Steuerungsfunktionen für regionale Lebensmittel
Geschlossene Grenzen, versperrte Wirtshaus- und Restauranttüren und Konsumenten in trüber Konsumlaune – all diese Umstände trugen dazu bei, dass die regionalen Produzenten, wie Bauern und Erzeuger vor einem großen Problem stehen: wohin mit all der Ware, ohne sie zum Schleuderpreis auf den Markt zu werfen?
Der Lebensmittelhandel ist naturgemäß der erste Ansprechpartner für Milch-, Fleisch-, Käse- und Obst und Gemüse-Produzenten. Hier ist der Lebensmittelhandel bereits als Unterstützer vieler Branchen aufgetreten: im Fleischbereich greifen fast alle Lebensmittelhändler auf österreichische Rohstoffe zurück. Gerade die Kooperation mit den Rinderbauern wurde nochmals intensiviert, die Spar galt hier als Vorreiter. Bei Billa, Hofer und Lidl setzt man auf österreichisches Fleisch und Nah&Frisch arbeitet vornehmlich mit lokalen Produzenten aus der Region zusammen. Das tun die Kaufleute jedoch auch schon immer.
Der Milchpreis wird durch einen fixen Preis gestärkt, wie etwa die Rewe jüngst bekanntgab. Andere Händler zogen nach.
Und trotzdem: die Preise der landwirtschaftlichen Produkte rasseln in den Keller: Schweinefleisch, Butter, aber auch Rindfleisch sind in der negativen Rangliste ganz oben. Also was tun, damit die Bauern nicht unter die Räder kommen? Ein Gipfel der Regierung, in dem es um die Steuerungsfunktionen für einen fairen Preis bei landwirtschaftlichen Produkten geht, sollte Abhilfe schaffen. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, Nachhaltigkeitsministerin Eleonore Gewessler bildeten die Speerspitze, denn ihnen liegt die Zukunft der Landwirte und der nachhaltigen Bewirtschaftung sehr am Herzen. Mit der Landwirtschaftsministerin hat der Lebensmittelhandel schon einige Erfahrungen gesammelt: vor mehr als einem Jahr hat man sich gemeinsam zum Fairnesspakt gegenüber der Landwirtschaft entschlossen. Seit damals ging nicht alles, was man ausgemacht hatte, reibungslos von statten und der Handel musste sich trotzdem immer wieder Vorwürfe über seine Preispolitik anhören. Ein angespanntes Verhältnis also.
Aber man will positiv von Neuem beginnen und holt die Vertreter der Landwirtschaft, der Politik (Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Vizekanzler Werner Kogler waren ebenfalls dabei) und alle Lebensmittelhändler an einen Tisch – wenn auch teilweise virtuell: die Einzelhändler, die Großhändler (Kastner, Transgourmet und Wedl), die Standesvertreter des Handels WKO und Handelsverband und auch Kanzler Kurz zeigt mit seiner Anwesenheit, wie wichtig ihm das Thema tatsächlich ist.
Output und in Diskussion
Es liegt auf der Hand, dass eine starke Abnahme der österreichischen landwirtschaftlichen Produkte die Wertschöpfung in Österreich erhöhen würde, allerdings muss der Handel die Produkte auch an die Frau/den Mann bringen. Vertragen die Österreicher Preiserhöhungen, gerade jetzt, wo viele in Kurzarbeit bzw. arbeitslos sind. Die Unsicherheit ist groß. Wie sich der Konsument dazu bringen lässt für regionale Produkte einen fairen (und demnach höheren) Preis zu zahlen, muss noch geklärt werden.
Die Landwirtschaft hat eine klare Position: "Da damit zu rechnen ist, dass die jetzige Situation nicht in wenigen Wochen vorüber sein wird, weil ja wesentliche Marktteilnehmer noch längere Zeit beeinträchtigt sein werden, wäre es aber notwendig, wenn im Sinne von Planbarkeit, Preisstabilität und Sicherheit diese Zusage des Handels bis zum Herbst gilt", verlangten die beiden Bauernvertreter, LK-Präsident Julius Moosbrugger und Bauernbund-Präsident Georg Strasser, gemeinsam.
"Gleichzeitig leisten auch weiterhin Landwirtschaft und Verarbeitungswirtschaft ihren Beitrag. So haben die Bäuerinnen und Bauern gemeinsam mit ihren Molkereien bereits erste Schritte gesetzt, um die Märkte zu entlasten. Diesen Weg wollen wir weitergehen und erwarten uns dabei auch finanzielle Hilfe durch die EU-Agrarpolitik. Denn sie hat es in der Hand, eine freiwillige Rücknahme von Liefermengen zu unterstützen", so Moosbrugger.
Übergreifende Plattform
Als gemeinsame Plattform, auf der man Maßnahmen aufbauen kann, bot „Lebensmittel.Wertschätzen“, die bereits im Dezember 2019 vom Handelsverband ins Leben gerufen wurde. Die Plattform verfolgt das Ziel, den Dialog zu strukturieren und den Wert heimischer Lebensmittel stärker zu vermitteln, damit diesen beim täglichen Einkauf der Konsumenten ein noch höherer Stellenwert beigemessen wird. Sie fungiert nun als Partner der Regierungsoffensive „Österreich isst regional“. Denn: dem Dialog zwischen den einzelnen Parteien ist die größte Bedeutung beizumessen.
Um dies zu schaffen und gleichzeitig die Abhängigkeit von Importen aus Drittstaaten zu reduzieren, braucht es heute mehr denn je einen Schulterschluss zwischen Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Lebensmittelhandel und Gastronomie", so Handelsverband-Vizepräsident Frank Hensel in einer ersten Stellungnahme nach dem Gipfelgespräch.
Wunsch und Wirklichkeit
Abschließend noch die wesentlichsten Punkte, die auf der Agenda der Regierung stehen:
- Erhöhung der Wertschöpfung im landwirtschaftlichen Umfeld
- klares Bekenntnis zu Rohstoffen und Produkten aus Österreich
- autarke Nahrungsmittelversorgung für die österreichische Bevölkerung
- hohen Anteil an regionalen und saisonalen Lebensmitteln in der öffentlichen Beschaffung
- Herkunftssicherung durch das AMA Gütesiegel.
Wie diese Ziele erreicht werden, dazu bedarf es mit Sicherheit noch einiger Treffen. Denn bis dato stehen im Raum:
- Steuerbegünstigung für regionale landwirtschaftliche Produkte
- entfernungsabhängigen Regional-Bonus (bzw. -Malus) für Produkte
- engere Kooperation mit dem Handel
- Essen in allen öffentlichen Einrichtungen muss aus Österreich stammen
- bei der Beschaffung: Bestbieter statt Billigstbieter
- Die Genussregionen können wieder eine stärkere Rolle spielen
- Und nicht zuletzt eine gut durchdachte Digitalisierung in der Landwirtschaft.
Gabriele Jiresch