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Martin Darbo

Martin Darbo: "Wir sind keine Preiskämpfer"

Martin Darbo, Vorstandsvorsitzender des gleichnamigen Familienunternehmens, spricht im Interview mit retailreport.at über die Zusammenarbeit mit dem Handel, die herausfordernden vergangenen Monate und bezieht Stellung zu Themen wie Herkunftskennzeichnung und Werbeverboten.

Autorin: Michaela Schellner

Herr Darbo, das Jahr 2020 war angesichts der Corona-Pandemie ein sehr herausforderndes. Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Entwicklung von Darbo vor diesem Hintergrund?

Martin DarboIm Nachhinein betrachtet war das Jahr 2020 für Darbo ein solides, wenn auch mit einem leichten Umsatzrückgang von ca. 1,5 Prozent. Wie bei vielen anderen Lebensmittelherstellern kam auch bei Darbo die Belieferung der Gastronomie zeitenweise fast ganz zum Erliegen, während das Geschäft im Einzelhandel stärker verlief. Sehr herausfordernd blieb die Planung, da auch wir zu keinem Zeitpunkt wussten, wie sich unser Geschäft in den jeweils kommenden Monaten entwickeln wird.

Konnten Sie die Verluste in der Gastronomie mit dem LEH-Geschäft kompensieren?

In normalen Jahren erzielen wir ca. 25 Prozent unseres Gesamtumsatzes über den in- und ausländischen Gastrogroßhandel, weiters mit Caterern für Fluglinien und Kreuzfahrtschiffe und generell mit allen Institutionen, in denen gefrühstückt wird. Der Stillstand in Gastronomie- und Tourismus hat diesen Anteil in einzelnen Monaten fast komplett einbrechen lassen. Wie beschrieben konnten wir einen Teil davon durch ein stärkeres LEH-Geschäft auffangen. Stabil entwickelte sich die Belieferung von weiterverarbeitenden Betrieben wie Großbäckereien und Molkereien.

Die Konsumenten haben Ihnen dort wo es möglich war, offenbar die Treue gehalten. Glauben Sie, dass Sie in Österreich auch mit dem Asset, ein österreichischer Familienbetrieb zu sein, gepunktet haben?

Was sich vor allem ausgezahlt hat, war das Vertrauen unserer Kunden, welches wir uns im Laufe der Jahre erarbeitet haben. In unsicheren Zeiten greift man offensichtlich zu jenen Marken, die einen auch bisher nicht enttäuscht haben. Darbo ist in ca. 55 Ländern weltweit vertreten, und so haben wir auch etwa in Deutschland, nach unserem Heimmarkt Österreich unser größter Abnehmer, dieses Markenvertrauen wahrgenommen. Ob wir im Heimmarkt als österreichscher Hersteller profitiert haben, darüber können wir nur spekulieren.

Die Corona-Krise hat das Bekenntnis zu regionalen Produkten und nachhaltigem Wirtschaften befeuert, die Konsumenten achten stärker darauf, woher die Waren kommen, die sie kaufen. Darbo kann naturgemäß nicht alle seine Rohstoffe aus Österreich beziehen – werden Sie in der Kommunikation diesbezüglich zukünftig verstärkt auf Aufklärung setzen müssen?

Darbo bezieht den größten Teil des Zuckers, zahlreiche Verpackungsmaterialien, aber auch einen großen Teil des Honigs aus dem Inland und verarbeitet seine Rohstoffe ausschließlich in Tirol. Früchte werden uns aus Österreich in der von uns benötigten Verarbeitungsstufe – wir beziehen unser Obst u.a. sortiert, gereinigt, teilweise händisch geschnitten, tiefgekühlt – nur wenige angeboten. So stammt der Großteil der Früchte aus umliegenden Ländern wie Ungarn, Italien, der Schweiz aber auch aus Schweden, Finnland, Polen oder Serbien; in Ausnahmefällen auch von außerhalb Europas. Kurze Transportwege liegen dabei in unserem ureigenen Interesse, jedoch ist Nachhaltigkeit und der Nachweis darüber in unseren Breitengraden Grundvoraussetzung für jedes Geschäft. Als Fruchtverarbeiter ist uns zudem bewusst, dass wir mit unseren Ressourcen so umgehen müssen, dass uns diese auch zukünftig noch ausreichend zur Verfügung stehen. Das werden wir auch weiterhin so  kommunizieren.

