Preiskampf: Der Handel zieht alle Register
Zusammengefasst von Hanspeter Madlberger
Wie können wir den Anstieg der Lebensmittelpreise in unseren Märkten in Grenzen und damit unsere Kunden bei der Stange halten? Vor dieser Mega-Herausforderung stehen alle heimischen Lebensmittel-Kaufleute und -Filialisten im Krisenjahr 2022.
Durch ein forciertes Angebot von Preis-Einstiegs-Eigenmarken und ein Aktionsfeuerwerk konnten bislang größere Umsatzeinbrüche verhindert werden. Darüber berichtete retailreport.at, gestützt auf topaktuelle Nielsen-Daten in der vergangenen Woche. Zwangsläufig legte dabei der Verdrängungswettbewerb zwischen den Erfolgs-verwöhnten Vollsortimentern und den durch die Pandemie gehandikapten Discountern kräftig zu. Zugleich gestalten sich die Preisverhandlungen mit den Lieferanten schwieriger denn je.
Wir befragten eine Anzahl namhafter Marktteilnehmer, auf welche Angebots- und Preis-Strategien sie in dieser turbulenten Wettbewerbsphase setzen. Nicht alle waren bereit, dieses heiße Eisen anzupacken. Umso mehr bedanken wir uns bei Rewe, Hofer, Lidl, MPreis und Unigruppe für ihre Stellungnahmen, die, wenngleich meist vorsichtig-diplomatisch formuliert, doch einiges Licht in das komplexe Phänomen der Inflations-Ursachen und deren wirksame Bekämpfung bringen. Hier die Highlights im O-Ton:
Unigruppe bestätigt: Rückläufige Einkaufsfrequenz, schrumpfende Durchschnittseinkäufe
Inflationsbekämpfung setzt Inflations-Ursachenforschung voraus. Wie geht der Handel die Sache an? Filialist und Franchisegeber Unimarkt (Unigruppe) packt aus: Sowohl Einkaufsfrequenz als auch Durchschnittseinkäufe entwickelten sich im heurigen Kalenderjahr im Vergleich zum Vorjahr zurück. Dabei stellen wir keine Stadt-Land-Unterschiede fest. Die stärksten Veränderungen im Einkaufsverhalten beobachten wir bei Obst und Gemüse, Tiefkühlware und AF-Getränken. Konsumreduktion findet insbesondere bei Fleisch und Wurst statt.
Dass jeder Einzelhandels-Manager gerade in Zeiten der Hyperinflation die beiden Kennzahlen "Kundenfrequenz" und "Durchschnitts-Kassenbon" auf dem Radarschirm haben muss, liegt auf der Hand. Denn die beiden Umsatz-Generatoren bedürfen jeweils unterschiedlicher Ankurbelungsmaßnahmen im Marketing. Vor allem geht es da um eine reaktionsschnelle Aktionspolitik.
Arbeiterkammer Tirol: Bestnote für MPreis bei Drogerieartikeln
MPreis liefert mit folgender Meldung eine mittlere Sensation: In einem Preisvergleich der Tiroler Arbeiterkammer (von April 2022) war MPreis der günstigste Anbieter für Marken-Drogerieartikel und Kosmetikprodukte. Während der Warenkorb bei MPreis 41,39 € betrug, macht derselbe Warenkorb bei anderen Supermarktketten 51,58 € bzw. 53,22 € aus.
Weitere Details dieser Studie waren der AK-Aussendung zu entnehmen. Im Zeitvergleich Herbst 2021 zu Frühjahr 2022 ergibt sich folgendes Bild der Warenkorbpreis-Entwicklung:
- Nur bei dm blieb der Warenkorbpreis unverändert,
- bei MPreis verteuerte sich der Warenkorb um 2,32%
- bei Interspar um 4,03%
- bei Müller um 4,05%
- bei Bipa um 5,77%
- bei Billa um 8,79%
Mit Blick auf die Preisentwicklung einzelner Markenartikel war der Preisanstieg bei Tempo feuchte Toilettentücher mit 14,69% besonders hoch, Frosch Badreiniger wurde "nur" um 6,09% teurer.
Die Zusammensetzung der Warenkorb-Artikel (18 Herstellermarken), die eher willkürliche Auswahl der untersuchten Ladenformate (Discounter wurden, ebenso wie Spar/Eurospar-Märkte nicht erhoben) und die Nichtberücksichtigung von Mengenrabatten und Kundenkarten-Rabatten (nur Tages-Aktionsangebote fanden Eingang in den Preisvergleich) liefern nur ein sehr eingeschränktes Bild der Realität. Dennoch bietet diese Momentaufnahme Einblicke in die unterschiedlichen Preisstrategien einzelner Händler. Dass Supermarkt-Lokalmatador MPreis bei Markenartikeln des Körper- und Haushaltspflege-Sortiments mit den Fachmärkten dm, Müller und Bipa Schritt halten kann, ist jedenfalls bemerkenswert.
