Ein großer Schritt in Richtung Fairness
Ein wenig wie David gegen Goliath erschien die Beschwerde des Handelsverbandes im Dezember 2018 gegen Amazon Services Europe S.à.r.l. (Amazon). Es ging um die Geschäftspraktiken und Verhaltensweisen gegenüber österreichischen Händlern, die am Amazon-Marktplatz ihre Waren anbieten. Die Beschwerde hat gefruchtet: Amazon hat aufgrund der Ermittlungen die Geschäftsbedingungen geändert. Die Änderungen treten mit 16.8.2019 Veröffentlichung in Kraft. Ein Sieg der Fairness, ein Sieg der BWB, ein Sieg des Handelsverbandes und vor allem einer der kleinen Händler.
Wie ist nun die BWB vorgegangen?
Nach einer ersten Analyse des Sachverhaltes, Gesprächen mit der Europäischen Kommission und dem deutschen Bundeskartellamt, eröffnete die BWB im Februar 2019 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Verstößen gegen österreichisches und europäisches Kartellrecht. Zum Zeitpunkt der Einleitung der Ermittlungen durch die BWB führten bereits das Bundeskartellamt und die Europäische Kommission Verfahren gegen Amazon, wobei die Beschwerdepunkte und somit der Untersuchungsgegenstand der Verfahren von BWB und Bundeskartellamt im Wesentlichen deckungsgleich waren. Die BWB hat sich in ihren Ermittlungen mit beiden Behörden abgestimmt und insbesondere mit dem Bundeskartellamt auch eng kooperiert.
Die Beschwerden gründeten sich auf zahlreiche dem Handelsverband übermittelte Sachverhaltsdarstellungen von Marktplatzhändlern. Immer mehr gingen bei der BWB und beim Handelsverband zahlreiche weitere Beschwerden von Marktplatzhändlern ein. Im Zuge einer umfassenden Marktbefragung durch die BWB vertieften sich die vom Handelsverband vorgebrachten Punkte, weitere kamen neu hinzu. Im Zuge dieser genauen Untersuchungen hat nun Amazon seine Geschäftsbedingungen geändert und die Empfehlungen der BWB angenommen.
Und eine wesentlicher Punkt sei noch erwähnt: Da die Händlerbefragung ergeben hat, dass ein zentrales Problem die Kommunikation mit Amazon ist, hat die BWB Amazon empfohlen, in seinen Geschäftsbedingungen (zumindest) einen Ansprechpartner zu benennen, an den sich die Händler unmittelbar wenden können. Diese Empfehlung hält die BWB ausdrücklich aufrecht, da sie darin eine Maßnahme zur nachhaltigen Beseitigung dieses Problems sieht.
Derzeit ist nicht beabsichtigt einen Antrag an das Kartellgericht zu stellen.
Über den Ausgang ist auch Generaldirektor der BWB, Dr. Theodor Thanner erfreut: „Es ist wichtig zwischen Unternehmen mit Markmacht und kleinen Händlern in der digitalen Welt "Fairplay" zu schaffen. Die Änderungen der Geschäftsbedingungen durch Amazon sind zu begrüßen. Ein beipielsweise plötzliches und unbegründetes Kontosperren sollte nicht mehr möglich sein. Die BWB wird die Umsetzung der neuen Geschäftsbedingungen einem Monitoring unterziehen.“
Außerdem verweist er auf den Fairnesskatalog der BWB, der solche Missstände unter Teilnehmern im Handel ausräumen soll.
Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes: "Heute ist ein guter Tag. Dieser Erfolg ist richtungsweisend. Er zeigt, dass der digitale Raum nicht rechtsfrei ist und sich auch digitale Giganten an die Gesetze halten müssen. Davon profitiert nicht nur der heimische Handel, sondern unsere gesamte Volkswirtschaft. Plötzliche oder unbegründete Kontosperren werden künftig nicht mehr möglich sein".
Die Änderungen im Detail
- Keine jederzeitige Kündigung oder Aussetzung des Vertrages mit sofortiger Wirkung, ohne Angabe von Gründen:
Eine ordentliche Kündigung erfolgt unter Einhaltung einer Frist von 30 Tagen.
