Umfrage zu Fleisch und Alternativen in Österreich
In Österreich gibt es ein hohes Bewusstsein für die Notwendigkeit, das Lebensmittelangebot um nachhaltige Optionen zu erweitern: 59% der Menschen in Österreich sagen, dass wir heute zu viele tierische Produkte essen und 47% sprechen sich dafür aus, dass es Alternativen zu Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten braucht.
Das zeigt eine neue Umfrage in Österreich, die der gemeinnützige Think Tank Good Food Institute Europe beim Meinungsforschungsinstitut YouGov in Auftrag gegeben hat. Für die Umfrage wurden im Februar 2024 insgesamt 1.026 Menschen in Österreich befragt. Sie ist repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 18 Jahren.
Österreicher wollen Wahlfreiheit bei kultiviertem Fleisch
Kultiviertes Fleisch ist das gleiche Rinder-, Schweine- und Hühnerfleisch, das wir heute essen. Es wird jedoch nicht durch die Aufzucht von Tieren hergestellt. Für die Herstellung wird einem Tier eine kleine Probe von Zellen entnommen und in einen Fermenter mit einer Nährlösung gegeben. Dort erhalten die Zellen das Wasser, die Nährstoffe und die Wärme, die sie für ihre Vermehrung und ihr Wachstum benötigen.
59% der Befragten sagen, dass sie schon einmal von dieser neuen Art, Fleisch herzustellen, gehört haben. 42% der Menschen in Österreich geben an, dass sie kultiviertes Fleisch zumindest einmal probieren würden. Bei den Menschen unter 35 Jahren und bei den Flexitarier sagen das jeweils mehr als die Hälfte der Befragten.
Diese neue Form der Fleischherstellung wird gegenwärtig kontrovers diskutiert. Italien hat aus politischen Gründen ein umstrittenes Gesetz erlassen, um die Herstellung und Vermarktung von kultiviertem Fleisch zu verbieten – bevor überhaupt ein erster Zulassungsantrag bei den zuständigen Behörden eingegangen ist. Auch in Österreich ist kultiviertes Fleisch derzeit Gegenstand von Anträgen und Debatten, etwa im Nationalrat wie auch in einzelnen Landtagen.
Die Umfrageergebnisse zeigen jedoch, dass die Österreicher auf Wahlfreiheit setzen und die Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden lassen wollen, ob sie kultiviertes Fleisch essen wollen: 63% der Befragten sprechen sich dafür aus, dass kultiviertes Fleisch in Österreich zugelassen wird, wenn die Behörden für Lebensmittelsicherheit es für sicher und nahrhaft befinden. Diese Position findet eine breite Mehrheit in allen Wählergruppen.
66% der Menschen sagen, dass kultiviertes Fleisch auch in Österreich hergestellt werden sollte, wenn es auf den Markt kommt, so dass auch die österreichische Wirtschaft davon profitieren kann. Diese Position wird in allen Wählergruppen geteilt.
Ivo Rzegotta, Senior Public Affairs Manager beim Good Food Institute Europe: „Kultiviertes Fleisch muss ein gründliches, mehrstufiges Zulassungsverfahren durchlaufen, bevor es auf den europäischen Markt kommt. Dabei gelten die weltweit strengsten Standards für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die Österreicher keine ideologisch aufgeladenen Debatten wollen, sondern dass sie es den Menschen überlassen wollen, ob sie kultiviertes Fleisch essen oder nicht. Zudem machen die Ergebnisse deutlich, dass die Österreicher zunehmend auch die wirtschaftlichen Chancen in diesem neu entstehenden Bereich sehen – zum Beispiel mit kultiviertem Fisch, der in einem Land hergestellt wurde, das über keinen eigenen Meereszugang verfügt.”
Pflanzliche Alternativen weiter im Aufwind
Auch jenseits des Ausblicks auf kultiviertes Fleisch ändern sich die Konsumgewohnheiten in Österreich: 46% der Befragten sagen, dass sie in den nächsten zwei Jahren weniger tierische Produkte konsumieren wollen. Eine große Rolle bei diesem Wandel spielen pflanzliche Optionen, denn sie erlauben es Menschen, den Konsum von tierischen Produkten auf eine nachhaltige Weise zu reduzieren, ohne ihre Ernährungsgewohnheiten grundlegend ändern zu müssen.
30% der Befragten geben an, dass sie in den kommenden zwei Jahren häufiger zu pflanzlichen Fleischalternativen greifen wollen, 28% sagen dies bei pflanzlichen Milchalternativen. In der Gruppe der unter 35-jährigen und in der Gruppe der Flexitarier sagen das jeweils über 40% der Befragten.
Laut einem Report zur Marktentwicklung in Österreich aus dem Jahr 2023 gehört der österreichische Markt für pflanzliche Alternativen zu den kleineren Märkten in Europa, weist jedoch seit 2020 ein dynamisches Wachstum auf. Damit Österreich von diesem wachsenden neuen Sektor profitieren kann, braucht es auch politische Weichenstellungen für faire Wettbewerbsbedingungen.
Österreicher fordern faire Mehrwertsteuer für Milchalternativen
Gegenwärtig gilt für pflanzliche Milch – zum Beispiel Sojamilch oder Hafermilch – in Österreich der reguläre Mehrwertsteuersatz von 20%, während für Kuhmilch der ermäßigte Steuersatz von 10% Anwendung findet. Damit gehört Österreich zu einer kleinen Gruppe von Ländern in Europa, die Pflanzenmilch über das Steuersystem benachteiligen. In der Umfrage sprechen sich 60% der Menschen dafür aus, diese Benachteiligung zu beenden und den Steuersatz für pflanzliche Milchalternativen anzugleichen. Diese Ansicht wird von allen Wählergruppen geteilt.
Auch andere politische Maßnahmen zur Stärkung von pflanzlichen Alternativen finden Zustimmung bei den Befragten: 53% wünschen sich, dass Landwirte dabei unterstützt werden, auf einen höheren Anteil von pflanzlichen Lebensmitteln umzustellen. 50% sprechen sich dafür aus, den Anteil von pflanzlichen Produkten in öffentlichen Kantinen zu erhöhen, zum Beispiel in Schulen und Krankenhäusern. 44% wünschen sich, dass die Politik in Österreich Forschung zu neuen Lebensmitteln unterstützt, wie zum Beispiel zu pflanzenbasierten Alternativprodukten.
Ivo Rzegotta von GFI: „Die Menschen in Österreich wollen künftig häufiger zu pflanzlichen Alternativen greifen. Doch aktuell ist der Marktanteil dieser nachhaltigen Optionen noch gering, und der Wandel sollte durch politische Maßnahmen für einen fairen Wettbewerb begleitet werden. Eine deutliche Mehrheit der Österreicher will, dass pflanzliche Milch nicht länger durch die Mehrwertsteuer benachteiligt wird. Die gegenwärtige Diskriminierung von pflanzlichen Produkten steht in eklatantem Widerspruch zu den österreichischen Nachhaltigkeitszielen und sollte daher schnellstmöglich korrigiert werde.”