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Trocknen der Kakaobohnen bei der Kooperative CANN, Elfenbeinküste.

Durch Erfahrung glaubwürdig

Fairtrade agiert in Österreich seit 25 Jahren am Markt, international noch länger. Das schafft Glaubwürdigkeit.

In den letzten Monaten ist vieles bei Fairtrade umgesetzt worden, am wichtigsten ist jedoch die Erhöhung des Kakao-Mindestpreises. Welche Aufgaben noch zu bewältigen sind und wie man mit dem derzeitigen Aufleben industrieeigener Farmen umgeht, darüber spricht Fairtrade-Österreich-Geschäftsführer Mag. Hartwig Kirner mit retailreport.at.

retailreport.at: Auf der Süßwarenmesse in Köln hat Fairtrade verkündet, dass der Fairtrade-Mindestpreis für Kakao angehoben wird. Können Sie das in kurzen Sätzen noch einmal skizzieren und wie wurde die Erhöhung bis jetzt angenommen – auch bei Industrie und Handel? Welche Reaktionen – im positiven und negativen Sinne – hat es gegeben?

Mag. Hartwig Kirner: Ausgegangen ist unsere Initiative für einen höheren Kakao-Mindestpreis von einer aktuellen Untersuchung der Einkommenssituation der Kakaobauernfamilien in Côte d'Ivoire. Dabei haben wir festgestellt, dass immer noch ein großer Teil der betroffenen Familien ein viel zu geringes Einkommen generiert. Fairtrade International (wo die Produzenten auch 50% Stimmrechte ausüben) hat daher im vergangenen Jahr beschlossen, den Fairtrade-Mindestpreis für Kakao ab Oktober 2019 von 2000 auf 2400 US-Dollar pro Tonne zu erhöhen. Das ist eine Steigerung um 20 %! Diese Entscheidung ist gut und wichtig, bedeutet für die Kakao-Einkäufer im Gegenzug aber natürlich potentiell deutlich höhere Rohstoffkosten. Wir von unseren Lizenzpartnern aber in ersten Gesprächen das Feedback bekommen, dass sie uns voll unterstützen, wenn damit die Situation vor Ort verbessert werden kann. Denn das das ist ja auch im eigenen Interesse der Schokoladeproduzenten: Kakaobauern müssen von ihrer Arbeit leben können, sonst wird es mittelfristig zu Lieferengpässen kommen.

Immer mehr Schokoladeproduzenten  (jüngst auch Ritter-Sport) sichern sich ihre eigene Farm und betonen für diese auch die faire Bezahlung. Gehen wir davon aus, dass das stimmt, wieso passiert das, wenn es doch Fairtrade gibt? Ist es gut, je mehr getan wird in diese Richtung oder wäre es wünschenswert, wenn alle an einem Strang ziehen?

Wir finden jede Maßnahme wünschenswert, die zu besseren Arbeitsbedingungen und einem höheren Einkommen der Kakao-Bauernfamilien führen. Also auch seriöse Unternehmensinitiativen.  Aber gerade wenn ein Unternehmen große Mengen Kakaobohnen von verschiedenen Regionen weltweit beziehen muss, kann Fairtrade mit fairen und transparenten Lieferketten, die darüber hinaus unabhängig und regelmäßig kontrolliert werden, einen echten Mehrwert liefern. Denn so leicht ist es nicht, regelmäßig vor Ort „nach dem Rechten zu sehen“, und natürlich auch nicht billig. Fairtrade weist bei den Standards und der Kontrolle viel Erfahrung auf, dadurch können wir das effizient und glaubwürdig umsetzen. Unsere Konkurrenz sind aber ganz klar auch nicht jene ernstgemeinte Unternehmensinitiativen, sondern die 95% des Kakaovolumens weltweit, die konventionell, unkontrolliert und ohne jegliche Standards produziert und verkauft werden. 

Welche Maßnahmen für die Kooperativen sind Ihrer Meinung nach zur Zeit besonders wichtig: soziale oder Umwelt? Oder andere?

Was wir in der eingangs erwähnten Einkommensstudie gesehen haben: Die Kakaobauernfamilien verdienen ganz einfach immer noch zu wenig. Und ausgehend davon fehlt es dann an allem: An Investitionen in die Produktivität, in umweltschonenden Anbau, aber auch an Geld für Ausbildung, Schulbesuch der Kinder usw. Daher geht Fairtrade auch ganz stark in die Richtung existenzsicherndes Einkommen. Und zwar mit einem Maßnahmenpaket, das über höhere Kakao-Mindestpreise hinausgeht, dazu zählt die Stärkung der Kooperativen durch Professionalisierung, die Unterstützung bei der Diversifizierung der Einkommen oder qualitäts- und produktivitätssteigernde Maßnahmen.