Billig-Eigenmarken boomen bei Hofer, Rewe, Lidl, Unimarkt und MPreis
Preiseinstiegs-Eigenmarken bilden die Speerspitze bei der Inflationsbekämpfung im LEH. Dieser Nielsen-Befund wird durch die Statements der Handelszentralen nachdrücklich bestätigt:
Hofer: 1350 Eigenmarken
Hofer berichtet dazu: In unseren Hofer-Filialen (Anm. Es sind mehr als 530) verzeichnen wir ein sehr stabiles Kaufverhalten, ja sogar einen positiven Trend. Gerade in Zeiten der Preis-Volatilität vertrauen viele Kundinnen und Kunden dem Diskont-Prinzip: attraktive Eigenmarken zu günstigen Preisen. Diese starken und unabhängigen Eigenmarken machen 90% unseres rund 1500 Artikel umfassenden Sortiments aus. Anmerkung: Mit "unabhängig" ist vermutlich die Souveränität gegenüber den Herstellermarken gemeint.
Rewe: 650 Clever-Artikel, intensiv beworben
Rewe meldet: Bei unserer Eigenmarke Clever sehen wir ein dynamisches Wachstum, speziell bei Grundnahrungsmitteln. Allerdings haben wir das 650 Artikel umfassende Clever-Sortiment intensiv beworben.
Lidl: 80% Eigenmarkenanteil
Auch Lidl lässt uns einen Blick auf seine Eigenmarken-Politik werfen: Unsere Eigenmarken machen rund 80% unseres Sortiments aus. Das ist Teil unseres Diskonts. Auf die Frage nach dem Stellenwert des internationalen Private Label-Einkaufs antwortet Europas umsatzstärkster Lebensmittelhändler: Wir nutzen Synergien beim europaweiten gemeinsamen Einkauf.
Unimarkt: Preiseinstiegs- und Mittelpreis-Eigenmarken sind jetzt hilfreich
Auch die Unimärkte, teils als Filialen, teils als Franchisebetriebe am Markt, setzen bei der Inflationsbekämpfung auf Private Label-Sortimente: Unsere Preiseinstiegs- und Mittelpreis-Eigenmarken sind in der aktuellen Situation eine hilfreiche und passende Ergänzung. Nachsatz: Mit der aktuellen Entwicklung sind wir zufrieden.
MPreis: Jeden Tag wächst zweistellig
Last but not least: Als Mitglied er Verbundgruppe Markant führt MPreis, ebenso wie Unimarkt und Nah&Frisch, seit Jahren die seinerzeit von Markant Deutschland kreierte Preiseinstiegs-Eigenmarke Jeden Tag im Sortiment. Die Tiroler haben davon mehr als 650 Artikel in ihr Sortiment aufgenommen. Und melden stolz: Die Marke Jeden Tag wächst weiterhin zweistellig.
Aktionsmotor läuft auf Hochtouren
Auch die Aktionspolitik will in Inflationszeiten neu justiert werden. Allerdings halten sich die meisten Händler an die Devise: So weitermachen wie bisher. Lidl erklärt: Aktionen sind in Österreich gelernte Praxis. Sie steigern die Frequenz. Auch unsere Lieferanten profitieren davon. Aktionen sorgen für Abverkäufe. Das gilt auch für Lieferanten österreichischer Eigenmarken. Die Preisdifferenz bei solchen Aktionen übernehmen wir selbst. Der Lieferant bekommt jedenfalls das, was als Einkaufspreis vereinbart wurde.
Die Unigruppe will bei den Aktionen ein Schäuferl nachlegen: Besonders in der zweiten Hälfte des Jahres werden wir versuchen, den Aktionsanteil zu steigern und damit den gesteigerten Bedürfnissen der Konsumenten nach preisgünstigen Lebensmitteln Rechnung tragen.
Im Aktionskalender von MPreis sind die 1+1 gratis-Aktionen für über 200 Artikel(!) prominent vertreten.
Auch Discounter Hofer setzt, wie die Vollsortimenter-Konkurrenz, auf die Doppelstrategie von Billigeigenmarken und Aktionsangeboten. Jede Woche werden jeweils von Montag bis Donnerstag und von Freitag bis Samstag zahlreiche Sortimentartikel mit einem Rabatt von bis zu 50% angeboten.
Fazit: Die Inflation heizt den Preiswettbewerb im Handel noch einmal ordentlich an. Zum Vorteil der von der allgemeinen Teuerung geplagten Konsumenten. Und zum Nachteil jener Marktteilnehmer aus Industrie und Handel, die den erhöhten Margendruck nicht durch Kostensenkungen oder höheres Preis/Leistungsverhältnis abfedern können. Der Kampf gegen Umsatzentgang infolge der Inflationswelle bleibt für den Handel eine kaufmännische Gratwanderung.