Tag des Handels im Zeichen der Aussprachen
Bericht: Gabriele Jiresch
Hochkarätige Branchenvertreter aus Handel und Industrie waren am „Tag des Handels“ in Gmunden am Traunsee anzutreffen. Zum zweiten Mal veranstalteten die Fachzeitschrift Regal und der Handelsverband gemeinsam diesen Event.
Im heurigen Jahr stand alles unter dem Thema „Wertschöpfung“ und Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft, weniger von vornherein so geplant, viel mehr aufgrund der aktuellen Situation. Denn erst wenige Tage vor dem „Tag des Handels“ hat Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger den Lebensmittelhandel in seiner Gesamtheit vehement kritisiert, indem sie ihm vorwarf den Bauern nicht die gerechte Bezahlung zukommen zu lassen.
Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes: „Ja, auf politischer Ebene wird der Ton rauer“. Dazu kommt, dass am Wochenende in Oberösterreich Landtagswahlen stattfinden (in Graz im übrigen auch Gemeinderatswahlen). Knapp vor Wahlen sind immer die Töne rauer und die Breitseiten fahren schwere Geschütze auf – unabhängig von der Partei.
Diesmal werden viele Themen am Rücken des Handels ausgetragen. Deshalb hat es der Handel aktuell nicht nur mit der Politik zu tun, sondern – wie ebenso am Tag des Handels mehrmals angesprochen – auch mit der herstellenden Markenartikel-Industrie. Diese beklagt die Nicht-Abgeltung der Preissteigerungen (Rohstoffe, Energie, Lohnkosten,..) durch den Handel.
Handel in der Mühle
Keynote-Speaker Thimon de Jong beschreibt im 3-Phasen Modell einen weiteren wichtigen Umstand, der dem Handel jetzt gerade zu schaffen macht, nämlich die Corona-Pandemie. Die Zeit der Veränderung in drei Phasen (Transformation: Auftauen, Verändern, Einfrieren) hilft zwar logisch über den Prozess des neuen Konsumverhaltens hinweg, aber es muss wohl jeder selbst durch. Und jeder Händler und auch Hersteller hat seinen eigenen Zugang. Mag. Fritz Poppmeier, Vorstandsvorsitzender der Spar AG: Die Krise liegt meines Erachtens hinter uns, aber der Druck auf den Konsumenten, den Handel und die Produkte an sich ist geblieben“. Das Einkaufsverhalten hat sich verändert, ebenso wie die Höhe des durchschnittlichen Warenkorbes. Bio, Premium und die Rückverfolgbarkeit sind für den einzelnen sehr wichtige Themen geworden, die auch an Brisanz nichts verlieren. Denn die Kunden besuchen in der Zeit der Transformation weniger Geschäfte, sind preisbewusst aber schauen auch genau auf das Produkt. „Ich ärgere mich in diesem Zusammenhang, dass Eigenmarken immer mit einem negativen Attribut verbunden werden“, so Poppmeier, der mit Spar einen sehr hohen Anteil der eigenen Marken in allen Qualitätsstufen aufweist.
Die oft diskutierte Digitalisierung soll bei einer schnelleren Erfassung der Kundenwünsche helfen, aber „wir müssen vor und hinter dem Kunden digital werden“, so Billa AG Vorstandsmitglied Harald Mießner. Er spricht damit auch das Thema laufende Innovationen an, die notwendig sind, um am Ball zu bleiben. Beim Händler sind es auch die Faktoren rund um den Markt, beim Hersteller kommt das „Produkt“ noch stark dazu. „Jeder Marktführer, der stillsteht, ist morgen nicht mehr Marktführer“, so Markus Marek, Kelly’s Managing Director. Querdenken und Weiterdenken ist gerade bei einem Produkt, das mancherorts in der Kritik von Gesundheitsaposteln steht, ein wesentlicher Ansatz. Denn schließlich sind Snacks ein Genuss, den man sich gönnt und sich auch belohnt. „Nicht umsonst sind wir in der Corona-Krise nicht wie gewohnt um etwa 4% gewachsen, sondern um etwa 10-15% je nach Produkten“.
Wir wehren uns gegen Ernährungsverbote
Genau darum geht es: um Genuss und Eigenverantwortung und Mag. Günter Thumser, Geschäftsführer des Markenartikelverbandes ist nicht müde für die heimischen Hersteller von Markenartikeln zu sprechen: „Wir kommen von sehr vielen Seiten unter Druck“. Zum einen bekennt man sich zum freien Markt und will keine Überregulierung, wie sie derzeit im Bereich der Werbeverbote zu drohen scheint. „Wir wehren uns gegen Ernährungsverbote“, so Thumser. Kartoffel-Chips aus der Werbung zu verbannen wäre nicht nur das Ende der freien Marktwirtschaft, auch die Innovationsfreudigkeit würde massiv leiden. Nicht zuletzt verliert der Mensch jegliche Eigenverantwortung. Demagogisch einfach eine simple immer gleichbleibende Lösung einzumahnen, ist für die Zukunft der Marken in Österreich nicht gut.