Eine Kündigung bzw Aussetzung mit sofortiger Wirkung ist nur mehr unter folgenden Voraussetzungen möglich:
(a) Der Marktplatzhändler hat einen wesentlichen Verstoß gegen die Vereinbarung begangen und diesen nicht innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach einer entsprechenden Mitteilung behoben;
(b) das Konto des Händlers wurde für täuschende oder betrügerische oder unrechtmäßige Aktivitäten verwendet oder
(c) die Nutzung von Programmen hat andere Verkäufer, Kunden oder Amazons berechtigte Interessen geschädigt hat oder Überprüfungen zeigen auf, dass die Nutzung von Programmen zu einer solche Schädigung führen könnte.
- Kein unentgeltliches, unwiderrufliches, unbefristetes, weltweites Nutzungsrecht durch Amazon an den von Sellern bereitgestellten Materialien sowie eine Lizenz zur Verwendung, Vervielfältigung, Vorführung usw:
Der Umfang der Lizenz, die Marktplatzhändler Amazon gewähren müssen wird reduziert. Das unentgeltliche, nicht ausschließliche, weltweite Nutzungsrecht bzw die Lizenz erfassen zukünftig nicht mehr jede kommerzielle und nichtkommerzielle Nutzung, sondern sind auf den Betrieb der Programme bzw andere Produkte oder Dienstleistungen von Amazon beschränkt. In zeitlicher Hinsicht sind Nutzungsrecht bzw Lizenz auf die Dauer der originären und abgeleiteten geistigen Eigentumsrechte der Händler beschränkt.
- Freistellung/Entschädigung von Amazon durch Händler nur bei Gesetzesverletzungen:
Amazon wird die Verpflichtung der Marktplatzhändler, Amazon und dessen leitende Angestellte, Vorstandsmitglieder, Mitarbeiter und Vertreter von Ansprüchen Dritter freizustellen, die auf der nur behaupteten Verletzung der Pflichten aus dem BSA bzw der Zusicherungen der Dritthändler beruhen, streichen. Die Verpflichtung der Händler zur Freistellung von Amazon wird sich in diesem Zusammenhang ua auf die Freistellung im Fall der Verletzung geltender Rechtsvorschriften und die tatsächliche oder aufgrund konkreter Anhaltspunkte behauptete Verletzung abgegebener Zusicherungen richten.
- Beschränkung des Haftungsausschlusses:
Die Klausel wird neu gefasst, womit beide Parteien auf Schadenersatz grundsätzlich nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haften. Eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ist für Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit und für vorhersehbare, typischerweise eintretende Schäden aus der Verletzung wesentlicher Vertragspflichten vorgesehen.
- Änderung der Bedingungen und Bestimmungen des BSA durch Amazon nach freiem Ermessen nur nach Ankündigung:
Die Neufassung der Bestimmung sieht vor, dass mindestens 15 Tage vor einer Änderung eine Ankündigung zu erfolgen hat.
- Auch andere Gerichtsstände als Gerichtsstand Luxemburg Stadt möglich:
Die Neuregelung dieser Bestimmung sieht grundsätzlich Luxemburg Stadt als nicht ausschließlichen Gerichtsstand vor. Das bedeutet für Marktplatzhändler eine wesentliche Erleichterung bei der Rechtsverfolgung.
- Streichung des weitgehenden Haftungsausschlusses bzw. der Haftungsfreistellung betreffend die Lagerhaltung im Programm „Versand durch Amazon“:
Ein Haftungsausschluss betreffend das Programm „Versand durch Amazon“, mit dem Amazon alle Pflichten eines Verwahrers oder Lagerhalters ausgeschlossen hatte und mit dem die Händler, die dieses Programm nutzen, auf alle Rechte eines Hinterlegers verzichteten, wurde - ebenso wie die Freistellungsverpflichtung iZm diesem Programm ersatzlos gestrichen.
- Verlängerung der dreitägigen Widerspruchsfrist für Marktplatzhändler bei durch Amazon gewährten Erstattungen im Rahmen der A-bis-Z Garantie:
Die Neufassung der Bestimmung sieht eine Verlängerung der Widerspruchsfrist von 3 auf 30 Tagen vor.