Cybersecurity gegen bedrohliche Ungewissheit
Immer häufiger auch in Österreich auftretende Cyberangriffe sowie eine rasant fortschreitende Digitalisierung aufgrund der COVID-19 Pandemie haben die IT-Sicherheit im letzten Jahr so stark wie nie zuvor in den Fokus der heimischen Wirtschaft gerückt. Rund 7 von 10 österreichischen Unternehmen (73%) planen daher für das Jahr 2022 einen wesentlichen Anstieg ihrer Investitionen im Bereich Cybersecurity. Die Hälfte der Unternehmen (50%) kalkuliert dabei sogar eine Erhöhung der Budgets von mehr als 10 % zum Vorjahr ein und liegt damit weit über dem globalen Durchschnitt (26%).
Diesem neuen Verständnis für die Bedeutung und Notwendigkeit von IT-Sicherheit steht in Österreich jedoch eine häufig vorherrschende Unwissenheit über die entscheidenden Schutzmaßnahmen sowie die größten Cyberrisiken gegenüber. Allen voran möglicher Bedrohungen durch Dritte, die zu häufig durch die Komplexität und Vernetzung von Partner- und Lieferantenbeziehungen verdeckt werden. Das zeigen die für Österreich geltenden Ergebnisse der „Global Digital Trust Insights Survey 2022“ von PwC, im Zuge welcher weltweit mehr als 3.600 CEOs und Führungskräfte qualitativ befragt wurden.
Dienstleister und Lieferanten: Ein großer blinder Fleck der Cyberrisiken
„Die Entwicklungen in den letzten Jahren haben die Bedeutung der IT-Sicherheit ins Rampenlicht gerückt. Doch man kann nicht schützen, was man nicht kennt. So haben viele österreichische Unternehmen enorme Schwierigkeiten dabei, ihre Risiken durch Dritte - wie Lieferanten - im eigenen Umfeld zu erkennen. Gerade die Vorfälle der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass potenzielle Angreifer immer das schwächste Glied in der (Liefer-)Kette auswählen, um das Unternehmen lahm zu legen. Bei einer fehlenden Einbindung von Dienstleistern in die eigene Risikobetrachtung werden diese Risiken zumeist falsch oder gar nicht bewertet”, erklärt Georg Beham, Cybersecurity & Privacy Leader bei PwC Österreich.
So gaben nur 35% der befragten heimischen Unternehmen an, dass sie das Risiko von Datenschutzverletzungen durch Dritte systematisch erheben und über ein gutes Verständnis der vorhandenen Risiken verfügen. Bei Technologieanbietern oder IoT- (Internet der Dinge) Spezialisten haben lediglich 17% ein angemessenes Verständnis für diese Risiken – ein großer blinder Fleck, den Cyberkriminelle sehr wohl kennen und ausnutzen. Entgegen dem weltweiten Trend wird in Österreich immer noch zu sehr auf Lieferanten vertraut, ohne sich ein unabhängiges Bild zu machen. Die Durchführung von umfassenden Due-Diligence-Prüfungen im Rahmen von Dienstleister-Beauftragungen wird von mehr als 80% der Befragten als nicht erforderlich betrachtet.
„Ich fürchte, dass wir besonders bei österreichischen KMUs Aufholbedarf haben und in der Vergangenheit wenig gemacht bzw. zu viel gespart wurde. Wir sind keine Insel der Seligen, sondern Teil des globalen Cyberspace. Daher rate ich allen Unternehmen – auf gut österreichisch – nicht jammern, sondern anpacken“, meint Jimmy Heschl, Head of Digital Security bei Red Bull als einer der Befragten der Studie im Interview.
Falsch wahrgenommene Sicherheit auf Vorstandsebene
Die Studie lässt außerdem eine falsch wahrgenommene Sicherheit auf Vorstandsebene erkennen. Während in Österreich 50% der befragten CEOs ihrerseits eine frühzeitige und aktive Einbindung bei der strategischen Festlegung und Erreichung von Cyberzielen sehen, teilen lediglich 10% ihrer führenden Mitarbeiter diese Einschätzung und erkennen die Einbindung der CEOs primär bei der Behandlung von konkreten Cybervorfällen (46%).
„Eine rein passive Information an den CEO bei strategischen Cybersecurity-Entscheidungen vermittelt ein falsches Gefühl von Sicherheit. Dabei kann ein proaktives Engagement auf Vorstandsebene den entscheidenden Unterschied ausmachen. Wie unsere Studie zeigt, erzielten Unternehmen mit sehr engagierten CEOs, die ihre Führungskräfte in hohem Maße unterstützen, in den letzten zwei Jahren erhebliche Fortschritte bei ihren Cybersecurity-Programmen“, so Experte Georg Beham.
Wichtige Investitionsfelder, aber keine datenbasierten Cybersecurity-Entscheidungen
Bei den wichtigsten Investitionsfeldern für IT-Sicherheit folgt Österreich dem weltweiten Trend und erkennt vor allem Bedarf in der Integration und Harmonisierung von Prozessen und Maßnahmen über die gesamte Organisation hinweg (18%), den Abbau von veralteter Technologie (17%) sowie in der Erstellung von Checklisten und Workflows zur Unterstützung von Abläufen bei der Abwehr von Cyberangriffen. Den Weg in die Cloud sehen nur 7% der befragten Unternehmen als mögliche Strategie innerhalb der kommenden zwei Jahre. „Das ist angesichts der derzeitigen und absehbaren Arbeitsmarktlage auch in Österreich bemerkenswert, in der IT-Experten immer rarer werden und es daher zusehends alternativlos ist, in die Cloud zu migrieren“, analysiert Georg Beham.
Ein bereits im Unternehmen vorhandener Erfolgsfaktor wird jedoch noch flächendeckend zu stark vernachlässigt: Die Aufbereitung und Nutzung bestehender Daten. Während mehr als 80% der weltweiten Cybersecurity-Vorreiter beispielsweise Logdaten aus vergangenen Angriffen erfolgreich für ihre strategischen Entscheidungen nützen, greifen in Österreich weniger als ein Drittel der befragten Unternehmen auf verfügbare Daten und Erkenntnisse zurück.
„Die wesentlichen Elemente zur Umsetzung einer datenbasierten Entscheidungsgrundlage sind in Österreich meist unzureichendvorhanden. Oft sind Cyberkriminelle bereits seit Monaten in das Unternehmens-Netzwerk eingedrungen und haben ausreichend Zeit sich überall auszubreiten. Das wäre fast so, als wenn man in einem Einfamilienhaus eine Alarmanlage montiert, aber vergisst diese einzuschalten. Hier lohnt es sich für heimische Unternehmen einen Blick auf die weltweiten Vorreiter zu werfen, denn Datenanalyse ist auch in der Verteidigung des eigenen Unternehmens eine entscheidende Macht“, empfiehlt Georg Beham.
„Es gibt natürlich auch viele Fehlalarme, deren Klärung Ressourcen bindet. Die richtige Mischung aus Überwachung, Analyse und Akzeptanz zu finden erfordert Gespür, das sich auch entwickeln muss. Hier das Optimum zu finden ist nicht immer einfach, aber entscheidend“, ergänzt Jimmy Heschl.