Tann: Österreichs Hidden Tierwohl-Champion
Bericht: Hanspeter Madlberger
Wie nachhaltig die Tann, Österreichs größter Fleisch & Wurst-Produzent den Ausbau des Tierwohl-Angebots betreibt, darüber gaben Andreas Stieglmayr, Konzernleiter von Tann Austria und Tann International sowie DI Leopold Scharmer, Bereichsleiter der Tann St. Pölten dem retailreport.at Auskunft.
Auch wenn die inflationsgeplagten Konsumenten aktuell beim Fleischeinkauf verstärkt auf den Preis achten, das Angebot an Tierwohl-Fleisch spielt im Wettbewerb der großen Handelsketten weiterhin eine bedeutende Rolle. Dabei verfolgen die beiden Big Player des LEH eine ganz unterschiedliche Kommunikationsstrategie. Während Billa mit der Kampagne "Fair zum Tier" kräftig die Werbetrommel rührt, stellt der Marktführer bei der Auslobung seiner 26(!) Markenfleisch-Programme, die regionale Herkunft in den Mittelpunkt. Die Erfüllung der AMA-Tierwohl-Standards ist Pflicht-Bestandteil bei allen diesen Qualitäts-Programmen und wird Österreich-weit mit der Marke "Tann schaut drauf" beworben.
Als die Zeiten noch normal waren, begann man bei Tann mit dem Aufbau einer Tierwohl-Fleisch-Lieferkette mit der Absicht, im Angebot eine Preisebene einzuziehen, die in der Mitte zwischen konventionellem Fleisch und Bio-Fleisch angesiedelt sein sollte. Um dadurch den, auf Nachhaltigkeit eingeschworenen Shoppern den Umstieg von konventionellem Fleisch auf eine Qualität zu erleichtern, die von Tieren stammt, deren Haltung ethischen Verbraucher-Erwartungen gerecht wird.
Niedrige Tierwohl-Nachfrage sorgt für Unwohl-Sein in den Handelszentralen
Diesem goldenen Mittelweg der Preispositionierung für Tierwohl-Fleisch aus konventioneller Produktion haben der Ukraine-Krieg und seine wirtschaftlichen Folgen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Inflationswelle hat dazu geführt, dass in den Supermärkten die Nachfrage nach dem zwangsläufig teureren Tierwohl-Fleisch aktuell zu wünschen übrig lässt, während Fleisch in der Preiseinstiegslage schlichtweg boomt. Eine Entwicklung, die quer durch die Bank bei allen Handelsketten, die auf Tierwohlfleisch setzen, ökonomische Bauchkrämpfe auslöst, weil ja langfristige Verträge mit den Tierwohl-Bauern diese erkleckliche Preisaufschläge zusichern. Als Faustregel gilt eine Tierwohl-Prämie von 60 Euro pro Schwein, das entspricht ungefähr einem Aufschlag von 60 Cent pro Kilo Lebendgewicht.
Dieses finanzielle Zubrot braucht der Schweinemäster, um die Investition in die von der AMA vorgeschriebenen Standards für Tierwohl-gerechte Stallungen zu refinanzieren. Kleines Rechenexempel: Ein Tann-Lieferpartner aus Niederösterreich hat sich einen TW 100-Stall (100% mehr Fläche pro Tier) zugelegt, liefert wöchentlich 40 Schweine über den regionalen Schlachthof an die Tann St. Pölten und erhält entsprechend dem Vertrag jährlich von Tann eine Tierwohl-Prämie in Höhe von rund 120.000 Euro ausbezahlt. Ein Aufpreis, den die Spar beim Fleischverkauf in den Märkten "hereinbringen" muss.
Ungeachtet der Kalamitäten, die aktuell das Tierwohl-Geschäft in der gesamten Branche erschweren, hält die Tann an ihrer regional breit aufgestellten Langfrist-Strategie fest, die TW-Qualität als Kernelement eines umfassenden Öko-Programms bei Fleisch & Wurst vorsieht. Das veranschaulichen die beiden folgenden Charts.
