Tauziehen ums Wohlverhalten
Heute oder morgen folgt die Entscheidung: Wird die EU-Richtlinie um die „Unfair Trading Practices“, auf deutsch Unfaire Geschäftspraktiken (UTP) im Parlament so weiterverhandelt, wie sie ist oder kommen neue Forderungen dazu?
Rund um diese gab es ja in den letzten Tagen und Wochen vehemente Aufregung, die eins zu eins an Bundesministerin Köstinger (Nachhaltigkeit und Tourismus) herangetragen wurde. Der Handel – medial stark vertreten durch Spar und den Handelsverband – warnt eindringlich vor überbordenden Forderungen des AGRI-Ausschusses. In einer Aussendung des Handelsverbandes heißt es: Sollten sich die Positionen des AGRI-Ausschusses im Plenum des Europäischen Parlaments und in weiterer Folge in den Trilogverhandlungen mit dem EU-Rat durchsetzen, wäre dies ein massiver Rückschritt für leitende Prinzipien unserer Marktwirtschaft, der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie. Eine derart einseitige Benachteiligung einer ganzen Branche wäre schädlich für den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum und würde auch der Erfüllung der Konsumentenwünsche diametral entgegenstehen".
Dabei geht es um Forderungen des Ausschusses, wie ein Verbot von elektronischen Auftragsauktionen der Abnehmer– also Ausschreibungen, bei denen Lieferanten Angebote legen. Oder: Es sollen nach Änderungspunkt 56 künftig Zusammenschlüsse von Einzel- und Großhandel zu Einkaufsgemeinschaften verboten werden – das wäre ein Angriff auf alle Nahversorger, die genossenschaftlich organisiert sind. Dazu kommen die bereits oftmals zitierten Punkte, wie keine Umwelt- und Tierschutzstandards über einen gesetzlichen Standard hinausgehend und nach Änderungspunkt 80 sollen Abnehmer künftig keine Auslistungen eines ihrer Sortimentsprodukte ohne vernünftige Begründung, schriftliche Erklärung und tatsächliche geschäftliche Gründe mehr durchführen dürfen.
All diese Forderungen sind gerade für den Lebensmitteleinzelhandel in Österreich schwer zu verdauende Brocken, da sie die Substanz des LEH so wie er heute aufgestellt ist, stark beeinflussen würden.
Im Rahmen der Vorstellung des Fairnesskataloges sagte Bundesministerin Köstinger ganz klar: diese Änderungen sind abzulehnen. „In diesem Fall war das Parlament zu schnell“, so Köstinger. Erzeugergemeinschaften und Genossenschaften seinen ebenfalls schützenswert, sowie die hohen Standards bei Tierwohl.
Trotzdem muss und musste sie sich ganz besonders mit den Debatten, die aufgrund der Änderungswünsche des Parlamentsausschusses entstanden sind, auseinandersetzen. Aus allen Richtungen kommen Forderungen:
der Präsident der LW-Kammer Österreich, Josef Moosbrugger unterstützt zwar die Bundesministerin in ihrem Vorhaben den Fairnesskatalog sobald wie möglich in Recht umzuwandeln, sein steirischer Kollege Franz Titschenbacher aber verfasst einen weiteren Fünf-Punkte-Plan „Fairness für unsere Bauern“. Die Vertreter des Handels, sowohl WKO als auch Handelsverband definieren klar ihre Ablehnung zu den Änderungsrichtlinien. Aus einer Idee die Bauernschaft in Europa zu schützen, ist eine große Unsicherheit für alle Beteiligten geworden. Dem Handel fehlt es für das EU-Parlament oftmals an Lobbying, während Industrie und Bauernschaft dabei sehr gut aufgestellt sind.
Doch Elisabeth Köstinger hat gute Nerven. Zunächst setzt sie klare Statements, was sie will und was nicht: Sie will eine verbesserte Position für die Bauern und kleinen Verarbeitungsbetriebe in der Zusammenarbeit mit dem Handel, sie will kein Verbot der Genossenschaften, der Auflösung der Tierwohlstandards und all jenen Themen die Österreichs Feinkostladen gefährden. Und sie weiß um ihre Rolle aufgrund des EU-Ratsvorsitzes Österreich. Die Themenführerschaft obliegt Österreich und somit werden bestimmte Themen forciert.