Dazu kommt die massive Steigerung der Rohstoffe, der Energiekosten und auch der Lohnkosten, die bis dato vom Handel nicht abgegolten wurden/werden. Große Unternehmen können eventuell an Stellschrauben drehen, aber kleine und mittlere Unternehmen werden – wenn man nicht reagiert – in kurzer Zeit nicht mehr da sein. „Ich appelliere für einen fairen Preis“, so Thumser. „Es sind nicht immer nur die Bauern, um die es beim fairen Preis geht, sehr wohl auch um die Industrie“.
Urproduktion und Preissteigerungen
Und hier schließt sich der Kreis. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Regionalität als Trendfaktor“ drehte sich vieles um die Herkunft der Lebensmittel, aber noch viel mehr um eine gute Balance zwischen Handel und Urproduktion (sprich Bauern). Johannes Schmuckenschlager von der Landwirtschaftskammer NÖ vertrat in gewisser Weise die dem Tag des Handels fern gebliebene Ministerin Elisabeth Köstinger. „Der Branche geht es nicht so schlecht, denn wir erzeugen etwas, was jeden Tag gebraucht wird und gegessen. Dennoch müssen wir über einen fairen Preis reden“. Das Gesprächsangebot richtete sich in diesem Moment an Rewe Österreich Vorstand, Marcel Haraszti. „Wir geben im Jahr 2,5Mrd. Euro für agrarische Produkte aus. Ja, auch wir haben in manchen Dingen im Handel mit Sicherheit Verbesserungspotential, aber entgegen so mancher medialer Zurufe arbeiten wir sehr gut mit der Bauernschaft und den Genossenschaften zusammen“. Und auch das Thema „Preis“ werde immer wieder angesprochen und diskutiert. Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung sieht der Händler für den Handel als nahezu überflüssig, da der Handel dies schon großteils flächendeckend erfüllt. Aber in der Gastronomie gibt es schweren Handlungsbedarf. Hannes Royer von „Land schafft Leben“ fügt hinzu: „Ich lade alle Betroffenen und Verantwortlichen aus der Gastronomie ein über die Grenze in die Schweiz zu blicken, dort wird bereits seit 1995 auf den Speisekarten vermerkt, woher die Rohstoffe kommen“.
Marcel Haraszti weiter: „Denn im Handel geht es immer um die gleichen Themen: zahlt mehr. Es wird laufend mit der politischen Keule geschwungen, in Wahrheit gibt es so viele Themen rund um den Handel, die gelöst werden wollen: Öffnungszeiten, Lohnkosten, Mitarbeiter und vieles mehr“.
Gipfeltreffen
Im Rahmen des „Tag des Handels“ haben sich 18 Verbände und Organisationen aus allen Bereichen rund ums Lebensmittel getroffen, um einen Konsens zu erzielen. Das Ziel des Gipfels? Ein branchenübergreifender und konstruktiver Dialog. Hintergrund: Der Trend zum nachhaltigen Einkauf und zu regionalen Lebensmitteln nimmt zu. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig eine krisenresiliente Lebensmittelversorgung und -verarbeitung durch österreichische Betriebe ist. Die 3 wichtigsten Parameter dafür?
- Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel sowohl im Handel als auch in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung.
- Die Einrichtung der 2018 von Landwirtschaftsministerium und Handelsverband gemeinsam konzipierten österreichischen Ombudsstelle zur weiteren Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Handel und Landwirtschaft.
- Die 1-zu-1-Umsetzung der UTP-Richtlinie in nationales Recht. Für letztere hat die Europäische Union bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet, da die Umsetzung bis 1. Mai hätte erfolgen sollen.
Der Handelsverband und seine Mitglieder stehen jederzeit für Gespräche mit der Landwirtschaftsministerin zur Verfügung.
Handelspreis und Industriepreis
Am Abend des „Tag des Handels“ wurden der „Österreichische Handelspreis“ und der „Österreichische Industriepreis verliehen“.
Der Handelspreis ging an den langjährigen Geschäftsführer von Tchibo/Eduscho Österreich, KR Harald J. Mayer. Nach 28 Jahren legte Harald J. Mayer heuer die Geschäftsführung von Tchibo/Eduscho zurück und wechselte mit 1. Mai 2021 in den Aufsichtsrat. Er hat die größte Ländergesellschaft des Familienunternehmens zukunftsfit aufgestellt.
Der Industriepreis wurde an DI Josef Braunshofer, Geschäftsführer der Berglandmilch, für seine langjährigen Verdienste um die Branche verliehen.