Die Rosen-Challenge bringt mich auf einen Punkt: Welche Produkte sind die stärksten bei Fairtrade, welche Warengruppen und wie stark ist der Handel bei der Fairtrade-Umsetzung?

Für das Jahr 2018 sind leider noch keine genauen Zahlen verfügbar. Aber der Trend der letzten Jahre hat gezeigt, dass Schokolade und Süßwaren mittlerweile die wichtigste Fairtrade-Warengruppe ist, mit mehr als 44% Anteil am Gesamtumsatz von Fairtrade-Produkten in Österreich. Dahinter folgen mit Respektabstand Bananen (16%) sowie Fruchtsäfte (14%) und Kaffee (13%). Schaut man sich die Vertriebsschienen an, so ist ganz klar der LEH mit einem Anteil von 76% unser wichtigster Partner. Daneben sorgt aber der Fachhandel durch intensive Beratung und Bewusstseinsbildung bei den Kunden für einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der erfolgreichen Entwicklung des fairen Handels in Österreich. Als dritte Vertriebsschiene entwickelt sich der Außer-Haus-Markt sehr erfreulich, bereits 7% des Umsatzes werden in der Gastronomie, in Büros, etc generiert. 

Kaffee hatte ein Preis-Problem im vergangenen Jahr. Wie hat sich Kaffee in den letzten Monaten entwickelt und wo sehen Sie noch Aufholbedarf bei Fairtrade -Kaffee? Wird auch der Kaffee-Anbau in einigen Jahren/Jahrzehnten gefährdet sein aufgrund der Veränderung der Umwelt?

Auch hier muss ich Sie mit Zahlen des Jahres 2017 vertrösten, wobei wir bereits sagen können, dass 2018 wieder ein sehr gutes Jahr war. Wir schätzen, dass der Marktanteil von Fairtrade-Kaffee mittlerweile bei 7,7% liegt. Das zeigt gleichzeitig noch das Potential: 92,3% aller in Österreich getrunkenen Kaffeetassen beinhalten konventionellen Kaffee. Dieses Potential auszuschöpfen kann uns natürlich nur gemeinsam mit engagierten Kaffeepartnern gelingen. Ein aktuelles Beispiel ist MPreis, die sich Anfang des Jahres dazu entschieden haben, in allen 175 Baguette Filialen Fairtrade-Kaffee auszuschenken. Da sprechen wir von 45 Tonnen Kaffee pro Jahr, die zusätzlich zu fairen Bedingungen eingekauft werden.

Und mehr Absatz zu Fairtrade-Bedingungen ist wichtig, denn wie Sie schon angemerkt haben, stehen Kaffeeproduzenten in den nächsten Jahrzenten vor enormen Herausforderungen. Die Auswirkungen des Klimawandels sind schon stark spürbar, das hören wir ganz klar in Gesprächen Kaffeeproduzenten vor Ort: Die Fruchtfolgen ändern sich, die Verlässlichkeit der Regenzeit nimmt ab, Wetterextreme treten immer häufiger auf. Diese Rahmenbedingungen bedingen, dass mit Agrarinvestitionen darauf reagiert werden muss. Wichtig ist es daher, Kaffeeproduzenten fair zu entlohnen, um sie mit den finanziellen Ressourcen für die notwendigen Investitionen auszustatten. 

Wenn Sie einen Wunsch an die Politik (heimisch und international) hätten, was würden Sie sich wünschen?

Ich finde es bisweilen fast schon amüsant, wenn versucht wird, die Verantwortung für faire Spielregeln im weltweiten Wirtschaftssystem alleine auf die Konsumentinnen und Konsumenten abzuwälzen. Klar, der tägliche Einkauf ist ein Stimmzettel, ob uns faire Produkte wichtig sind oder nicht. Aber darüber hinaus bedarf es dem Mut und der Ideen engagierter Politikerinnen und Politiker, und zwar auf allen politischen Ebenen, die großen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Das beginnt in den Österreichischen Gemeinden, wo viel Bewusstseinsbildung passieren kann, und reicht bis hinauf auf UN-Ebene, wo derzeit über ein Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte verhandelt wird.

Ich wünsche mir daher, dass wir nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern immer wieder eine Änderung zum positiven einfordern: Im persönlichen Umfeld, in der Arbeit, aber auch durch den umsichtigen Einsatz des Stimmzettels bei politischen Wahlen – wie zum Beispiel bei den kommenden Wahlen zum europäischen Parlament Ende Mai!

FT-CHef Hartwig Kirner

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geschrieben am

28.03.2019