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Consultant Mag. Helmut Obergantschnig legt eine top-aktuelle Marktpotential-Analyse für Gastronomie-Lieferanten vor.

Patentes Navi für Neustart der Gastro-Lieferketten

Consultant Mag. Helmut Obergantschnig legt eine top-aktuelle Marktpotential-Analyse für Gastronomie-Lieferanten vor.

Bericht: Dr. Hanspeter Madlberger

Wenn Österreichs Gastronomie in wenigen Tagen aus dem alptraumatisierten Corona-Dornröschenschlaf erwacht, stellt der Wiederaufbau und die Neujustierung der Lebensmittel- und Getränke-Lieferketten für den out-of-home-Konsum eine Mega-Herausforderung für die gesamte Branche dar. Gilt es doch, einen Geschäftseinbruch historischen Ausmaßes wieder auszugleichen, der die Branche in 14 Corona-Monaten um sage und schreibe 15 (!)  Jahre zurückwarf. 2006 hat die Gastro-Branche 14,7 Milliarden € umgesetzt, mehr als im Katastrophenjahr 2020, als die heimische Gastronomie (inklusive Beherbergung und Gemeinschaftsverpflegung) auf ein Volumen von 13,3 Mrd. € kam. 
(Quelle: Markt-Potential- Analyse, Mag. Helmut Obergantschnig)

Mit dem 19. Mai kehrt - hoffentlich - eine Portion an Normalität und Planbarkeit in die Gastro-Supply Chain zurück. Auch wenn die Pandemie noch lange nicht besiegt ist, der Incoming-Tourismus auf Jahre hinaus beeinträchtigt bleibt und die "Rückverwandlung" der Supermarkt-Shopper in Wirtshausgäste erheblicher Anstrengung bedarf.

Zwei Haupttreiber der Gastro-Umsatzverluste

Dieser Corona- Shift vom out-of-home- zum in-home-Konsum verdient nähere Betrachtung. Denn er hatte dramatische Ausmaße, wie ein in Euro-Beträgen ausgewiesener Umsatzvergleich zeigt. 2019 erzielte der LEH laut Nielsen einen Umsatz von 21,56 Mrd. €, der Verkaufsumsatz der Gastronomie (inkl. GV und Hotellerie) lag vor der Krise bei 19,1 Mrd. €. LEH und Gastronomie lagen, bei einer Umsatzrelation von 53 zu 47, ziemlich nah beieinander.

Corona ließ im Jahr 2020 die Umsätze des LEH um 2,17 Mrd. € auf 23,74 Mrd. € (= +10,1%) anschwellen, die Erlöse der Gastronomie-Sparte aber brachen um 4,8 Mrd. € (!) auf 13,3 Mrd. €. (-30,4%) ein. Damit stand es Ende 2020 im Match um den  Share of Stomach zwischen Filialisten/Kaufleuten und Gastwirten 64:36 zugunsten des LEH.

Halten wir fest: Die Corona-Auswirkungen auf die Gastronomie, also das Umsatzminus von 4,8 Mrd. € ist, grob gerechnet, zu rund 2,2 Mrd. auf die Verlagerung in Richtung LEH zurückzuführen, der restliche Abgang in Höhe rund  2,6 Mrd. € ist vor allem den Einbrüchen im internationalen Tourismus geschuldet, man denke nur an den beinahe-Komplettausfall der Wintersaison 20/21.

Das bedeutet für den kommenden Neustart: Im Gastro-Marketing ist eine Doppelstrategie gefragt. Kurzfristig geht es darum, Kunden von den Supermarktkassen zu den Wirtshaustischen zurückzuholen. Mittelfristig, also in den kommenden drei, vier Jahren ist die Wiederinstandsetzung der internationalen, vor allem aber europäischen Tourismus-Destination Österreich angesagt.  Ein nationalökonomisches Anliegen.

Markt-Potential-Analyse: Orientierungshilfe im Wettbewerbsdickicht

Wie weit aber wird das Pendel bereits in den kommenden Monaten zurück schwingen? Diese Frage bewegt alle Glieder der Gastro-Lieferkette, vom Bauernhof bis zur Wirtshausküche. Für flexible und resiliente Gastro-Lieferanten eröffnet sich mit dem Ende des Lockdowns ein einigermaßen überschaubarer Korridor an Chancen und Risiken für einen strategischen Neustart. Die brandaktuelle Markt-Potential-Analyse (MPA), vorgelegt von der HO Consulting e.U. des Helmut Obergantschnig kann da wertvolle Hilfe leisten. Sie bietet sich den Akteuren in den Gastro- und GV-Lieferketten als eine praxisnahe Orientierungshilfe an. Als Navi in einer Marktlandschaft,  die in 14 Corona-Monaten schwer beschädigt wurde.

Das Prognose-Modell des ex-Adeg/AGM-Managers und Gründers der Gastro Data-Marktforschung zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es weder auf schönfärberischen Hoffnungen, noch auf schwarzmalerischen Befürchtungen, sondern auf einer plausiblen Interpretation empirischer Fakten beruht.