Fairnesskatalog branchenübergreifend, aber nicht bindend
Dazu gehört vor allem das Thema: Fairness in der Lebensmittelwertschöpfungskette. Und genau deshalb hat sie sich seit langem mit der Erstellung eines Fairnesskataloges auseinandergesetzt, um diesen auch in einem EU-Rechtrahmen zu gießen, solange Österreich bei der EU den Vorsitz hat. An ihrer Seite steht die Bundeswettbewerbsbehörde, vertreten durch Generaldirektor Dr. Theodor Thanner. Der Fairnesskatalog ist branchenübergreifend, sei anfangs erwähnt und bietet jedem in der Wertschöpfungskette die Möglichkeit, unfaire Geschäftspraktiken per Whistle-Blowing-System zu melden. Hier sind vor allem die Bauer angesprochen, die sich von Handel und auch Industrie ausgenommen fühlen. Dazu Ministerin Köstinger :“ Stellen Sie sich einfach vor, dass ein Liter Wasser heute mehr kostet, als ein Liter Milch, dabei ist der Aufwand der Herstellung ungleich höher“. Die zentrale Zielsetzung des Fairnesskataloges soll es sein, Österreichs Landwirte als erste in der Kette der Lebensmittelproduktion gerecht und fair zu entlohnen und nicht unter Druck zu setzen. „Der Lebensmittelhandel war in der Erstellung des Fairnesskataloges ebenso eingebunden und konnte gemeinsam mit uns und der Bundeswettbewerbsbehörde einen beachtlichen Katalog zustande bringen. Die konstruktive Zusammenarbeit hat gezeigt, dass sehr viel möglich ist, wenn man an einem Strang zieht“, so Elisabeth Köstinger. Für sie stehen rund 150.000 heimische Bauern drei großen Handelsketten gegenüber. Durch diese Marktmacht ergab sich für die Bauern ein Schaden in Milliardenhöhe, nimmt man an.
Unter unfairem Handeln werden zum Beispiel Behinderungspraktiken wie Geschäftsverweigerung oder Diskriminierung verstanden, oder auch Ausbeutungspraktiken wie die Forderung von unangemessen niedrigen Einkaufspreisen oder die Ausnützung einer Monopolstellung. Der Fairnesskatalog soll es Unternehmen ermöglichen, unfaires Handeln zu erkennen und angemessene Compliance Maßnahmen in die Unternehmenskultur zu integrieren. Zudem werden die rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert und bestehende Verbote erklärt. „Ich freue mich, den Unternehmern mit dem Fairnesskatalog der BWB, ein nützliches Instrument in die Hand zu geben, um mögliche Missstände zu beseitigen bzw. diese zukünftig erst gar nicht entstehen zu lassen“, so Theodor Thanner. Derzeit sind 24 Fälle auf der Seite der BWB eingegangen, die in Prüfung sind. Wesentlich ist das zur Verfügung Stellen von Beweismaterial, bzw. Unterlagen, die den unsachgemäßen Geschäftsfall beweisen.
Um den Unternehmen die Angst zu nehmen, hat das Ministerium einen Film produziert, der das Procedere des Whistle-Blowings klar darstellt. Ob der Fairnesskatalog die erwarteten Lösungen bringen wird, wird sich zeigen, ohne entsprechende Sanktionen wird es jedenfalls schwierig werden.
Stellt sich zuletzt nur mehr die Frage, warum immer der Lebensmittelhandel als Bösewicht dargestellt wird. Wie Franz Titschenbacher in seiner fünften Forderung an das EU-Parlament so schön zusammenfasst: „Die fünfte Forderung betrifft die Kennzeichnung von verarbeiteten Lebensmitteln und Speisen in Kantinen und der Gastronomie“. Hier fehle weitgehend die Herkunftsangabe der Rohstoffe. Damit auch hier die Konsumenten Wahlfreiheit haben, verlangt die Landwirtschaftskammer eine klare verpflichtende Kennzeichnung der verarbeiteten Lebensmittel“. Ein Ansatz mit starkem Gewicht für die Zukunft.