Zunehmende Wetterkapriolen führen immer wieder zu Ernteverlusten und damit einhergehenden steigenden Rohstoffpreisen. Darüber hinaus kämpft die gesamte Lebensmittelwirtschaft mit einem erhöhten Kostendruck bedingt durch gestiegene Preise bei Logistik und Energie. Können Sie Ihre Preise konstant halten?

Das Wetter wird tatsächlich immer unregelmäßiger und damit auch die Verfügbarkeit von Früchten in für uns tauglicher Qualität. Wir reagieren darauf, indem wir in starken Erntejahren mehr Ware beziehen und – tiefgekühlt – einlagern. Früher konnte man davon ausgehen, dass spätestens zur neuen Ernte wieder fast alles verfügbar sein wird. Das ist heute nicht mehr so.

Ob wir unsere Preise konstant halten können, wird sich zeigen. Preiserhöhungen muss sich jeder Qualitätsanbieter vorbehalten. Das erwähnte Markenvertrauen, beruht darauf, dass wir unseren Kunden immer eine gleichbleibend hohe Qualität liefern. Diese ist bei Darbo die Konstante, hier versuchen wir unverwechselbar zu sein. Ein Ausweichen auf z.B. schlechtere Marillen oder Erdbeeren verbietet uns unser Geschäftsmodell. Deshalb sind Preiserhöhungen von Zeit zu Zeit unausweichlich.

Haben Ihre Handelspartner Verständnis dafür?

Niemand freut sich über Preiserhöhungen, aber wie gesagt: Manchmal lassen sie sich nicht vermeiden. Wir haben unterm Strich ein partnerschaftliches Verhältnis mit dem Lebensmittelhandel. Schließlich hat man doch ein gemeinsames Ziel: Ware an die Menschen zu bringen. Trotz allfälliger unterschiedlicher Sichtweisen sind Handel und Hersteller am Ende doch aufeinander angewiesen und finden über kurz oder lang immer wieder zueinander.

Auch in der Preisgestaltung am POS? Viele Hersteller beklagen angesichts zunehmender Aktionsmechaniken und Rabatten eine Wertvernichtung ihrer Marken.

Niemand, weder Hersteller noch Händler, lebt im luftleeren Raum, sondern wir alle bewegen uns in Märkten und deren Mechaniken. Unsere Aufgabe als Markenhersteller in diesem Kreislauf ist es, den notwendigen Preis zur langfristigen Sicherstellung der Qualität unserer Produkte zu erzielen. Was angesichts der immer schwieriger werdenden Rohstoffmärkte herausfordernd genug ist. Preiskämpfer sind wir nicht, deshalb überlassen wir dieses Feld bewusst anderen.

Und wie gefällt es Ihnen, dass Lebensmittelhändler immer öfter auf eigene Produktionsstandorte und Eigenmarken – auch im Premiumsegment – setzen?

Unsere Aufgabe lautet, bessere Produkte herzustellen, als unsere Mitbewerber. Wenn andere diese Aufgabe besser bewältigen – und zwar ganz egal in welchem Preissegment – werden sie etwas richtig oder wir etwas falsch gemacht haben; unabhängig davon, ob der Absender des Konkurrenzprodukts nun Händler oder Hersteller ist. Entscheiden soll der Konsument. Fairness ist allerdings dann einzufordern, wenn Produkten über ihr Potenzial oder ihre Marktbedeutung hinaus übermäßig viel Regalplatz zugestanden wird. Die Bevorzugung einer Marke in der Platzierung, allein deshalb, weil sie vom Händler stammt, schafft eine lose-lose-lose-Situation zwischen Händler, Hersteller und – am wichtigsten – dem Konsumenten.

Stoßen Sie mit dieser Argumentation auf offene Ohren, wenn es darum geht, Ihre eigenen Produkte entsprechend zu platzieren?

Innovationen müssen Hand und Fuß haben. Es dient niemandem, mit Gewalt „Steher“ ins Regal zu argumentieren, die der Konsument dann nicht kauft, oder zumindest kein zweites Mal. Auch bei uns blieben da und dort Entwicklungen noch vor der Marktreife auf der Strecke. Allerdings gelingt es uns in der Produktentwicklung, -vermarktung und Produktion bestens, die Wünsche der Konsumenten wahrzunehmen. Wir haben z.B. erst vor Kurzem einen sensationellen Fruchtsirup - „Sizilianische Zitrone“ - auf den Markt gebracht, dessen Performance dort, wo er gelistet ist, schlicht sensationell ist.