Gastro-Wareneinsatz: Zentraler Richtwert für Lieferanten

Hauptbezugsgröße der MPA ist der statistisch fundierte Wareneinsatz von

  • 20 verschiedenen Gastro-Betriebstypen (vom Restaurant bis zum Eissalon, von der Raststätte bis zum Kaffeehaus), wobei als zusätzliche Differenzierungsmerkmale
  • die Regionalität (heruntergebrochen auf die neun Bundesländer),
  • die Stadt-Land-Unterschiede und
  • die Saisonalitätsverläufe in das Modell einfließen

Dieser Micro-Marketing-Ansatz ist deshalb besonders wertvoll, weil die Corona-Pandemie, je nach Gastro-Betriebstyp, regionalem Standort und daraus resultierender Kundenstruktur ganz unterschiedliche Spuren hinterließ. Der Matrix-Aufbau des Modells macht jede Menge von Korrelationen deutlich: Ethno-Lokale werden überwiegend von jüngerem Publikum besucht. Restaurants sind die bevorzugte Location für Geschäftsessen. Betriebsküchen zeichnen sich durch eine relativ konstante ganzjährige Auslastung aus (wobei Home Office diese Einschätzung relativieren könnte).

Daher kommen die Gastro-Lieferanten nicht darum herum, gerade in dieser Situation eine sehr differenzierte Marketing- und Vertriebsstrategie zu entwickeln. Gemäß der legendären Doktrin des seinerzeitigen Bundeskanzlers Fred Sinowatz "Alles ist sehr kompliziert".

Ausgangspunkt für die MPA 2020 sind die empirisch abgesicherten MPA-Daten 2019.

Analog zum Umsatzrückgang  (von 19,1 Mrd. € auf 13,3 Mrd.€) ging der Wareneinsatz der Gastronomie (gleichzusetzen dem Verkaufsumsatz der Gastro-Lieferanten) von 5,31 Mrd. € auf 3,76 Mrd. € zurück, ein Minus von 29,2%.

Obergantschnigs Markt-Potential-Prognose 2021 beruht auf der Annahme, dass mit dem Lockdown-Ende am 19.5. die Startflagge hochgeht und die Umsatz-Aufholjagd, wenn auch mit anfänglichen Verzögerungen losgeht. Unter dieser Prämisse prognostiziert die MPA für das Jahr 2021 einen Verkaufsumsatz von Gastronomie und Hotellerie in Höhe von 12,66 Mrd. € (minus 4,8% gegenüber 2020) und einen Wareneinsatz (WES) von 3,74 bis 3,76 Mrd. € (-0,5% bis +-0%). Warum der Wareneinsatz voraussichtlich nicht so stark schrumpft wie der Verkaufsumsatz? Dieser Umstand resultiert daraus, dass das Nächtigungsminus bei den Beherbergungsbetrieben (Folge der ausgefallenen Wintersaison 2020/21) als nicht erbrachte Dienstleistung zu Buche schlägt, was fast keinen Einfluss auf den Wareneinsatz hat. 

Komplexität garantiert Praxisnähe

Differenzierung nach Betriebstypen und Saisonalität ist das A und O einer seriösen Modell-Rechnung. Es folgt ein kleiner Gruß aus der MPA-Küche des Helmut O., eine Kostprobe, die über die Komplexität des Marktes Auskunft gibt und damit die Praxisnähe des Modells veranschaulicht. Untersucht und in einem Datenwürfel ausgewiesen werden in dieser Case Study die Marktpotentiale von vier Betriebstypen (Betriebsküche, Ethno-Lokal, Restaurant, Kaffeehaus/Konditorei) angesiedelt in den Bundesländern Wien und Burgenland. Daraus einige Key Learnings:

  • Beim Wareneinsatz in der Kategorie der Betriebsküchen erreicht Wien einen nationalen Anteil von fast 26%, während das Burgenland in dieser Disziplin nur knapp 2%  des Marktpotentials beisteuert.
  • Wien beherbergt 22% der  Gesamtbevölkerung, die Ethno-Gastronomie der Bundeshauptstadt aber kam 2020 für 52,4% des bundesweiten WES-Volumens in diesem Gastro-Typ auf. Vor Corona lag der Anteil noch etwas höher, nämlich bei fast 58%.
  • Wenig überraschend: In der Multi-Kulti-Weltstadt Wien erreichen die Ethno-Lokale fast 18% Marktanteil am Gastronomie-WES, im Burgenland liegt diese Quote nur bei 4,7%.
  • Besonders starke Spuren haben die Reisebeschränkungen beim Geschäft der Wiener Kaffeehäuser und ihrer Lieferanten hinterlassen. Lag der nationale WES-Anteil von Landmann & Co 2019 bei 32,2%, so sank dieser 2020 auf 27,3%.

Dritter Baustein des Modells ist neben der ex-post-Analyse und der ex-ante Prognose die Simulation alternativer Marketingmaßnahmen. In wenigen Tagen können alternative Szenarien, von Worst Case bis Best Case, durchgerechnet werden. Nach dem Motto: Gespür für die Marktchancen in bewegten post-Corona-Zeiten ist gut und wichtig. Aber Data-based Checks der Realisierungschancen sind äußerst hilfreich, geben sie doch dem Lieferpartner eine wohlschmeckende Portion Budgetierungs- und Planungssicherheit.

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geschrieben am

14.05.2021