Weihnachts-Tipp: Blicken wir auf das Positive!
- Österreichs Bauern zeigen sich über die Entwicklung der Erzeugerpreise für Getreide, Milch und Fleisch hochzufrieden.
- Eine wachsende Zahl von Handelsunternehmen der D-A-CH- Region macht bei der Digitalisierung messbare Fortschritte.
- Aus Deutschland mehren sich die Signale einer Revitalisierung der Innenstädte und der für das pulsierende Leben in den Citys so wichtigen Warenhäuser.
- Im Wettbewerb zwischen Hersteller- und Handelsmarken weicht doktrinäres "wir-sind-wir"-Gehabe (hoffentlich) einer Versachlichung.
Zugegeben: 2022 war, mit dem Krieg, den Russland gegen die Ukraine anzettelte, für die Welt ein katastrophales und damit für die Konsumgüterwirtschaft in Österreich und Europa zumindest ein extrem stressiges Jahr. Aber die mehrdimensionale Krise weckt auch ungeahnte Abwehrkräfte, beflügelt den Innovationsgeist. Und beschleunigt damit den Fortschritt. Man muss nur genau hinschauen und die Signale der Besserung wahrnehmen.
Zufriedenheitsindex bei den Bauern stieg
In Österreich hat sich 2022 die Beziehung zwischen Landwirtschaft und Lebensmittelhandel entkrampft. Unsere Bauern zeigen sich über die Preisentwicklung in diesem Jahr sehr zufrieden. "Ursache sind vor allem attraktive Produktpreise, aber auch die gestiegene Wertschätzung der Gesellschaft". So lautet der Befund des KeyQuest Landwirte-Stimmungs-Barometers vom November 2022. Key Quest-Geschäftführer Johannes Mayr: "So sind beispielsweise die Weizenpreise 2022 zeitweise auf über 400 Euro pro Tonne gestiegen und auch die von Molkereien bezahlten Milchpreise bewegen sich auf Rekordniveau." Einen besonders hohen Zufriedenheitsindex konstatiert die Umfrage bei den Wein- Obst- und Gemüsebauern.
Ohne die Mitwirkung eines verantwortlich einkaufenden und kalkulierenden Lebensmittelhandels wäre diese erfreuliche Entwicklung nicht möglich gewesen. Die Versorgungssicherheit bei frischen, regionalen und deshalb auch nachhaltigen Lebensmitteln hat ihren Preis. Der Lebensmittelhandel war es, der diese, für die Bauerneinkommen so relevante Botschaft durch seine Angebots- und Preispolitik seinen Kunden nahe gebracht hat.
Deutscher Marketingtag: Einzelhandel macht bei Digitalisierung massive Fortschritte
Am 2. und 3. November fand in Frankfurt der Deutsche Marketingtag 2022 statt. Er wurde veranstaltet vom Deutschen Marketingverband (Schwesterorganisation unseres Markenartikelverbandes) und dem Euroforum des Handelsblattes. Und bot unter anderem eine detailreiche tour d`horizon durch die handfesten Fortschritte, die der deutsche Einzelhandel auf dem Gebiet der Digitalisierung vorzuweisen hat. So berichtete Mario Bertsch, Leiter Marketing und Digital bei dm drogerie markt, über "OCR, die nächste Evolutionsstufe des Einzelhandels". OCR steht für Omnichannel Retailing, drückt also ziemlich dasselbe aus wie die Begriffe Connected Retail und Hybrid Stores. Es geht um den Einsatz neuer digitaler Tools, insbesondere im Bereich KI im stationären Handel. Bertsch erläuterte den aktuellen Entwicklungsstand bei dm:"Unsere Kunden können zwischen stationär, online, Click & Collect, Same Day und Speed Commerce wählen". Und weiter: "Wir installieren allein in diesem Jahr über 700 dm Abholstationen für Click & Collect und rüsten unsere Kassenterminals nach und nach auf Self-Checkout-Kassen um. Unsere dm-Expresslieferung wurde bereits auf acht Städte ausgeweitet. Wir nützen unsere dm Märkte dabei vor Ort als Versand-Hubs (Logistik-Drehscheiben) für die Same-Day-Lieferung."
Nicht nur bei dm, sondern auch bei Rewe, Edeka, Lidl, Tegut, Unimarkt und Migros ist zur Zeit die OCR-Strategie drauf und dran, vom Test- in den Rollout-Modus umzuschalten (Lesen Sie dazu unseren Bericht: Europas Supermärkte starten ins Hybridzeitalter). Laut Handelsblatt vom 2. November macht Lidl in D bereits einen Milliarde Euro Umsatz im E-Commerce, Aldi Süd startet im ersten Halbjahr 2023 die größte Online-Offensive des Konzern.
Warenhaus-Krise? Es geht auch anders, sagt Professor Fassnacht
Die Dauerkrise des Warenhauskonzerns Galeria (Karstadt/Kaufhof) wird in höchsten politischen Kreisen Deutschlands erörtert. Kein Wunder, hängt sie doch auf das Engste mit der drohenden Verödung der Innenstädte und ihrer Einkaufsquartiere zusammen. Gerade die Besucherfrequenz an den vorweihnachtlichen Einkaufs-Wochenenden wird gerne zur Fiebermessung des Patienten herangezogen. Aber es gibt genügend Beispiele, die beweisen, dass das Warenhaus-Sterben von keinem schicksalshaften Zwang diktiert wird. Martin Fassnacht, Handelsprofessor an der Wirtschaftshochschule Vallendar, die seinerzeit von Metro-Gründer Otto Beisheim ins Leben gerufen wurde, empfiehlt den Konsumtempeln von einst drei einfache Überlebensrezepte: Bessere Sortimentsqualität, bessere Beratung, bessere Aufenthaltsqualität.
