im Markt vorfinden. Neben Qualität, Leistung, Service und Nähe dürfen sich die heimischen Konsumenten auch über besonders attraktive Preise freuen. Ich behaupte, dass man in keinem anderen Land der Welt eine so gute Qualität so nah zu so einem fairen Preis erhält. Das ist ein Spezifikum des österreichischen Markts. Und was pusht diese Entwicklung? Der Wettbewerb, in dem sich neben der Spar internationale, starke Firmen tummeln. Und in diesem Wettbewerb ganz vorne zu bleiben – das ist unser Anspruch. Es ist nicht der Punkt zu beurteilen, ob ein Wettbewerber gute oder schlechte Ideen hat, der Punkt ist, dass ich jeden Kunden jeden Tag aufs Neue von mir überzeugen muss. Und da das im Normalfall alle wollen – egal mit welchen Konzepten – muss man jeden Mitbewerber immer im Blick haben und sich dennoch auf sich selbst konzentrieren. Jeder Teamchef beobachtet auch den Wettbewerb – es wäre ein fataler Fehler das nicht zu tun.
Und was sagen Sie zur Aussage, die Spar hätte sich den Marktanteil mit dem Forcieren von Aktionen „erkauft“?
Auch hier haben wir eine klare Linie, der wir seit Jahrzehnten folgen. Wir bewegen uns im Markt Österreich, wo Kundinnen und Kunden gelernt haben, dass es Aktionen gibt. Und diese sind auch wichtig, weil man so Übermengen verkaufen oder Produkte in den Fokus rücken kann. Aktionen haben also einen Sinn und sind nicht per se böse. Aber sie sind mit Sicherheit nicht unser einziger Erfolgsbaustein. Es geht viel stärker um Kundenbegeisterung.
Die Sie wie erreichen?
Die Kunden zu begeistern gelingt mit einer Mischung aus dem richtigen Sortiment und dem Aufgreifen von Trends wie etwa Bio, Regionalität oder bewusste Ernährung, die auch durch die Krise verstärkt worden sind. Hier verfügen wir über die entsprechende Sortimentskompetenz mit Markenartikeln mit einem super Preisniveau, tollen Aktionen und unseren Eigenmarken, wo wir in jedem Segment von Spar Premium bis S-Budget eine vergleichbare Qualität noch einmal eine Spur günstiger anbieten können. Damit stellen wir sicher, dass jeder Kunde unabhängig von seinem Haushaltsbudget bei uns fündig wird. Man darf nämlich nie vergessen, dass es auch Menschen gibt, die sehr genau aufs Geld schauen müssen und wo wirkliche Preiswürdigkeit ein riesen Thema ist. Da punkten wir dann auch mit S-Budget und mit Aktionen. Daneben gibt es noch Stickermania, Tip-on-Sticker oder Rabattmarkerl – also ganz simple gelernte Mechanismen. Das ist die Linie die wir gehen und die offensichtlich die Kunden auch für richtig halten.
Wie wird sich denn die Kaufkraft Ihrer Meinung nach angesichts steigender Arbeitslosigkeit und einer Sparquote in Rekordhöhe überhaupt entwickeln?
Für Österreich bin ich hier recht zuversichtlich, denn der Staat hat umfassend versucht, Private und Unternehmen zu unterstützen. Und zwar deutlich stärker als das in umliegenden Ländern der Fall war. Das ist einmal gut als Basis für den Konsum an sich. In weiterer Folge wird die Entwicklung der Kaufkraft aber von zwei Themen abhängen. Erstens: Wie lange dauert es, bis wir geimpft sind, damit wieder etwas mehr Normalität herrscht? Und zweitens: Wie gut wird es uns allen gemeinsam gelingen, die Bürgerinnen und Bürger wieder zu mehr Leistung zu motivieren? Denn in den vergangenen 12 Monaten ist es doch zu einer Entschleunigung gekommen und es fällt nicht allen leicht, wieder Tempo aufzunehmen. Je schneller das gelingt, umso schneller wird die Konjunktur wieder anspringen.
Und in welchen Bereichen möchte die Spar heuer sowie 2022 noch mehr Tempo aufnehmen?
Die Krise hat uns klar aufgezeigt, welche Dinge gut laufen und wo wir noch Adaptierungen vornehmen müssen. Wir sehen, dass unsere Strategie insbesondere im Lebensmittehandel gut und richtig ist und wir mit dem besonderen Kundenvertrauen belohnt worden sind. Hier wollen wir anknüpfen und unsere klare Wachstums- und Erneuerungsstrategie in allen Ländern, in denen wir vertreten sind, weiterführen.
