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Karl Schwarz, Eigentümer Privatbrauerei Zwettl

So cool trotzen die Waldviertler der Krise im Gastro-Geschäft

Firmenchef Karl Schwarz: Gerade als Familienunternehmen agieren wir flexibel, mit Augenmaß und vorausschauend.

Teil 2 der Mini-Serie in retailreport.at: Wie agieren heimische Brauereien, wenn das Gastro-Geschäft wegbrachte?

Klare Antworten auf heikle Fragen rund  um den Corona-bedingten Zusammenbruch des Biergeschäftes mit der Gastronomie, schenkte Mag. Karl Schwarz, Chef der Privatbrauerei Zwettl retailreport.at ein. Wir servieren unseren Lesern die Stellungnahme der Zwettler in leicht gekürztem O-Ton:

1. Wie hoch war im Jahr 2019 der Anteil Ihres Gastronomie-Geschäftes am Gesamtumsatz bzw. am Gesamtabsatz Ihres Unternehmens?

Die Privatbrauerei Zwettl und die zum Unternehmensverbund gehörende Bierwerkstatt Weitra bedienen traditionell sowohl den Lebensmitteleinzelhandel als auch die Gastronomie mit den bierigen Spezialitäten aus dem Waldviertel. Der mengenmäßige Absatz der Gastronomie beträgt rund ein Drittel des Gesamtausstoßes, der 2019 bei 194.400 Hektolitern Bier lag. Der Umsatzanteil der Gastronomie liegt bei 42 Prozent.

2. Wie hoch veranschlagen Sie für das  Jahr 2020 den prozentuellen Umsatz- bzw. Absatzentgang, der Ihrem Unternehmen durch den Shutdown der Gastronomiebetriebe und den zu erwartenden Rückgang im Tourismus droht?

Während der Bierabsatz im Lebensmittelhandel aktuell normal läuft, sind Gastronomie- und Veranstaltungsumsätze vorläufig noch auf null gestellt. Als langjähriger Partner vieler Gastronomie- und Tourismusbetriebe erleben wir hier existenzbedrohende Situationen, wo dringliche Hilfe absolute Priorität hat und auch seitens der Bundesregierung zugesagt wurde. Der aktuelle Absatzentgang in der Gastronomie kann leider nicht aufgeholt werden – das bedeutet, diese Absätze werden uns fehlen, zumal es maßgebliche Einschränkungen im Betrieb ab 15. Mai, sowie - nach wie vor - Unklarheiten im Bereich von Veranstaltungen gibt. Wir können die Situation daher nur von Tag zu Tag beurteilen und entsprechend reagieren - und gehen davon aus, dass sich die Gastro-Umsätze trotz der Möglichkeit, Mitte Mai wieder aufzusperren, frühestens im kommenden Jahr normalisieren werden. Aus heutiger Sicht kalkulieren wir per Jahresende 2020 mit einem Mengenminus gesamt von 15 % sowie einem Umsatzrückgang von 20 %!

  1. Planen Sie für das bevorstehende Wiederhochfahren des Gastrononomiegeschäfts  Maßnahmen zur Neustrukturierung ihres Gastrovertriebs? 


Wir unterstützen unsere langjährigen, treuen Partner in der Gastronomie auf vielfältige Art und gehen individuell auf deren Bedürfnisse ein. Unser Gastro-Vertrieb wird sich mit allen Partnern zeitgerecht in Verbindung setzen – jetzt gilt es, die Schanksysteme zu prüfen, zu reinigen und wieder in Schuss zu bringen, damit mit dem Start der Gastronomie unser Bier wieder in gewohnter Qualität fließen kann.

4. Könnte eine verstärkte Zusammenarbeit  mit dem Gastro-Großhandel  mit dazu beitragen, Ihre Vertriebskosten zu senken und zugleich die Kundenreichweite Ihrer Marken zu erhöhen?

Die Privatbrauerei Zwettl arbeitet partnerschaftlich mit Einzel- und Großhändlern zusammen. Der eigene Gastro-Vertrieb ist ein wichtiger Schwerpunkt des Familienunternehmens. Gerade in der Heimatregion Waldviertel und in den zahlreichen Wiener Lokalen, die auf die Qualität aus dem Hause Zwettler setzen, ist der persönliche Kontakt zu den Gastwirten wichtig und durch nichts zu ersetzen. Darüber hinaus gilt es natürlich, bestehende Kooperationen zu prüfen und gegebenenfalls zu intensivieren.

  1. Sehen Sie eine Chance, durch Premiumqualitäten Ihre  Wertschöpfungspartnerschaft mit der Qualitäts-Gastronomie auszubauen?
     

Die Biere aus dem Hause Zwettler und der Bierwerkstatt Weitra punkten seit vielen Jahren durch den regionstypischen Geschmack – sie heben sich von „Einheitsbieren“ ganz klar durch „Ecken und Kanten“ ab. Jedes Bier aus unserem Haus trägt eine typische Handschrift und lebt von der intensiven Kooperation mit Landwirten aus der Region. Gerade Bier ist untrennbar mit seiner Herkunft verbunden – der Trend geht abseits von Angebotskäufen seit vielen Jahren eindeutig in Richtung authentische, regionale und ursprüngliche Lebensmittel. Besonders jüngere Konsumenten entscheiden sich für Marken aufgrund von Emotionen und neuen Werten. 

