Österreichs Wirtschaft: Lösung der Probleme möglich
Warum Österreich Veränderung braucht, berichtete DI Franz Schellhorn, Leiter der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria im Rahmen des Feldtages 2022 von GoodMills Österreich im Juni 2022. Im Mittelpunkt standen zentrale wirtschafspolitische Themen wie die anhaltende Teuerung, der Arbeitskräftemangel, die Integrationsproblematik sowie Bildungs- und Ungleichheitsprobleme des Sozialstaates Österreich.
Derzeit herrscht an guten Nachrichten kein Überfluss, meint der Experte. Aber: auch wenn wir viele Probleme in Österreich nicht im österreichischen Alleingang lösen können, so gibt es doch so einige, die man auf nationaler Ebene ohne weiteres in Angriff nehmen kann. „Der Österreicher ist ein Mensch, der mit Zuversicht in die Vergangenheit blickt“, so Schellhorn. „Die meisten Probleme lassen sich mit entschlossener Modernisierung und Innovationskraft lösen“, so DI Franz Schellhorn.
Aber warum sollten wir etwas ändern, wenn es um Wirtschaft und Gesellschaft geht? „Weil wir auf Kosten der nächsten Generationen leben“, so Schellhorn. Jede schlechte Phase bedeutet Verluste für die Bevölkerung, in diesem Falle sollten diejenigen unterstützt werden, die es am nötigsten brauchen – Geldausschüttung mit der Gießkanne ist jedenfalls keine Lösung. Nur zwei Finanzminister in der zweiten Republik konnten die Staatsverschuldung – auch in Zeiten von steigender Inflation – senken. Aktuell haben wir eine Staatsverschuldung von mehr als 80% brutto. Der vierteljährliche öffentliche Schuldenstand am 31. März 2022 betrug 348,8 Mrd. Euro. Das sind um 14,7 Mrd. Euro mehr Schulden als im Vorquartal. Das öffentliche Defizit im 1. Quartal 2022 betrug 3,9 Mrd. Euro.
Je höher die Verschuldung ist, desto komplexer und heiß diskutierter werden die Staatsausgaben, denn: auch Zinsen müssen zurückgezahlt werden.
Als Beispiel nennt Schellhorn die Länder Schweden und Dänemark, die eine Staatsverschuldung von unter 40%. In den skandinavischen Ländern wird in den Boom-Wirtschaftsjahren der Staatshaushalt ins Plus gedreht und in Schweden etwa am Anfang des Budegtjahres festgelegt, dass die Schulden nie mehr wachsen dürfen, als die Inflationsrate. „Auch wir plädieren dafür, dass man die Schulden endlich bremst!“, so Schellhorn im Namen der Denkfabrik Agenda Austria. Noch dazu ist die Phase der „0-Zinsen“ vorbei. „Eine EU-weite gemeinsame Zinspolitik ist natürlich eine Herausforderung, aber Geld muss im Gegensatz zu Energie und Rohstoffen stabil bleiben“, plädiert der Experte. Wir werden auch noch weiterhin mit hohen Teuerungsraten vor allem im Energiebereich rechnen müssen – ein Problem, das wir europaweit lösen werden müssen, denn die Globalisierung wird weiterhin an Fahrt verlieren. Die Diversifizierung der Lieferketten bietet dahingehend mehr Sicherheit, aber zieht eben auch höhere Preise nach sich. Und nicht zuletzt werden die Lohnabschlüsse in die Höhe gehen, der demografische Wandel dreht den Arbeitsmarkt um.
Veränderung am Arbeitsmarkt
Überall ein Jammern über den Mangel an Arbeitskräften: gehen uns die Arbeitskräfte aus, fragt sich der Experte? Wir haben 250.000 offene Stellen und das Paradoxon an viel Arbeitslosigkeit im Osten und viele offene Stellen im Westen.
Wohin sind die Arbeitskräfte verschwunden? Eine Erklärung bringt Franz Schellhorn: kein Land in Europa hat in der Pandemie die Arbeitszeit so stark verkürzt, wie Österreich. Dazu kommt der Teilzeit-Boom und die ersehnte Work-life-Balance der Mitarbeiter. Und nicht zuletzt setzt der Staat Schwerpunkte, um es LEICHTER zu machen, weniger zu arbeiten: es bleibt unterm Strich nach Abgaben der Steuern für einen Unternehmer weniger über als im Ländervergleich (drittniedrigster Wert bei Nettolöhnen in Europa). Dazu kommt die hohe Besteuerung der Arbeitskosten (dritthöchster Wert in Europa) und nicht zuletzt ist die hohe Zuverdienstgrenze (liegt bei rund 485 Euro) ein Hemmschuh für die klassische Angestellten-Variante.
Schellhorn: „Fordern und fördern wie die Dänen, das ist eine gute Lösung. Sie zahlen mehr Arbeitslosengeld, das aber sukzessive weniger wird. Die Menschen brauchen einen höheren Anreiz“. Hoher Wohlstand ist ohne gute Bildung einfach nicht finanzierbar.
Die London Challenge nach Österreich bringen
Die London Challenge war ein Schulverbesserungsprogramm, das 2003 von der britischen Labour-Regierung ins Leben gerufen wurde. Das Grundsatzdokument "Transforming London Secondary Schools" enthielt die Ziele des Programms, mit dem die Leistung der Londoner Sekundarstufe "schrittweise geändert" werden soll. Die Londoner Schulen zählten zu den schlechtesten in ganz England. 2003 wurde gestartet. Nach nur fünf Jahren zeigten sich erhebliche Fortschritte. Als das Programm 2011 beendet wurde, war London aus der Region Englands mit den schlechtesten Schulergebnissen (bei den Abschlussprüfungen mit 16) zur Region mit den besten Ergebnissen geworden. Auch mehr als fünf Jahre später hat sich daran nichts geändert. Besonders bemerkenswert dabei ist ja die Tatsache, dass in London die Kluft zwischen Arm und Reich größer ist als nirgends sonst in England, aber dass diese Auswirkung sich in den Schulen am geringsten auswirkt. Mehr Infos zur London Challenge.
In Österreich regt sich dazu massiver Widerstand, es wird lieber mehr Geld ausgegeben, um eine Reform zu starten.
„Aber wir brauchen Lösungen, weil wir auch in den nächsten Generationen in einem Sozialstaat leben wollen. Wir zahlen jährlich 35 Mrd. Euro in das Pensionssystem ein und 62 Mrd. Euro zahlen wir aus. 2050 haben wir 1,1 Mio. Pensionisten mehr als heute und auf einen Pensionisten kommen 1,3 Aktive im Jahr 2050“, prognostiziert Schellhorn. Er meint weiters, dass das Pensionsalter geringfügig erhöht werden sollte. Die staatlichen Systeme müssen wie in Dänemark entlastet werden, doch mit steuerlichen Anreizen.
Die Hürde ist, dass Österreich ein breites Spielfeld mit vielen Tribünensitzern hat und somit Reformen in der Umsetzung Ausdauer brauchen – und sie gehören kontrolliert, meint der Experte abschließend.