Lehren aus der BWB Branchenuntersuchung
Die BWB Branchenuntersuchung Lebensmittel hat nicht nur LEH und Lebensmittelindustrie vom Verdacht, Inflations-Profiteur zu sein, weitgehend rein gewaschen. Sie liefert auch wertvolle Erkenntnisse, wie der Wettbewerb der Handelsgruppen um Umsatz und Marktanteil in diesen turbulenten, von tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen geprägten Zeiten funktioniert.
Aufschlussreiche Erkenntnisse über die Mechanismen des Wettlaufs um Umsatz und Marktanteile in der FMCG-Branche sind der von der TQS Research & Consulting KG (Leitung: WU Ass. Professor Dieter Scharitzer) erstellten Studie über das Einkaufsverhalten von Familie Österreicher zu entnehmen, die im Auftrag der BWB durchgeführt wurde. TQS befragte zwischen 13. und 20.9. dieses Jahres 1000 Lebensmittel-Shopper zwischen 18 und 65 Jahren mittels CAWI (Computer Assisted Web Interviews). Die Schwankungsbreite beträgt +- 3 Prozentpunkte.
Besonders aussagestark sind die Konsumenten-Auskünfte, die deren unterschiedliches Einkaufsverhalten gegenüber den Store Brands Spar, Billa, Hofer, Lidl und Penny zum Inhalt haben.
Reichweite (Penetration), Besuchsfrequenz, Bedarfsdeckungsquote (Loyalität) und Verbrauchsintensität der Shopper in den größten Warengruppen: Das sind die vier Faktoren, die letzten Endes maßgeblichen den Marktanteil eines Lebensmitteleinzelhändlers bestimmen. Wie es um die Stärken und Schwächen von Spar, Billa; Hofer, Lidl und Penny bei den drei Faktoren Penetration, Besuchsfrequenz und Loyalität bestellt ist, dazu liefert die TQS-Studie folgende handfeste Hinweise.
Spar ist Reichweitensieger mit 96%
Nur 4% der Befragten kaufen nie bei einem Laden des Tannenformats ein, das ist gleichzusetzen mit einer Jahresreichweite der Spar von 96%. Berücksichtigt man die Schwankungsbreite der Umfrage sind es mindestens 93%. Spar verfügt somit über eine maximale geografische Marktabdeckung zwischen Boden- und Neusiedlersee. Das Ergebnis einer kontinuierlichen, jahrzehntelangen Expansions- und Akquisitionspolitik. Die letzten und damit auch entscheidenden Prozentpunkte zur Erreichung der Traum-Reichweite von 96% steuern die knapp 700 Spar Kaufleute bei, die somit im ländlichen Raum eine wichtige Nahversorgerfunktion erfüllen. 65% der Befragten kaufen für gewöhnlich ihre Lebensmittel bei Spar ein. Auch dieser Wert ergibt eine klare Pole Position im LEH-Wettbewerb.
Billa: Im Reichweiten-Wettlauf mit Spar und Hofer
Der Spar hart auf den Fersen ist in punkto Jahresreichweite die Rewe, wenn man ergänzend zu Billa und Billa Plus (Jahresreichweite: 92%) auch die Reichweiten von Penny (57%) Sutterlüty und Adeg (beider Reichweiten sind nicht separat ausgewiesen) mit berücksichtigt. 51% der Befragten kaufen Lebensmittel regelmäßig in einem Billa/Billa Plus ein. Da ist schon ein deutlicher Rückstand gegenüber dem Marktführer erkennbar. Bei der Penetration im Westen - Stichwort: Tirol - hat die Haraszti-Truppe noch Luft nach oben. Kein Wunder, dass schon seit einiger Zeit in der Gerüchteküche über Kooperationsüberlegungen zwischen Rewe und MPreis spekuliert wird. Freilich, das Kartellverfahren gegen das Mölk-Familienunternehmen könnte für Wiener Neudorf die Reichweiten-Steigerung in nächster Zeit „außer Reichweite“ rücken.
Hofer: Nahversorger-Status dank 91% Jahresreichweite
55% der Österreicher kaufen Lebensmittel für gewöhnlich bei Hofer ein, nur 9% betreten nie einen Laden des Discounter-Urgesteins. Mit einer Jahresreichweite von 91% (mindestens 88%) hat die seit 55 Jahren am Markt befindliche Aldi Süd-Tochter definitiv Nahversorger-Status erreicht. Auch wenn die Hofer-Kunden im Durchschnitt eine längere Wegstrecke absolvieren müssen, als die regelmäßigen Spar- oder Billa-Shopper. Wie zufrieden man in Sattledt mit dieser Penetrationsrate ist, geht aus dem Interview hervor, das Hofer-CEO Horst Leitner vergangene Woche retailreport.at gab. Mit über 530 Filialen erziele Hofer eine sehr gute Marktabdeckung, erklärte Leitner, die durchschnittliche Anreisedauer zum nächstgelegenen Hofer Markt betrage weniger als 15 Minuten (ergänze: mit dem Auto). Bedarf an neuen Standorten bestehe deshalb nicht.
Bei einem Jahresumsatz von 4,6 Mrd. Euro (2022) entfällt auf einen Hofer-Markt ein Umsatz von rund 8,7 Millionen Euro, was eine Rekord-Quadratmeterleistung von über 10.000. Euro ergibt. Gute betriebswirtschaftliche Voraussetzungen, um trotz Konkurrenz- und Inflationsdruck auch in schwierigen Zeiten passable Renditen zu erwirtschaften.