Produziert Darbo eigentlich auch selbst Eigenmarken?

Wir haben vor einigen Jahren bewusst die Entscheidung getroffen, unsere Produktionskapazitäten für unsere Marke und zur Bewältigung des damit wachsenden Geschäfts zu nutzen. Aus der Zeit vor dieser Entscheidung gibt es noch Partnerschaften. Zusätzliche freie Kapazitäten für Fremdfertigung gibt es nicht.

Darbo exportiert mehr als die Hälfte seiner Produkte ins Ausland. Wie zufrieden sind Sie mit dem Exportgeschäft und greift man in Krisenzeiten auf Produkte „made in Austria“ zurück?

Nachdem die Voraussetzungen der letzten Monate weltweit die gleichen waren, hat sich auch unser Exportgeschäft in etwa parallel zum Inland entwickelt: Ein etwas steigendes LEH-Geschäft bei sinkenden Gastro-Umsätzen. In unserem wichtigsten Exportmarkt Deutschland haben wir dabei ebenfalls vom bereits erarbeiteten Konsumentenvertrauen profitiert und konnten Marktanteile im LEH ausbauen. Weiters bedeutend sind für uns Italien, Nordamerika, China und Russland, wobei dies die wichtigsten von insgesamt etwa 55 Ländern sind. Wir wollen auch künftig vor allem dort punkten, wo Kaufkraft und Wertschätzung für Premiumlebensmittel vorhanden sind und dort unseren Markenaufbau vorantreiben. In Deutschland gelingt uns das gut, und dort sehen wir auch einen großen Teil unsers künftigen Wachstums. Aber auch in den Gastronomie- und Einzelhandelsmärkten anderer Länder sehen wir Potenzial für eine Premiumergänzung im Marmeladenregal.

Kommen wir zurück nach Österreich: Wie nehmen Sie die aktuelle Diskussion um das Thema Herkunftskennzeichnung, Werbeverbote und NutriScore wahr?

Wir haben in der Vergangenheit eine Menge und vor allem eine Häufigkeit in der Erlassung neuer Vorschriften erlebt, die uns permanent zur Überarbeitung unserer Produktaufmachung gezwungen hat. Manches davon ist schwer nachvollziehbar. Dies macht uns als Branche die Arbeit nicht leichter, aber vor allem macht dieser Mehraufwand die Produkte bestimmt nicht billiger. Wichtig ist im emotionalen Thema Lebensmittel, dass alle Entscheider besonnen agieren und es verstehen, tatsächliche und berechtigte Anliegen von Konsumenten wahrzunehmen und umzusetzen und möglichst politischen Aktionismus unterlassen. Das Thema Werbeverbot ist langfristig ein europäisches, und ich bin überzeugt, dass auch in der aktuellen heimischen Debatte ein guter, österreichisch-partnerschaftlicher Weg gefunden wird.

Was wünschen Sie sich davon abgesehen für die Zukunft für Darbo?

Wie viele andere auch die Rückkehr zur Normalität. Alles andere schaffen unsere 375 Mitarbeiter, die uns durch die schwere Zeit getragen und zu jedem Zeitpunkt alle notwendigen Sicherheits- und Hygienemaßnahmen diszipliniert mitgetragen haben. Ohne den Fleiß und den Einsatz unseres Teams hätten wir das Jahr 2020 nicht so souverän bewältigt.

Herr Darbo, herzlichen Dank für unser Gespräch.

 

FACTBOX

  • Umsatz: 140,9 Mio. Euro (-1,5 %)
  • Exportanteil: 52,1 %, wichtigste der etwa 55 Exportmärkte: Deutschland, Italien, Nordamerika, China und Russland
  • Mitarbeiter: 375
  • Die Produktpalette umfasst Artikel für die vier Sparten LEH, Gastronomie, Großbäckerei und Molkerei.
  • Rohstoffverbrauch: Die Jahresausbringung beträgt ca. 45.000t.

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geschrieben am

03.08.2021