Nationale Herkunftskennzeichnung verstößt gegen EU-Recht
Jüngst hat Bundesminister Anschober einen Entwurf einer Verordnung zur Herkunft vorgelegt, Bundesministerin Köstinger hat noch Forderungen draufgelegt.
Dieser Entwurf und diese Aussagen (siehe Bericht retailreport.at) veranlassten den Fachverband der Lebensmittelindustrie zu einer wichtigen Stellungnahme: "Die Rechtslage in Europa ist eindeutig: die Kennzeichnung von Lebensmitteln ist EU-weit harmonisiert, auch die Deklaration der Herkunft von Lebensmitteln. Eine zusätzliche, simple und rein national verpflichtende Herkunftskennzeichnung in Österreich ist de facto nicht zulässig. Das haben auch der Europäische Gerichtshof in seinem jüngsten Urteil über die nationale Herkunftskennzeichnung in Frankreich (EuGH, Rs. C-485/18 – Lactalis) und mehrere Rechtsgutachten renommierter österreichischer Universitätsprofessoren und Rechtsexperten bestätigt", erläutert Mag. Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie.
EuGH stellt klar
In seinem jüngsten Urteil erteilte der Europäische Gerichtshof nationalen Geboten zur Herkunftskennzeichnung, die über geltendes EU-Recht hinausgehen, im Ergebnis eine Abfuhr, indem er auf das enge rechtliche Korsett für solche Angaben verwies: Danach muss ein Mitgliedstaat eine Verbindung zwischen einer besonderen Qualität des Lebensmittels und seiner Herkunft nachweisen. Diese besondere Qualität muss objektiv feststellbar sein und auf sämtliche Lebensmittel zutreffen, die der nationalen Regelung unterliegen. Einfach ausgedrückt bedeutet das: Lebensmittel, etwa Milch, Fleisch oder Eier aus Österreich müssen nachweislich "besser" sein, nur weil sie aus Österreich stammen. Das muss der Mitgliedstaat nachweisen.
Weiters hat der Mitgliedstaat nachzuweisen, dass die Verbindung zwischen dieser besonderen Qualität und der Herkunft des Lebensmittels auch von wesentlicher Bedeutung für die Verbraucher ist.
Den Mitgliedstaaten steht es freilich weiterhin frei, freiwillige Systeme der Herkunftskennzeichnung zu fördern. Dazu zählen das in Österreich seit über 20 Jahren bestehende AMA-Gütesiegel oder EU-Herkunftsmodelle wie die EU-Qualitätsregelungen betreffend geschützte geographische Angaben, geschützte Ursprungsbezeichnungen oder garantiert traditionelle Spezialitäten. "Dazu braucht es aber keine neuen Verordnungen. Das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus sollte weniger geltendes EU-Recht ausblenden und stattdessen endlich bereits bestehende Herkunfts-Modelle ausbauen", so Koßdorff.
Die Angabe der Herkunft von Lebensmitteln ist EU-weit bereits geregelt
Die Angabe der Herkunft von Lebensmitteln ist seit vielen Jahren umfassend in der EU geregelt und wird laufend erweitert, zuletzt bei den Primärzutaten. Deren Herkunft ist seit 1. April 2020 auf der Verpackung eines Lebensmittels anzugeben, es gilt: Wer mit der Herkunft etwa eines verarbeiteten Lebensmittels wirbt, muss die Herkunft der Primärzutat des Produktes auf dem Etikett deklarieren, wenn diese eine andere Herkunft hat. Das gilt in der gesamten EU für sämtliche verpackte Lebensmittel gemäß EU-Lebensmittelinformationsverordnung und Durchführungsverordnung.
Die EU sieht in ihrer "Farm to Fork"-Strategie bereits die nächste Erweiterung vor: Schon 2022 werden die Regelungen für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln weiter ausgedehnt. Die Konsultationen dazu laufen bereits.
Dazu betont Koßdorff: "Für die österreichische Lebensmittelindustrie ist es zentral, dass für die Kennzeichnung von Lebensmitteln einheitliche Spielregeln in Österreich und der gesamten EU gelten. Denn nur so bleiben wir wettbewerbsfähig. Neue Pflichtangaben für Lebensmittel dürfen daher nur auf EU-Ebene entschieden werden und keinesfalls national. Gerade die Corona-Krise hat eindrücklich gezeigt: Nur eine starke Lebensmittelindustrie im eigenen Land gewährleistet die verlässliche Versorgung der Bevölkerung mit sicheren, guten und ausreichenden Lebensmitteln. Darauf sollten alle politisch Verantwortlichen gut achten."