Ciao, Pappkamerad!
Bericht von Dr. Hanspeter Madlberger
Dieses Öko-Argment ist nicht von Pappe. 7,2 bis 10,8 Mio. Kilo Karton können jährlich eingespart werden, wenn die neuen, von GS1 Austria propagierten Mehrwegdisplays, im heimischen Lebensmittelhandel Einzug halten. Das geht aus einer Studie hervor, die Nikolaus Hartig, Leiter der Abteilung Logistikverbund Mehrweg, retailreport.at vorstellte.
In der Einzelhandelslandschaft Österreich blüht ganzjährig die Aktionitis und mit ihr die Zweitplatzierung von mit Ware bestückten Kartonaufstellern an Gondelköpfen und in den Gängen, die mancherorts den Kundenlauf in einen Slalom mit Haarnadel-Vertikale verwandelt. Nicht weniger als drei Millionen (!) solcher Pappkameraden bevölkern im Laufe eines Jahres die Verkaufsflächen unserer 5500 Lebensmittelgeschäfte. Das macht pro Laden 545 Aufsteller, die im Extremfall nach 14 Tagen Aktions-Laufzeit schon wieder weggeräumt werden. Allein die Firma Packservice konfektioniert jährlich 950.000 solcher Einwegdisplays und ist damit Marktführer in dieser Logistik-Dienstleistungssparte. Nach Ablauf der Aktion wandert der Kartonaufsteller als Müll von den Geschäften in die Handelszentralen, wo er dem Papier-Recycling zugeführt wird. Auf diese Weise werden jährlich 18 Millionen Tonnen aufwändiger, mit Werbung bedruckter Kartonagen nach kurzer Einsatzdauer entsorgt.
Zu den heavy Displayern zählt die Premium-Schokolade-Firma Lindt & Sprüngli, sie schickt zwischen Neujahr und Ostern 50.000 Displays mit Oster(hasen)-Saisonware in den Handel, eine zweite Lieferung in ähnlichem Umfang erfolgt in den Monaten vor Weihnachten. Im Preiskampf um Marktanteile werden Bier und AF-Getränke ganzjährig auf Displays zweitplatziert. Immer stärker aber mischen sich auch Sortiments-Displays von Handelsmarken, gestützt auf den „Heimvorteil“, ins Gedränge um die besten Impulskauf –Plätze.
Die Hyper-Aktionitis am POS schreit förmlich nach einer superschlauen Filial-Logistik, die es versteht, diese Display-Karawane, die sich vom Produzenten zu den Outlets schiebt, ökonomisch und ökologisch zu optimieren. Da ist es nur logisch, wenn Professor Dr. Nikolaus Hartig, ausgewiesener ECR-Logistikexperte, mit seinem Logistikverbund Mehrweg die bestehende Familie der Mehrweg-Ladungsträger (MW-Palette, MW-Rollpalette, MW-Kiste, MW-Klappkiste, MW-Tray, MW-Rollbehälter) um das Konzept eines Mehrweg-Displays bereichert. Seit Jahren forscht daran seine Abteilung, zusammen mit den Firmen Polymer Logistics und Packservice.
Baukasten-Set von Polymer
Seit rund zwei Jahren liegt ein von Polymer entwickelter Prototyp eines Mehrweg-Displays in Form eines Baukasten-Sets vor. Es besteht aus Regalböden mit klappbaren Randleisten im Format der Viertelpalette (60 x 40 cm) sowie aus Stecksäulen, die an den vier Ecken der Böden in eine Halterung einrasten. Zur Auswahl stehen Längen von 37 cm (speziell für Flaschenbier), 30 cm und 28,5 cm. Diese Module sind aus bruchfestem, belastungsfähigem Kunststoff hergestellt. Als kompatibler Untersatz für den Transport bzw. als Sockel am POS dient die Kunststoff-Viertelpalette, auch in Form der Rollpalette (Dollie). Kartonstreifen verkleiden die Regalleisten und dienen als Werbefläche für Marken-Logos und Aktions-Botschaft. Ein dünner Karton, über den Regalboden gelegt, erhöht die Rutschfestigkeit der Ware.
MW-Logistik-Pool von Packservice
Diese Mehrweg-Display-Garnituren werden von Packservice über ein Pool-System gegen eine zeitabhängie Miete an die Industrie verliehen. Diese belastet den Handel bei der Warenanlieferung mit einem Mehrwegpfand, die Pfandgutschrift erfolgt nach der Rückführung der MW-Displays in den Pool. Auch für die Rückhol-Logistik aus den Handelszentralen zeichnet Packservice verantwortlich. Die Poolbetreiber gehen von einem 50 maligen Umlauf des Displays aus.
