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Konsumentenschützer fordern mehr Öko, unser Handel liefert

Konsumentenschützer fordern, Handel liefert

IFES-Studie für AK Wien über Verbrauchererwartungen bei Werbung für „Made in Austria“, Regionalität und Tierwohl liefert der Branche viel Diskussionsstoff.

Bericht: Hanspeter Madlberger

Welche Erwartungen haben Österreichs Konsumenten, wenn in der Werbung für Lebensmittel die Österreich-Herkunft, die Regionalität und das Tierwohl als Qualitätskriterien ausgelobt werden? Die Arbeiterkammer Wien nahm sich dieses spannenden Themas an und beauftragt das IFES-Institut, ein Sample von 800 Verbrauchern teils telefonisch, teils online darüber zu befragen. Sämtliche Charts der Befragungs-Ergebnisse finden unsere Leser im Anhang. Auch wenn geäußerte Konsumentenmeinung und Kaufverhalten oft weit auseinander klaffen, die Ergebnisse sind dennoch wert, von den Marketingstrategen aus Handel, Industrie und Landwirtschaft aufmerksam studiert zu werden.

Hier die Kernaussagen dieser Studie:

1. Wenn Lebensmittel verbal, über das AMA Gütesiegel oder durch rotweißrote Fähnchen als „österreichisch“ beworben werden, dann erwarten 75% der Befragten, dass die Produkte nicht nur in unserem Land hergestellt wurden, sondern auch, dass die Rohstoffe dafür komplett aus Österreich stammen. Das gilt beispielsweise auch für die Futtermittel in der Fleischproduktion. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass das von der WKO seinerzeit stark beworbene Siegel Made in Austria, das jedoch nie für Lebensmittel zum Einsatz kam (!), für Produkte beantragt werden kann, die mindestens zu 50% auf inländischer Wertschöpfung beruhen.

2. Bei pflanzlichen Lebensmitteln aus Österreich erwartet ein Drittel darüber hinaus eine bessere Qualität, ein Viertel weniger Schadstoffe. Bei tierischen Lebensmitteln wird vermutet, dass auch die Futtermittel aus Österreich stammen. Unsere Schweinemäster und mit ihnen die AMA sehen das bekanntlich anders. Ein Drittel verbindet mit der Österreich-Herkunft die Erwartung von „mehr Tierschutz“.

3. Mit dem Bezeichnung „Regional“ werden unterschiedliche Einschätzungen verknüpft: 96 % gehen davon aus, dass regionale Produkte aus Österreich kommen. Zwei Drittel erwarten, dass bei der Verarbeitung in einer bestimmten  Region auch die Rohstoffe aus dieser Region stammen. Ein Fünftel unterstellt sogar, dass bei tierischen Produkten auch die Futtermittel in dieser Region angebaut wurden.

4. Tierschutz und Tierwohl sind für 88% der Befragten wichtig. Wichtigste Kriterien sind gute Tierhaltung (Platz, Lüftung, Licht), stressfreie Schlachtung, Gentechnik-freies Futter, Auslauf im Freien, beziehungsweise Weidehaltung, kurze Transportzeiten, keine Anbindehaltung.

5. Unter dem Einfluss der Teuerung wollen trotzdem 29% auf gar nichts verzichten, ebenfalls 29% auf Bio-Produkte, 19% auf Vegan-Produkte. Und nur 8 % auf Tierschutz und 5% auf den gewohnten Geschmack.

Wo setzt die Kritik der AK an der Werbepraxis der  Lebensmittelwirtschaft an?

Vorweg: Es gibt so gut wie keine funktionierende Dialog-Plattform zwischen Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer/Landwirtschaftskammer zu diesem Themenkreis, der sowohl die Lebensmittelwirtschaft, wie auch die Lebensmittel-Konsumenten, ungeachtet der Teuerungswelle, intensiv beschäftigt. Dabei wäre es gerade jetzt so wichtig, würde die AK beispielsweise mit GS1 darüber diskutieren, wie das Konsumentenvertrauen in die Herkunfts- und Qualitäts-Sicherheit von Lebensmitteln mit Hilfe des reichen Instrumentariums der GS1-Kennzeichnungs-Standards gestärkt werden kann. 

Entsprechend praxisfremd sind auch die Vorschläge, die im Rahmen der Pressekonferenz präsentiert wurden. Wenn es nach der AK Wien geht, sollen im AMA Siegel der Nachweis von Herkunft und Tierwohl zu einem gemeinsamen Kennzeichnungssystem verknüpft werden. Wobei in Sachen Tierschutz ein Stufenmodell nach dem Vorbild des Nutri Score mit Farbenskala von Grün bis Rot vorgeschlagen wird. Bekanntlich hat im heimischen Lebensmittelhandel der Nutri Score als Orientierungshilfe für gesunde Ernährung mehr Gegner als Anhänger.

Darüber hinaus tritt die AK Wien dafür ein, dass Gütezeichen nur dann zum Einsatz kommen sollen, wenn gesetzliche Mindeststandards überschritten werden. Und: Es brauche verstärkte Schwerpunktkontrollen durch die Lebensmittelbehörde, um irreführende Werbung bei den genannten Kriterien zu vermeiden. Ein Blick in die Statistik: Von den rund 30.000 Lebensmittel-Proben die jährlich gezogen werden, stellt die Behörde bei zehn bis zwölf Prozent Kennzeichnungsfehler oder irreführende Angaben fest.

Unser Handel, ein Champion im Nachhaltigkeits-Marketing

Aus Sicht unserer Lebensmittelhändler kann man jedoch der IFES Studie viel Positives abgewinnen. Nicht zu Unrecht sehen sich ja große Filialketten wie kleine Kaufleute als Interessensvertreter ihrer Kunden, der Konsumenten gegenüber den Produzenten aus Industrie und Landwirtschaft. Und so spiegeln die Werbekampagnen, die eine Spar, eine Rewe, ein Hofer für Lebensmittel aus Österreich, für Spezialitäten aus den Regionen, vom Waldviertler Mohn über das Hallstätter Salz bis zur Bio-Bergmilch aus dem Lungau und für Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch aus artgerechter Tierhaltung exakt die Wünsche wider, die die 800 Befragten zu Protokoll gaben. So soll es ja auch sein, erfolgreiches Marketing  beruht ja auf dem Wechselspiel zwischen Nutzenerwartung der Käufer und Nutzenversprechen der Anbieter und ihrer Marken. Dass der Handel mit seinen starken Öko-Eigenmarken, man denke nur an Bio, vielen agrarischen Herstellermarken die Show stiehlt, steht auf einem anderen Blatt.

Rewe trotzt der Bio-Flaute

Stichwort: Bio-Handelsmarken. Bei der Jahrespressekonferenz vom 28.3. gab Marcel Haraszti bekannt, dass die Umsätze von Ja!Natürlich im Jahr 2022 um 5% auf 460 Millionen Euro gestiegen sind, die preisgünstigere Zweitmarke Billa Bio steigerte um 35% auf ein Volumen von 61 Millionen. Rewe trotzt der Bio-Flaute. Mit ihrem Engagement und ihren Kampagnen für Tierwohl-Fleisch liefern die drei Großen der Branche einander einen ehrgeizigen Wettlauf, der, wie die IFES-Umfrage bestätigt, bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommt. Jetzt brauchen diese nur noch bereit sein, für Tierwohl-Fleisch auch mehr Geld auszugeben.