Der Start erfolgte bereits im Jahr 2006. Damals schloss sich die Tann dem TW-Projekt Gustino Strohschwein der VLV Schweinebörse an. Was mit der verpflichteten Stroh-Einstreu begann, entwickelte sich im Lauf der Jahre zu einem kompletten Tierwohl-Programm nach AMA-Richtlinien. 2011 stieg die Spar mit der Marke Spar Natur Pur in das Bio-Fleisch-Geschäft ein. Was das Tierwohl betrifft, verkörpern die Bio-Auflagen den "Gold-Standard". Starke regionale Akzente setzen Tann schaut drauf, 2016 in Niederösterreich eingeführt, und die beiden steirischen Programme, fokussiert auf die Duroc-Schweinerasse. Bislang letzter Schritt war die Einführung der Marke Tann Duroc Vulkanland im heurigen Jahr. Etappenweise wuchs solcherart die Belieferung der Tann-Betriebe mit TW-Schweinefleisch. Das wöchentliche Aufkommen addiert sich heuer auf eine Menge von über 1.100 Tieren, was ein Jahresvolumen von mehr als 50.000 TW-Schweinen ergibt.
Regional noch breiter gestreut als beim Schweinernen sind, wie das folgende Chart zeigt, die, mit Tierwohl-Auflagen ausgestatteten Qualitäts-Rindfleisch-Programme im Tann Sortiment.
Tann ist klarer Fleisch-Marktführer im LEH
Ihren Anspruch auf den Platz am Siegerpodest im Tierwohl-Wettbewerb des heimischen LEH untermauern die Tann-Chefs mit der Marktführerschaft ihres Unternehmens in der Frischfleisch-Kategorie. Bei rund 36% (laut NielsenIQ) lag 2021 der Marktanteil der Spar-Gruppe im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel. Über diesem Wert liegen der LEH-Marktanteil von Tann Schweinefleisch und Tann Rindfleisch. Im Klartext: Die Tann trägt, mit ihrem Marktanteil in der Kategorie Frischfleisch überproportional zum Markterfolg der Tannenorganisation bei. Rund die Hälfte des Fleisches wird in Bedienung verkauft, die damit verbundene Kundenberatung ist ein zentraler Erfolgsfaktor. Eine Bedienquote von 60 % wird angepeilt. Der Produktionswert der von den Tann Betrieben an die Spar gelieferten Ware (Frischfleisch und Wurst) legte in den letzten 10 Jahren um 65% zu. Tann Fleisch und Tann Wurst tragen zu 100% das AMA Gütesiegel, damit sind die Salzburger der umsatzstärkste Vermarktungspartner der Agrarmarkt Austria und der Bauern, die nach AMA Gütesiegel-Richtlinien produzieren.
Leopold Scharmer, Leiter Bereich Tann St. Pölten:
"Tann ist für die Landwirte in der Region ein Partner, auf den sie bauen können. Wir garantieren Abnahmemengen und honorieren Qualität mit Zuschlägen Diese erreichten im Jahr 2021 einen Betrag von 7,5 Millionen Euro. Damit ermöglichen wir den bäuerlichen Betrieben zusätzliche Wertschöpfung und Investitionen, die es für die Zukunft braucht".
Tierwohl und das AMA Gütesiegel
Die Österreich Herkunft des Fleisches, das ja auf seinem Weg "from stable to table" eine lange Lieferkette durchläuft, ist durch das AMA-Gütesiegel eindeutig deklariert. Eine Herkunftsgarantie, der die Konsumenten vertrauen dürfen. Doch das Regelwerk für die AMA-Deklaration von Fleisch, das aus artgerechter Tierhaltung stammt, ist bei weitem nicht so ausgereift, wie die Herkunftskennzeichnung. So kennt beispielsweise das AMA Tierwohl-Modul bei der Schweinehaltung zwei Haltungsformen: TW 60 (60% mehr Stallfläche) und TW 100 (100% mehr Stallfläche). Ein Schweinebauer, der seinen Stall um 60% vergrößert und damit die Tierwohl-Kriterien bereits erfüllt, erspart sich somit einiges Geld im Vergleich zu jenen Kollegen, die ihre Stallfläche verdoppeln.
Erst in Ausarbeitung befinden sich die AMA TW-Standards bei der Rinderhaltung. Kürzlich wurde seitens des Landwirtschaftsministeriums der Zeitrahmen für die Abschaffung der Anbindehaltung von Rindern verkürzt, aber diese Regelung gilt auch für die konventionelle Rindermast. Weil Rindfleisch für die Agrarexporte unserer Landwirtschaft enorme Bedeutung hat, wird die Tierliebe heimischer Rindermäster, sprich deren Bereitschaft, in Tierwohlställe zu investieren, auf eine harte Probe gestellt. Warnendes Beispiel ist Schweden, wo die Einführung hoher TW-Standards dazu führte, dass zulasten der inländischen Produktion die Importe aus EU-Ländern mit niedrigen TW-Standards (z.B. Spanien) empor schnellten.