Eurospar/Interspar-Test mit Ottakringer
Im zweiten Halbjahr 2017 lief ein Praxistest, umgesetzt von Ottakringer gemeinsam mit der Spar ZN St. Pölten und ihren Interspar- und Eurospar Märkten in Wien und Niederösterreich. Die Hälfte der bei diesem Trial verwendeten Warenträger waren herkömmliche Kartondisplays, die andere Hälfte eigens von Polymer angefertigte Mehrwegdisplays des beschriebenen Prototyps (siehe Abbildung).
Die Key Learnings dieses Probelaufs:
- der Verbrauch an Kartonagen kann bei Mehrweg-Displays gegenüber der herkömmlichen Einweg-Variante um rund 60% reduziert werden. Das ergäbe, bei einem weitgehenden Komplettumstieg eine jährliche Einsparung von 7,2 bis 10,8 Millionen Kilo Karton.
- MW-Displays lassen sich um 26% schneller beschicken als EW-Displays.
- Das MW-Display ist stabiler und schützt die Ware besser vor Beschädigung und Bruch, ein Vorteil, vor allem beim Angebot von Getränken in Glasflaschen.
- Was den Kostenvergleich betrifft, schlägt die lange Nutzungsdauer in Form einer attraktiven Miete zugunsten der MW-Displays zu Buche.
Polymer hat für den österreichischen Markt bereits ein entsprechendes Kontingent an solchen Plastik-Displays auf Lager gelegt. Wenn Industriefirmen wegen der ökonomischen und ökologischen Vorteile auf das MW-Poolsystem umsteigen, steht einem breiten Rollout nichts mehr im Wege. Wie uns Hartig versichert, ist die Spar bereits startklar und beabsichtigt, das MW-Display vor allem für Bieraktionen aber auch für diverse Lebensmittel (z.B. Essig) einzusetzen. Auch LEH-Marktführer Rewe, dessen Merkur Märkte als besonders Display-freudig gelten, signalisiert Interesse - siehe dazu das Statement von Rewe-Logistik-Chef Andreas Bayer. Ein spezieller Einsatzbereich sind Eigenmarken des Handels. Hier bieten die Displays mit den variablen Regalboden-Abständen die Möglichkeit für eine Verbundplatzierung von Private-Labels verschiedener Warenkategorien. Es ist daran gedacht, dass die Händler für ihre Eigenmarke eine entsprechende Anzahl an Displays erwerben, die nicht über den Pool der Markenartikler zirkulieren.
Luxusmodell: Proteus Smart Display
Gibt es eine Alternative zum Polymer-Modell? Auf Hartigs Innovations-Forschungsradar entdecken wir das Modell Proteus. Es ist flexibler, aber auch um einiges aufwändiger als das Polymer-System. Proteus arbeitet mit stufenlos verstellbaren Teleskop-Stangen und ist fix mit der Rollpalette verbunden. Als Luxus-Ausführung für Digital-Logistic-Freaks präsentiert sich das Proteus Smart Display. Es ist mit einem Chip ausgestattet, dessen Artificial Intelligence auf Kundenwunsch mit einer Temperaturüberwachung (für Schokolade im Sommer), einem Crash-Sensor, einen Location Finder (für Kontrollzwecke: Steht das Display tatsächlich im Verkaufsraum?) und einem Gewichtsensor (gibt Auskunft über den Abverkauf) aufwartet. Fast schon ein Display-Roboter.
Statement von Andreas Bayer, Logistik-Chef von Rewe International: "Grundsätzlich sehen wir in der Logistik Mehrwegsysteme generell positiv, daher haben wir ein Grundinteresse an dem angesprochenen Mehrweg-Display. Bevor wir einen neuen Ladungsträger umfänglich frei geben, werden wir diesen im „daily business“ auf Verwendbarkeit im gesamten Kreislauf testen. Der Kontakt zur Firma Polymer ist bereits aktiv und wir planen in einigen Wochen einen Testlauf. Wir möchten durch Mehrwegsysteme Standards setzen, um nicht in wenigen Jahren unzählige verschiedene Mehrwegdisplays zu bekommen, denn dann ist der Aufwand in der gesamten supply chain um ein vieles höherer als heute".