ÖWR verwundert über Beschluss der NEK
Die Nationale Ernährungskommission des Gesundheitsministeriums hat in ihrer gestrigen Sitzung sogenannte Nährwertprofile samt drohender Werbeverbote für fett- und zuckerhaltige Lebensmittel mehrheitlich beschlossen. „Dieser Beschluss ist mehr als verwunderlich, denn vor fünf Monaten ist die Novellierung der Audiovisuellen Mediendienste- Richtlinie in Österreich umgesetzt worden. Diese wurde im Schulterschluss mit der Lebensmittelbranche, den Medien und allen öffentlichen Stellen – auch dem Gesundheitsministerium – erarbeitet und sieht strenge Vorlagen für Lebensmittelwerbung im Umfeld von Kindersendungen vor. Diese werden im Wege der Selbstregulierung effizient überwacht. Nunmehr erfolgt ein weiterer Vorstoß, der auf keinerlei wissenschaftlicher Evidenz beruht und gewissermaßen über die Hintertüre weitreichende Werbeverbote erwirken soll“, so ÖWR-Präsident Michael Straberger in einer ersten Reaktion.
„Der Anschein mag trügen, jedoch scheint es, dass das Gesundheitsministerium von jahrelangen Versäumnissen im Bereich der Aufklärung über ausgewogenes Ernährungsverhalten ablenken und nunmehr mit falschen und wirtschaftsfeindlichen Rezepten ein Problem lösen möchte, ohne die eigentliche Problematik proaktiv bekämpfen zu wollen“, so Straberger weiter.
Proaktiv heißt – zumindest aus Sicht des Werberats – auch immer konstruktiv und themenbezogen an eine Sache heranzugehen: „Die bisherigen Erfahrungen, beispielsweise mit dem Problembereich Sexismus, haben gezeigt, dass die Akzeptanz für ein Thema nur dann nachhaltig erzielt werden kann, wenn genügend Raum für Austausch zwischen allen Stakeholdern geschaffen wird. Ein Austausch hat im konkreten Fall leider nicht stattgefunden, im Gegenteil: Maßnahmen und Beschlüsse sind bestenfalls über Medien zu erfahren“.
Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist absolut schützenswert und steht außer Frage, dies darf jedoch nicht über den Weg der Einschränkung der Informations- und Werbefreiheit versucht werden. Vielmehr führt die gegenteilige Strategie zum Ziel: aufklären, informieren, Werbekampagnen für ausgewogene Ernährung und letztendlich die Eigenverantwortung stärken. Bevormundung und Verbote sind der falsche Weg“, so ÖWR- Präsident Straberger abschließend.
Über die Verordnung
Entsprechend den Vorgaben des Ende 2020 novellierten KommAustria-Gesetzes, basierend auf der im Dezember 2018 in Kraft getretenen Neufassung der geltenden EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (EU-AVMD-Richtlinie), erarbeitete der Österreichische Werberat umfangreiche Eckpfeiler zur weiteren Stärkung der Selbstregulierung – vor allem im Bereich Lebensmittelwerbung. Dazu zählen u.a. die Überarbeitung des Ethik-Kodex, die Erarbeitung eines Sanktionskatalogs oder auch die Einrichtung eines Fachbeirats und umfangreiche Berichtspflichten. Gleichzeitig wird damit die Selbstregulierung der kommerziellen Kommunikation enorm gestärkt und Werbeverboten eine klare Abfuhr erteilt.
So umfasst der neue Ethik-Kodex der Werbewirtschaft ergänzende Richtlinien, die unangebrachte audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für bestimmte Lebensmittel rund um Kindersendungen betreffen. Diese gelten nun auch für Anbieter von Videoabrufdiensten und Video-Sharing-Plattformen (z.B. Youtube) und wurden auf weitere audiovisuelle Kanäle, etwa Videoclips und nutzergenerierte Inhalte, erstreckt.
Dadurch wurde die seit 2010 als Anhang zum Ethik-Kodex bestehende Selbstbeschränkung der Werbe- und Lebensmittelwirtschaft für audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für bestimmte Lebensmittel rund um Kindersendungen an die neuen rechtlichen Vorgaben der EU angepasst und in den Ethik-Kodex integriert.
Weitere Verschärfungen und Präzisierungen erfolgten für die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke im Umfeld von Jugendlichen und für die Bereiche „Gesundheit“ und „Alkohol“ generell.
Die Nationale Ernährungskommission (NEK) hat aktuell ein sogenanntes Nährwertprofil beschlossen, das in weiterer Folge Werbung für Lebensmittel mit hohem Fett-, Zucker- oder Salzgehalt verbieten soll. Gleichzeitig wird die Forderung nach einer Ausweitung der Anwendungsgebiete von audiovisueller kommerzieller Kommunikation auf alle Medienkanäle laut.
Vor dem Hintergrund einer europaweiten Richtlinie, die aktuell in der EU erarbeitet wird und frühestens 2022 in Kraft treten soll, kann dieser nationale Alleingang nicht nachvollzogen werden.