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Rewe: Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht verhängte infolge der Rekurse der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundeskartellanwalts eine Geldbuße von 70 Mio EUR.

Kartell: die Bandagen scheinen härter zu werden

Die OGH-Strafe von 70 Mio. Euro schmerzt Händler und der Industrie tief in den Gliedern. Podiumsdiskussion, weitere Strafen und laufende Kartellverfahren zeigen das deutlich.

Europaweit und in Österreich: die Themen rund um Kartellrecht, unfaire Handelspraktiken, Wettbewerbsrecht gewinnen immer mehr an Bedeutung.

Hohe Strafe nicht nur in Österreich

Die EU-Kommission hat gegen Delivery Hero und Glovo wegen wettbewerbswidriger Absprachen eine Geldstrafe von insgesamt 329 Millionen Euro verhängt. Delivery Hero muss davon 223,3 Millionen Euro, Glovo rund 106 Millionen Euro zahlen. Zwischen Juli 2018 und Juli 2022 sollen beide Unternehmen unter anderem Preise abgesprochen, Marktaufteilungen vereinbart und sich gegenseitig Abwerbeverbote für Personal auferlegt haben. Die Kommunikation erfolgte laut Kommission über E-Mail und WhatsApp. Nicht in Zusammenhang zu bringen ist Delivery Hero mit Lieferando, denn der Mutterkonzern von Lieferando ist Just Eat Takeaway.com. 

EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera betonte die Bedeutung des Falls: Es sei das erste Mal, dass ein sogenanntes No-Poach-Abkommen – also ein Verbot, Mitarbeiter voneinander abzuwerben – durch die EU sanktioniert werde. Solche Praktiken behinderten die Arbeitnehmermobilität und unterliefen einen fairen Arbeitsmarkt.

Die EU-Kommission stellte fest, dass Delivery Hero und Glovo Informationen über Preise und Marktstrategien austauschten, um bestehende Marktüberschneidungen zu beseitigen und neue zu vermeiden. Delivery Heros Minderheitsbeteiligung bot dem Konzern entscheidende Einblicke, die für die Absprachen genutzt wurden. Neben der Marktaufteilung enthielt das Aktionärsabkommen auch Sitzrechte im Glovo-Verwaltungsrat und No-Hire-Klauseln. Solche Praktiken sind der Kommission schon länger ein Dorn im Auge – sie verfolgt Kartellverstöße mit zunehmender Härte, wie auch die jüngsten Razzien bei europäischen Reifenherstellern zeigen.

Muss Brau Union zittern?

Am 3. Juni 2025 ging das Kartellverfahren gegen die Brau Union in die Verlängerung, Mitte September wird weiterverhandelt. Am 3. Juni wurde der erste Zeuge vorgeladen. Ein ehemaliger niederösterreichischer Getränkehändler sagte vor dem Wiener Kartellgericht aus. Zwar sei es "toleriert" worden, auch Biere anderer Marken an Gastronomiebetriebe und Veranstalter zu liefern, doch habe man den „wirtschaftlichen Druck“ gespürt, die Kooperation mit der Brau Union nicht zu gefährden.

Im Zentrum des Verfahrens steht die Zusammenarbeit des Braukonzerns mit unabhängigen Getränke-Logistikpartnern. Der ehemalige Händler belieferte neben der Gastronomie auch Events und Festivals und führte unter anderem Produkte von Zwettler, Schremser und Ottakringer. Nach wirtschaftlichen Differenzen mit der Brau Union endete 2020 die Partnerschaft. 2021 folgte die Insolvenz; Teile des Unternehmens wurden im Sanierungsverfahren vom Großhändler Kiennast übernommen. Ein weiterer Streitpunkt ist der Einfluss der Konzernmutter Heineken auf die Brau Union, laut Standard. Laut BWB kann der Vorstand nicht unabhängig handeln, Vertreter von Heineken und Brau Union bestreiten das naturgemäß. Dass die Brau Union in 100-prozentigem Eigentum von Heineken steht, beweise den Einfluss nicht, aber die Vermutung liege nahe, meint die zuständige Richterin Ramona Wieser.

Unruhe wird größer

Der Fall gilt als besonders brisant, da der Oberste Gerichtshof (OGH) im Februar 2025 gegen die Rewe Group eine Rekordstrafe von 70 Millionen Euro wegen Marktmissbrauch verhängt hat. Branchenexperten rechnen seither häufiger mit hohen Bußgeldern. Rewe hat gegen dieses Urteil Rechtsmittel eingelegt und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen. Ziel ist es, die Entscheidung des OGH zu kippen oder zumindest zu entschärfen. Rewe argumentiert, dass wesentliche EU-rechtliche Fragen offen seien – etwa im Hinblick auf die Auslegung von Marktmissbrauch im Verhältnis zwischen Handelsketten und Lieferanten. Rewe hat die Strafe schon bezahlt und die Einschätzung, dass man hier Geld zurückbekommt ist unrealistisch.

Außerdem gibt es andere Überlegungen, aber noch keine öffentlich bekannten Informationen darüber, dass die Rewe Group einen Parteienantrag auf Normenkontrolle beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) gestellt hat. Ein solcher Antrag würde bedeuten, dass Rewe die Verfassungsmäßigkeit einer bestimmten gesetzlichen Regelung überprüfen lassen möchte. Sollte Rewe jedoch der Ansicht sein, dass ein Gesetz, das sie betrifft, verfassungswidrig ist, könnten sie versuchen, über andere juristische Wege, wie etwa eine Individualbeschwerde oder über den Instanzenzug, eine Überprüfung beim VfGH zu erwirken.

Was für Interessensvertreter, wie Handelsspartenobmann Rainer Trefelik besonders brisant ist, sind die Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich. Wenn ein Unternehmen mit solchen Strafen und solch einer Rechtsunsicherheit in Österreich rechnen muss, werden die Investitionen in den österreichischen Wirtschafsstandort geringer werden – aus Angst vor den rechtlichen folgen. „Wenn der Rechtsstaat zu einem Richterstaat wird, braucht man Richter, um wieder zu einem Rechtsstaat zu werden“, so die Konklusio. Das Rewe-Urteil hat in Österreichs Wirtschaft fehlende Rechtssicherheit ausgelöst. Die Folgen gehen weit über den Lebensmittelhandel hinaus. Speziell die Verwertung der leerstehenden Kika/Leiner Standorte sind betroffen. „Die 70 Mio. Euro Strafe sollte keine Maßgröße für die Zukunft sein“, so Rainer Trefelik.

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geschrieben am

06.06.2025