Sidestep: Margenunterschiede zwischen Discountern und Supermärkten
„Übergewinnen“ sind dennoch Grenzen gesetzt, denn laut BWB Untersuchung fallen die Bruttomargen des Discountsektors bei den meisten Warengruppen niedriger aus, als jene der Supermärkte. Besonders wenig verdienen Hofer/Lidl bei Wurst & Schinken, sowie bei TK-Pizza. Höhere Spannen als die Supermärkte kalkulieren die Discounter hingegen bei Frischfleisch, Speiseöl und löslichem Bohnenkaffee.
Lidl erreicht viel mehr Kunden als Penny
Der Marktanteil der Discounter wächst in Zeiten der Teuerung. Wie aktuelle GfK-Daten belegen, legt Lidl heuer, im Vergleich zu Hofer und Penny am stärksten zu. Trotzdem: Der Reichweiten-Abstand zwischen dem Discounter-Primus und seinem Verfolger ist noch immer beträchtlich. 36% kaufen laut TQS regelmäßig bei Lidl, die Jahresreichweite liegt bei 77% (mindestens 74%).
Die Rewe-Tochter Penny befindet sich, was die Penetration betrifft, in einer schwierigen Position. Mit 57% (mindestens 54%) ist die Jahresreichweite deutlich niedriger als jene von Lidl. Vor Jahren lagen Penny und Lidl beim Marktanteil ziemlich gleichauf. Aktuell dürfte, Branchenbeobachtern zufolge, Lidl im GfK Consumer Panel bei 7,2%, Penny bei 4,7% Marktanteil liegen.
Spar: Klarer Sieger in der Disziplin „Haupteinkaufsstätte“
„Und welches Geschäft ist Ihre Haupteinkaufsstätte?“ fragte TQS sein 1000er Sample .Die Antworten lassen gewisse, freilich nicht ganz präzise Rückschlüsse auf die Besuchsfrequenz und auf die Bedarfsdeckungsquote (Loyalität) zu.
Für die Ladenmarken der Spar (Interspar, Eurospar, Spar Gourmet, Spar Supermärkte) ist das Ergebnis auf den ersten Blick nicht überraschend. 36% der Befragten nannten die Spar-Formate als ihre Haupteinkaufsstätte für Lebensmittel. Das entspricht ziemlich exakt dem Nielsen-Marktanteil im Zeitraum 1-8/23 von 36,6%. Als sehr bemerkenswert aber ist der Vorsprung, den der Marktführer in der Disziplin „Haupteinkaufsstätte“ gegenüber seinen Verfolgern hat: Billa/Billa Plus kommen hier nur auf 22%, wenn man Penny (5%) hinzurechnet, sind es 27%. Vereinfacht ausgedrückt: Spar hat mehr Stammkunden als die Rewe, auch wenn man den Begriff „Stammkunde“ nicht zu eng fassen darf.
Dem USP des Marktführers auf der Spur
Wie erklärt sich der „überproportionale“ Kundenbindungs-Vorsprung der Nummer Eins gegenüber der Nummer Zwei? Die höhere Frequenz ist vermutlich dem dichteren Ladennetz geschuldet. Der Monopolstellung von Interspar als Lebensmittelmagnet in den SES Einkaufszentren hat Billa Plus nichts Vergleichbares entgegenzusetzen. Die höhere Bedarfsdeckung könnte auf höhere Kundenzufriedenheit mit den Leistungen der Fleisch- und Feinkost-Bedienungstheken zurückzuführen sein, möglicherweise schlägt auch eine aggressivere Aktionspolitik einschließlich der loyalitätsfördernden Pickerl-Sammel-Promotions zugunsten der Spar-Formate zu Buche. S-Budget kann Hofer-Fans anlocken. Und da ist dann noch die starke Leistung der Eurospar- und Spar-Kaufleute im ländlichen Raum als Spezialisten für Lokal- und Regionalsortimente, die immer mehr gefragt sind.
20% der Befragten, also ein Fünftel der Verbraucherschaft, bezeichnet Hofer als seine Haupteinkaufsstätte für Lebensmittel. Im Klartext: Der Discounter und Preisführer wird nicht nur als Nah- sondern auch als Vollversorger eingestuft. Lidl ist für die meisten nur zweite oder dritte Wahl. Lediglich 14% nennen Europas größten Lebensmittelhändler als ihre Haupteinkaufsstätte.
Shoppertypen-Marketing: Im Visier stehen Premium-Shopper
Bei der vierten Stufe zum Markterfolg geht es um klassisches Shopper Marketing, die gezielte Ansprache der unterschiedlichen Shoppertypen. Dabei gilt das Hauptinteresse der Supermärkte dem Typ des Premium Shoppers, den Besserverdienern, die über ihren Lebensmittel-Einkauf in gewissem Ausmaß auch ihren Lebensstil ausdrucken. Die Freaks von Bio- und Tierwohl-Produkten sind hier zu nennen. Wenn die Inflation abflaut, werden sie wieder verstärkt auf die in Augenhöhe platzierten Premium- (Eigen-) Marken zugreifen. Großmärkte könnten durch eine Leistungssteigerung in der Ladengastronomie dazu beitragen, dass der Delikatessen-versessene Shoppertyp sie künftig noch öfter frequentiert. Gute Möglichkeiten dazu bietet das bevorstehende Weihnachtsgeschäft.