Putenfleisch: Wer rupft hier wen?
Bericht: Hanspeter Madlberger
Wenige Tage, bevor zigtausende Puten ins Bratrohr und von dort nach ein paar Stunden auf dem Weihnachtstisch von Familie Österreicher landen, schlagen heimische Geflügelmäster Alarm. So großzügig im internationalen Vergleich das Platzangebot für die rotweißrote Pute im Stall ist, so beengt ist ihre Position auf den Speisekarten unserer Gastronomie. Eine Marktanalyse des Vereins Wirtschaften am Land ergab, dass nicht weniger als 93% des vom Gastro-Großhandel angebotenen Putenfleisches aus dem Ausland stammen. Bei den Convenience-Produkten (z.B. Puten-Cordonbleu, Putenschinken) sinkt der Anteil der heimischen Produkte im Gastro-GH-Sortiment sogar auf 6%, 94% kommen aus anderen Ländern.
Löbliche Ausnahme ist nach Aussage von Markus Lukas, dem Obmann der heimischen Geflügelwirtschaft, der oberösterreichische Gastro-Großhändler Kröswang. 83% seines Putenfleisch-Angebots stammen aus Österreich und tragen das AMA Gütesiegel. Restaurants, die bei Kröswang zugreifen und den Putenstreifen-Salat auf der Speiseekarte mit einem rotweißroten Herkunftsfähnchen ausstatten, müssen ihren Kunden schmackhaft machen, dass sie dafür bei einer Portion (mit 180 g Putenfleisch) einen Aufpreis von 1,07 Euro (2,87 statt 1,80) berappen müssen.
Putenfleisch im Supermarkt stammt zu 61% aus Österreich
Unserem Lebensmittel-Einzelhandel stellt der Marktcheck der Geflügelmäster, zu denen auch 200 Puten-Bauern zählen, ein deutlich besseres Zeugnis aus. 61% des Putenfrischfleisches in den Regalen unserer Super- und Discountmärkte stammen aus A und tragen mehrheitlich das AMA Gütesiegel. Einen Sonderfall stellt die Firma Hubers Landhendl dar, die zwar die Puten weitgehend von österreichischen Mästern bezieht, diese aber in Bayern schlachtet, um sie anschließend in Österreich aber auch in anderen EU Ländern an den Handel zu liefern.Dieses Fleisch darf zwar nicht das AMA Gütesiegel tragen (Schlachtung in Österreich zählt zu den Auflagen des GS-Programms) wurde aber beim Check der österreichischen Ware zugerechnet. Branchenrecherchen von retailreport.at ergaben, dass Hubers Landhendl, Tochter der schweizerischen Bell Food Gruppe, in Pfaffstätt (Oberösterreich) die Errichtung eines Schlachthofes plant, der allerdings nicht für die Schlachtung und Weiterverarbeitung von Puten, sondern von Bio-Hühnern aus heimischer Mast vorgesehen ist.
Bei den Convenience Produkten aus Putenfleisch liegt im LEH der Anteil der Ware heimischer Provenienz noch höher als beim Frischfleisch, nämlich bei 79%.
Gastro: Hoher Anteil von Convenience-Ware ohne Herkunftsnachweis
Was den Herkunftsnachweis bei Putenfleisch und -Putenfleisch-Produkten betrifft, unterscheidet der Marktcheck zwischen drei Gruppen:
o Ware aus österreichischer Produktion. Vorzeigepartner der heimischen Geflügelbranche ist die Rewe Gruppe mit Billa, Billa Plus und Adeg, die alle zu 100% heimisches Geflügel- (und damit auch Puten-) Frischfleisch mit AMA Gütesiegel-Kennzeichnung anbieten. Hauptlieferant der Rewe beim Geflügel ist die Firma Wech, die auch einen eigenen Putenschlachthof in Pöttelsdorf (Burgenland) betreibt.
o Ware aus anderen EU-Ländern mit Herkunftsnachweis. Die Produkte stammen hauptsächlich aus Italien, Ungarn und Polen. Innerhalb dieser Gruppe nimmt das Putenfrischfleisch des italienischen AIA Konzerns in der heimischen Supermarkt-Szene einen bedeutenden Rang ein.
o Ware ohne Herkunftsdeklaration. Im Gastro-GH erreicht diese Gruppe einen Sortimentsanteil von 43% bei Frischfleisch und 80% (!) bei Convenience. Hier herrscht also größter Handlungsbedarf in Sachen Transparenz.
Zankapfel Handelsmarken
Im LEH werden mehr als 1/3 des Puten-Frischfleisches und fast 50% des Puten-Convenience-Fleisches als Private Labels der Handelsketten verkauft. Besonders hoch ist der Handelsmarken-Anteil bei Bio-Geflügel, weil hier, so wie in anderen Frischwaren-Gruppen, die etablierten Bio-Dachmarken der großen Handelsketten dominieren. Dabei ist anzumerken, dass von den 200 heimischen Putenmästern immerhin 50, also ein Viertel, bei Fütterung und Tierhaltung nach Bio-Standards arbeiten.
Wie die Bedeutung der Handelsmarken für das Putengeschäft einzuschätzen ist, darüber herrscht in Agrarierkreisen große Meinungsverschiedenheit. Bauernbund-Präsident Georg Strasser wetterte bei der Präsentation der Studie gegen die Eigenmarken-Strategie der Supermarkt-Ketten: "Der Eigenmarken-Anteil der Supermärkte ist mit fast 50% sehr hoch. Das bedeutet in der Regel höhere Gewinnspannen für die Konzerne und weniger Erlöse für die Verarbeiter und Landwirte". Polemik aus der untersten Schublade der Agrarier-Lobby, die in krassem Widerspruch zur, über weite Strecken funktionierenden Vertriebspartnerschaft zwischen mittelständischen Bauern und mittelständischen Händlern steht. Dass die Landwirtschaft und ihre genossenschaftlichen Verarbeiter beim Aufbau von Herstellermarken in der Vergangenheit gerade, was den Geflügelsektor betrifft, nicht besonders erfolgreich waren und damit den Eigenmarken des Handels Tür und Tor öffneten, darf an dieser Stelle auch festgehalten werden.
Baustelle Fastfood Gastronomie
Wenn es um die Steigerung des Selbstversorgungsgrades beim Geflügel und insbesondere bei der Pute geht, ist die wichtigste Baustelle nicht im LEH, sondern in der Gastronomie zu verorten. Ein namhafter Geflügelimporteur ist McDonald´s, die führende Fastfood-Kette im Land. Zwar stammt das Rindfleisch für die Burger zu hundert Prozent von der österreichischen Landwirtschaft (die Zusammenarbeit mit dem AMA-Gütesiegel ist geradezu vorbildlich) die Chicken McNuggets aber werden, ebenfalls zu 100%, aus dem Ausland importiert. Für eine rotweißrote Herkunftsmarke in der Fastfood-Gastronomie hätte ich einen Vorschlag: Wie wär´s mit Wienerwald reloaded? Bleibt zu hoffen, dass die Pläne der heimischen Geflügelwirtschaft, eine Kooperation mit der Ladengastronomie einer europaweit expansiven österreichischen Möbelhauskette einzugehen, von Erfolg gekrönt werden.