Können Sie hierfür ein Beispiel nennen?
Eine wichtige Erkenntnis ist ja, dass man als Händler nur dann erfolgreich sein kann, wenn man auch in der Logistik sehr gut ist. Deswegen setzen wir zum Beispiel einen Investitions- und Entwicklungs-Schwerpunkt in der heimischen sowie internationalen Logistikstruktur. In Österreich bauen wir gerade die vierte Erweiterungsstufe im Zentrallager in Wels und in Italien entsteht in Monselice bei Padua gerade das größte Lager, das wir je gebaut haben. Das ist ein ganz wichtiger Schritt für unsere Italien-Expansion. Zeitgleich arbeiten wir auch an einer logistischen Neuaufstellung in Kroatien. Was die Wachstums- und Erneuerungsstrategie bei den Märkten betrifft, so setzen wir in Österreich einen Schwerpunkt in Wien. Und weil unsere Kaufleute sowohl in Österreich als auch in Slowenien, Ungarn und Italien sehr erfolgreich sind, wollen wir auch in diesem Bereich länderübergreifend noch besser voneinander lernen und uns vom System an sich bis hin zum Ladenbau noch besser austauschen.
Gibt es abseits der Logistikzentren schon konkrete Expansionsprojekte, die Sie für heuer und die kommenden Jahre nennen können?
Wie in der Vergangenheit auch steht in Bezug auf die Expansion die stetige Erneuerung unseres Portfolios im Fokus. Das heißt, dass wir neben der Modernisierung und Vergrößerung bestehender Standorte auch immer auf der Suche nach neuen Flächen sind. Aber ganz generell wollen wir unsere Präsenz vor allem in Wien verstärken, wo es zwar schon viele Handelsbetriebe gibt, aber eben noch viel zu wenige Spar-Märkte. Diese weißen Flecken wollen wir künftig besetzen und arbeiten unter der Geschäftsführung von Alois Huber intensiv daran, unsere Präsenz mit Spar, Eurospar, Spar Gourmet und auch Kaufleuten zu verstärken. Ein ganz besonderes Projekt werden wir im ersten Halbjahr mit der Eröffnung des Interspar in der Schottengasse im ersten Bezirk abschließen. Dieser Markt soll zum Besten von Wien werden und die Kunden neben einem speziellen Ladenbau und einem besonderen Sortiment mit zahlreichen weiteren Highlights überraschen. Über weitere Projekte will ich aktuell noch nichts verraten, aber Sie können davon ausgehen, dass wir einiges geplant haben.
Ihr Vorgänger Dr. Gerhard Drexel war 20 Jahre lang Spar-Vorstandsvorsitzender und hat sich häufig öffentlichkeitswirksam zu handelspolitischen Themen wie zum Beispiel den Freihandelsabkommen Mercosur oder CETA geäußert, die Diskussionen mit der Landwirtschaft nicht gescheut, bei der Causa Einwegpfand Stellung bezogen und sich auch mit der Bundeswettbewerbsbehörde und so manchem Lieferanten angelegt. Wie wird Ihre Linie diesbezüglich aussehen?
Gerhard Drexel und ich waren 22 Jahre lang gemeinsam im Vorstand und wir haben 20 Jahre lang Tür an Tür gearbeitet. All die von Ihnen genannten Themen haben wir vorab im gesamten Vorstand besprochen und miteinander abgestimmt. Da geht es um wesentliche Punkte, die in der Vergangenheit für die Gesellschaft wichtig waren und es auch in der Zukunft sein werden. Da ändern wir als Konzern unsere Meinung nicht. Gerhard Drexel hat diese Themen in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender pointiert und klar vorgebracht und das werde ich in Zukunft auch tun. Die Art der Kommunikation wird vielleicht eine andere sein, aber die Linie bleibt die gleiche.
Klar kommuniziert haben Sie ja bereits mehrfach, dass das geplante Pfand auf Einwegplastikflaschen ein Anschlag auf die Nahversorgung ist. Wie ist denn hier der Stand der Dinge und wie wahrscheinlich ist die Abwendung dieses Anschlags überhaupt noch?
