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Knall noch vor Weihnachten

Fünf Tage vor Weihnachten gab es für den Handel europaweit noch einen heftigen Knall: UTP wurden in Brüssel bei den Trilogverhandlungen durchgewunken.

Was halfen nun alle Beteuerungen der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Elisabeth Köstinger? Sie wollte die Richtlinie der unfairen Handelspraktiken zwar noch innerhalb des österreichischen Ratsvorsitz durchbringen, aber auch nicht gegen den Lebensmittelhandel in Österreich vorgehen. Sie wisse, welche Leistungen für die heimische Landwirtschaft die Branche bietet. Aber auch die kleinen Bauern gehören vor allzu großer Marktmacht geschützt. Zufrieden unterschrieben Händler und Landwirtschaftsministerin eine freiwillige Selbstverpflichtungserklärung zum Schutz der Bauern. Das war am 26. November.

Und am 19. Dezember kam der Knall. Im Trilog zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft kam es zu einer Einigung über die neue Richtlinie, durch die landwirtschaftliche Erzeuger von „unfairen Geschäftspraktiken“ besser geschützt werden sollen. Soweit so gut – das hat ja der Handel selbst unterzeichnet. Was aber komplett gegen den Sinn des Schutzes geht ist der Schutz von Unternehmen mit einer Umsatzgrenze bis zu 350 Mio. Euro. Vertreter des Handels sehen diesen Passus als einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Wettbewerb. 

In der Richtlinie heißt es: „Für die Definition „kleinerer Hersteller“ und „großer Abnehmer“ gibt es ein Stufenmodell, das sich an den Umsatzzahlen der Betriebe und Unternehmen orientiert. Darüber hinaus können die Mitgliedsstaaten eigene zusätzliche Definitionen für Unternehmensgrößen festlegen.“ Nach genauer Hinterfragung, welches Stufenmodell hier gemeint ist, lautet die Antwort aus dem Ministerium: Folgende Umsatzgrenzen gelten für die Abstufung: 2-10-50-150-350 Millionen Jahresumsatz. Das gilt künftig für alle EU-Staaten, nicht nur für Österreich. 

"Unklar ist, wie die globale Umsatzgrenze von 350 Mio. Euro in der Praxis berechnet wird und welche Umsätze überhaupt darunter fallen. Das ist grob fahrlässig", sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.

Durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs fallen in Österreich ca. 99% aller Lieferanten in den Schutzbereich. Geschützt werden damit also nicht mehr die kleinen Landwirte, sondern faktisch alle Lieferanten gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel. Für die weitreichende Ausweitung des Geltungsbereichs liegt zudem keine legitime rechtliche Kompetenzgrundlage vor. Die dafür notwendige neue Folgenabschätzung wurde nicht durchgeführt.

Weiters heißt es in der Richtlinie: „Die Ermächtigungen für die Durchsetzungsbehörden zum Schutz von Lieferanten wurden deutlich erweitert. Gleichzeitig werden die Pflichten der Durchsetzungsbehörden ausgeweitet . Die Strafbestimmungen wurden klarer formuliert. Alternative Streitbeilegungsmechanismen wurden in die Richtlinie aufgenommen. Die Kommission wird eine öffentliche Website zur Unterstützung von Beschwerdeführern einführen.“ Hier hält sich das Ministerium noch bedeckt: Wer oder wie über Sanktionen entscheiden wird, muss noch genau ausformuliert werden.

„Keine Verbesserung, sondern sogar eine Verschlechterung der Stellung von kleinen Produzenten und Lieferanten gegenüber großen Abnehmern“ erwartet sich Julius Kiennast, Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), von neuen EU-Vorgaben.

Die neuen Vorgaben aus Brüssel sind aus Sicht des österreichischen Lebensmittelhandels völlig unausgegoren und könnten gleich aus mehreren Gründen zum „Bumerang für kleinbetriebliche Produzenten“ werden: „Vor allem trägt die UTP-Richtlinie den praktischen Gegebenheiten in Geschäftsbeziehungen zwischen Handelsunternehmen und Lieferanten in keiner Weise Rechnung“, kritisiert Branchensprecher Kiennast. „Sie ist schlicht realitätsfern.“ 

Weiters fehlt der Richtlinie für die Erweiterung des Anwendungsbereiches auf große Hersteller auch die Rechtsgrundlage.

Zudem werden notwendige Aktivitäten durch die grundlose Punzierung als „unlauter“ zu Unrecht in ein bestimmtes Eck gestellt. „So sollen etwa die Beteiligung von bzw. die Kostenübertragung an Lieferanten bei gemeinsamen Werbeaktivitäten nicht mehr zulässig sein“, nennt Kiennast ein Beispiel. „Damit werden verkaufsfördernde Projekte in Frage gestellt. Das ist ganz klar zum Nachteil von regionalen, vor allem auch kleineren Produzenten und letztlich auch zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten. Das kann doch niemand wollen. Und deswegen verwehrt sich der Handel auch gegen die geplanten Verschlechterungen auf vielen Ebenen“, hält Kiennast fest.

Fazit

Abzuwarten ist die weitere rechtliche Ausformulierung der Richtlinie. So groß die Freude über die Umsetzung bei den Verhandlern ist, so wichtig wäre es auch den Lebensmittelhandel nicht vor den Kopf zu stoßen, denn dieses Gefühl macht sich breit.

Der Lebensmittelindustrie sind in Wahrheit keine Grenzen gesetzt. Sie kann sich den Produktionsort aussuchen, kann sich dort niederlassen, wo die besten Rahmenbedingungen (Steuer, Lohnkosten) für eine Produktionsstätte zu finden sind – innerhalb der EU ist derzeit alles drinnen. Es wird auch große Unternehmen geben, die eine Gesetzeslücke finden, um unter die 350 Mio. Euro Grenze zu fallen. Wer hindert denn einen Konzern daran, sich in Einzelfirmen aufzuteilen? Alles ist möglich. 

Der stationäre Handel jedoch ist an EINEN Ort gebunden, er kann seine Outlets nicht in steuerlich günstige Länder verschieben. Er kann seine Mitarbeiter nicht nach anderen Kollektivverträgen anstellen. Somit entsteht ein Ungleichgewicht.

Und gerade in Österreich hat der Lebensmittelhandel Besonderes geleistet: Bio, Tierwohl und Kooperation mit kleinen Produzenten. Nicht zu vergessen, dass die jährliche Renovierung aller Filialen des Handels Millionen Euro verschlingt, auch hier bedient man sich heimischer Zulieferer und Handwerker.

Auch wenn es in Listungsgesprächen in den vergangenen Jahren die Marktmacht einzelner Händler spürbar war, so wurden die betroffenen Händler zum einen abgestraft und zum anderen ist mit der neu eingerichteten Ombudsstelle der BWB und des Ministeriums eine Möglichkeit geschaffen, ALLE Anliegen ernst zu nehmen.

Man wird sehen, was die Zukunft bringt.

EU UTP

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geschrieben am

04.01.2019