Besonders erfolgsrelevant ist die Sortimentsgestaltung. Das Warenhaus 2.0 benötigt ein attraktives, eigenständig gemanagtes Kernsortiment an Bedarfsartikeln für den gehobenen Mittelstand (Weder Discount noch Luxus!), unter Vermeidung der direkten Konfrontation mit benachbarten, leistungsstarken Fachhändlern. Gesichtslose Einkaufsgalerien mit wahlloser Mixed-Use-Vergabe der Verkaufsflächen kann tödlich sein. Warenhäuser, die sich ein Stammpublikum sichern wollen, brauchen ein Stammpersonal, das die Kunden beim Einkauf besser berät, stärker auf ihre individuellen Wünsche eingeht, als Amazons Alexa. Für eine bessere Aufenthalts-Gestaltung bedarf eines konzeptionellen Public Private Partnership (PPP) zwischen den Kommunen (Stichworte: Verkehrsanbindung, City Marketing) den Warenhaus-Betreibern und den Immobilieninvestoren. Letztgenannte müssen sich von den Rendite-Erwartungen verabschieden, die in Zeiten herrschten, als noch kein Online-Nonfood-Handel die Flächenproduktivität des stationären Handels nach unten drückte.
Vorzeige-Warenhäuser: Rid, Engelhorn, Breuninger, Kastner & Öhler
Was viel zu wenig beachtet wird: Es gibt Warenhäuser, nicht nur in den Weltmetropolen, die mit ihrem Angebot den drei Fassnacht-Kriterien Rechnung tragen und daher auch das Krisenjahr 2022 recht erfolgreich durchtauchen. "Dieses Kaufhaus macht immer noch Gewinn", so beschreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 18. Dezember das 2.000 m2 große Kaufhaus Rid im oberbayrischen Weilheim, das von der Familie Lipp bereits in sechster Generation geführt wird. Im Onlineshop des Kaufhauses posieren die eigenen Mitarbeiterinnen als Models. Von deutschen Medien immer wieder in den höchsten Tönen gelobt wird das Warenhausimperium der Familie Engelhorn in Mannheim. Es ist auf Mode- und Sportartikel fokussiert, unterhält ein Hauben(!)-Restaurant und veranstaltet kulinarische Events in Verbindung mit Jazzkonzerten. Breuninger in Stuttgart zählt ebenso zu den herzeigbaren Warenhaus-Erfolgsunternehmen wie hierzulande Kastner & Öhler in der Grazer Innenstadt. Die Adresse "Sackgasse" ist irreführend, denn das Haus schlägt sich in der Konsumkrise bravourös, nicht zuletzt dank der guten Zusammenarbeit mit dem ins Haus integrierten Eurospar Kulinarik Markt, dem steirischen Pendant zum Wiener Interspar am Schottentor. Familientradition ist bei K&Ö ein zusätzliches Image-Asset. Zählt doch die Künstlerdynastie Harnoncourt zu den Gesellschaftern.
Handelsmarken profitieren von der Nachbarschaft starker Herstellermarken
Werfen wir abschließend einen nüchternen Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen der Markenartikelindustrie und jenen Handelsgruppen, die, gerade angesichts der hohen Inflation auf einen hohen Eigenmarken-Anteil setzen. Die Lebensmittelzeitung veröffentlichte kürzlich eine Studie, die der Frage nachging, ob die Auslistung von Kelloggs Cerealien und deren Ersatz durch Eigenmarken einem Händler schade oder nütze. Das Ergebnis überrascht nicht: Handelsmarken profitieren davon, wenn die Top Herstellermarken ihren Regalplatz behalten. Anderseits leidet der Umsatz in der Kategorie, wenn die Strahlkraft eines renommierten Top-Markenartikels fehlt. Loyal ist nicht egal.
Dabei spielt im digitalen Zeitalter auch die Verankerung der Markeninhalte in der Köpfen der Smart Shopper eine Rolle. Markenartikler wie Händler, beide stehen in der Rolle des Brand Builders vor der Aufgabe, entlang der Shopping Journey die inviduelle Bindung zwischen ihren Marken und ihren Kunde zu verstärken. Virtuell über die Medien, analog durch die Präsenz im Regal. Je besser die Markenartikler ihren Brand Building-Job machen, über desto stärkere Argumente verfügen sie in den Listungsgesprächen.
Und die Handelsmarken-Vordenker sollten ein Faktum im Hinterkopf behalten. Eigenmarken arbeiten aus Kostengründen mit dem Dachmarken-Konzept. Dessen Schwäche liegt in der beschränkten Möglichkeit der Profilierung, der emotionalen Aufladung. Das reicht zwar für den Preiseinstieg (so billig wie Hofer) aber nicht für Premium und High End Kulinarik. Daher sind das ausgewogene Nebeneinander von Hersteller -und Handelsmarke im Regal und eine, auf Kostenwahrheit beruhende preisliche Differenzierung das ultimative win/win Rezept für beide Seiten. Einem stressfreien Weihnachtsfrieden, der bis ins nächste Jahr anhält, steht nichts mehr im Wege.