Grundsätzlich: Nachhaltig zu agieren, ist für uns wesentlich, denn wir wollen hier Vorreiter sein. Österreich ist diesbezüglich an und für sich top, weil die Menschen und auch die Händler achtsam sind. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage: Wir sind die wahren Grünen, denn wir nehmen uns dem Thema seit Jahren auf vielfältige Weise an. Beim Thema Einwegpfand ist die Situation leider sehr schwierig, weil Bundesministerin Leonore Gewessler, die wir sehr schätzen, unserer Argumentation und damit der Argumentation des gesamten Lebensmittelhandels bis dato kein Gehör schenkt. Sie bezieht sich auf falsche Fakten, denn die tatsächlichen Kosten für ein Pfandsystems belaufen sich auf rund 250 Millionen Euro, die großteils Händler zu tragen hätten. Sie liegen damit dreimal höher als der Betrag, den die Studie des Ministeriums veranschlagt. Zudem müssen die Automaten ja auch irgendwo aufgestellt werden, was vor allem bei kleineren Händlern zu einer Reduktion der Verkaufsfläche und damit auch zu Umsatzverlusten führt. All diese entstehenden Kosten kann der Lebensmittelhandel auch stichhaltig belegen, aber eine Diskussion über Alternativen wird derzeit noch nicht in Betracht gezogen.
Welche Alternativen gibt es hier?
Es liegt zum Beispiel seit Monaten ein von der WKO entwickelter 10-Punkte-Plan zu Erreichung der EU-Sammelziele vor, der das Thema Plastik einsparen viel umfassender aufgreift, als es mit dem Einwegpfand alleine der Fall ist. Man muss nämlich bedenken, dass Einwegplastikflaschen nur etwa 15 Prozent des gesamten Plastikverpackungsmülls ausmachen. Im 10-Punkte-Plan wird auch überlegt, was mit dem Rest passiert. Hier geht es um ein ganzheitliches Modell für eine alltagstaugliche Kreislaufwirtschaft, wo u.a. das Littering-Problem an der Wurzel gepackt, ökologisches Verpackungsdesign weiter optimiert wird und auch Freizeitkonsum und Gewerbeabfall besser erfasst werden. Hier zieht die gesamte Lebensmittelwirtschaft an einem Strang und deswegen sind wir guter Dinge, dass das letzte Wort diesbezüglich noch nicht gesprochen ist.
Herr Poppmeier, herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Fritz Poppmeiers Standpunkte …
- zum Wettbewerb im LEH
„Man muss den Wettbewerb immer im Blick haben, aber sich dennoch auf sich selbst konzentrieren.“
- zu Corona
„Corona ist für alle Menschen eine echte Herausforderung. Was aber in Sachen Impfstoffforschung in den vergangenen 12 Monaten passiert ist, ist eine globale Wahnsinnsleistung.“
- Zu persönlichen Treffen in Corona-Zeiten
„Die Testmöglichkeiten bringen uns ein Stück Normalität zurück. Videokonferenzen sind eine wichtige Alternative, aber wir wollen mit allen Sinnen leben und nicht im Raumschiff Enterprise.“
- zur Aktionspolitik
„Aktionen haben einen Sinn und sind nicht per se böse.“
- zum Onlinehandel
„E-Commerce ist eine wichtige Ergänzung zum stationären Handel, wird diesen aber nicht ersetzen. Das Einkaufen vor Ort ist für mich ein Stück Lebensqualität.
- zum Einwegpfand
„Das geplante Pfand auf Einwegplastikflaschen ist ein Anschlag auf die Nahversorgung.“
- zur Zusammenarbeit mit den Bauern
„Neben der Beziehung zu unseren Kaufleuten ist die Zusammenarbeit mit den österreichischen Bauern der Eckpfeiler unseres Lebensmittelgeschäfts.“
Zur Person
Fritz Poppmeier ist seit 1999 Mitglied des Spar Konzern-Vorstands und seit 26 Jahren im Unternehmen tätig. Am 1.1.2021 hat er die Funktion des Vorstandsvorsitzenden übernommen und zeichnet seit dem für die Bereiche Unternehmensstrategie, PR, Nachhaltigkeit, Einzelhandels-Vertrieb, Logistik, Zweigniederlassungen, Expansion und den Produktionsbetrieb Regio-Kaffeerösterei verantwortlich.
Zahlen, Daten und Fakten zum Jahr 2020 und die Hintergründe des Erfolgs haben wir für Sie gesondert zusammengefasst. Hier geht's zur Story.
Und: Lesen Sie hier einen Kommentar von Hanspeter Madlberger mit seinen Interpretationen zu den Erfolgsfaktoren des Lebensmittelhändlers.