Wertschöpfung aus der Region für die Region ist bei der Privatbrauerei Zwettl gelebtes Leitbild. Dank der langjährigen, intensiven Kooperation mit der Erzeugergemeinschaft Edelkorn, die Landwirte der Region vereint, kann Zwettler den Großteil seines Bedarfs an Braugerste „vor der Haustüre“ decken. Mehr als hundert Landwirte bauen auf rund 500 Hektar im Rahmen von „de-facto-Vertragslandwirtschaft“ für die Traditionsbrauerei Sommergerste an und lieferten im vergangenen Jahr 1600 Tonnen Waldviertler Braugerste der Sorte ESMA an die Privatbrauerei Zwettl. Auch der Hopfen ist „ein echter Waldviertler“ – und gedeiht im Waldviertler Reizklima optimal. Sechs Bauernfamilien ernten auf 14 Hektar Hopfen, teilen sich insgesamt vier Darren und bringen Jahr für Jahr rund 20.000 Kilogramm Hopfen ein – seit Kooperationsstart mit der Privatbrauerei sind das beeindruckende 600.000 Kilogramm. 

Auch das Wasser für Zwettler sprudelt aus regionalen Quellen. Um auf diesen wertvollen Rohstoff langfristig aufmerksam zu machen, setzt Zwettler seine Partnerschaft mit dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus fort und wird den Neptun-Wasserpreis auch 2021 wieder federführend unterstützen. 

  1. Umsatzentgang im Geschäft mit  Gastronomie-Kunden lässt sich  durch verstärkten Direktvertrieb, sei es über Online-Verkauf, sei es über Gastronomie-Eigenbetriebe zumindest teilweise kompensieren. Haben Sie dazu konkrete Pläne?
     

Wir setzen auf unsere bewährten Vertriebskanäle, auf verlässliche Partnerschaften und gehen davon aus, dass wir hier mit der Kraft und Stärke unserer Marke sowie einem engagierten und motivierten Team an Mitarbeitern als stabiler Partner für unsere Gastronomie-Kunden gelten.

7. Wie bewerten Sie die Auswirkungen der  Corona–Krise auf das Bier-Konsumverhalten der heimischen Bevölkerung und der Urlausgäste?

Wir gehen davon aus, dass es abseits der Trends, die „gekommen sind, um zu bleiben“, wie beispielsweise handwerklich gefertigte Biere, saison- und regionstypische Biere und alkoholfreie Produkte aus Manufakturen (Anm.: Diesen Markt bedient die Privatbrauerei Zwettl durch eine Vielzahl an eigens entwickelten alkoholfreien Produkten, die lokal vertrieben werden), zu keinen Corona-bedingten Veränderungen im Konsum kommen wird.

Bier wird zwar immer getrunken, aber es ist ein geselliges Produkt, und die derzeitige Lage ist alles andere als gesellig, noch soll sie das sein. Wir freuen uns daher schon sehr, wenn die Gastronomie ihre Pforten wieder öffnen darf – das beflügelt dann auch den Bier-Absatz.

Als ein über 300 Jahre altes Unternehmen haben wir schon Kriege, Seuchen und auch mehrmals ein Hochwasserereignis verkraften müssen. So sind wir auch diesmal zuversichtlich, diese Krise zu überstehen. Gerade als Familienunternehmen agieren wir flexibel, mit Augenmaß und vorausschauend. Mehr denn je bekommen wir nun vor Augen geführt, wie wichtig Regionalität ist. Wir sind daher davon überzeugt, dass es zu einem neuen Lebensmittel-Patriotismus kommen wird und die Konsumenten ihre Einkaufsentscheidungen überdenken und lokale Produzenten klar bevorzugen werden. Diese schaffen Arbeitsplätze und sind auch in krisenhaften Situationen in der Lage, die Menschen zu versorgen. Wir bei Zwettler forcieren seit vielen Jahren die regionale Wertschöpfung – sie ist Teil unseres Selbstverständnisses.

Aufgrund der wahrscheinlich noch länger aufrechten Reisebeschränkungen wird gerade das Waldviertel als Tourismus-Region vom Inlands-Tourismus profitieren. Wir sind davon überzeugt, dass wir neue Gästeschichten ansprechen und zu Stammgästen machen werden können. Unser Bier als Gruß aus dem Waldviertel begleitet die Gäste dann dank der zahlreichen Vertriebsstellen im Handel und der Gastronomie das ganze Jahr über. 

8. Mit welchen „Corona-Auswirkungen“ auf die  heimische Brauereien-Struktur rechnen sie für die kommenden Monate?

Hier ist es noch zu früh, um Szenarien erstellen bzw. beurteilen zu können. Die kommenden Wochen und Monate bis in den Herbst hinein werden maßgeblich sein für alle weiteren Entwicklungen.

9. Wie sehen Sie die Gefahr, dass ein rückläufiger Bierkonsum den Preiswettbewerb in Ihrer Branche anheizt?

Der Preiswettbewerb in unserer Branche ist seit jeher ein großer – wir punkten allerdings durch authentische, regionale und ursprüngliche Lebensmittel.

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geschrieben am

30.04.2020