Wintertagung: braucht es neue Allianzen?
Im Zeitalter von Digitalisierung, Dekarbonisierung und einem schnellen demografischen Wandel stehen nicht nur die Landwirte und Landwirtinnen vor einer großen Herausforderung, sondern auch die nachgelagerten Ketten: Industrie, Handel, sowie Politik, die einen Bogen um die Branchen spannt. Am ersten Tag der Wintertagung des Ökosozialen Forums trafen sich zur Podiumsdiskussion Vertreter der Branchen:
Alexander Bernhuber | Abgeordneter zum Europäischen Parlament, Brüssel
Alexandra Gruber | Geschäftsführung der Tafel Österreich, Wien
Marcel Haraszti | Vorstand der REWE International AG, Wiener Neudorf
Christina Mutenthaler-Sipek I AMA Marketing Geschäftsführerin
Die grundsätzliche Frage, ob es neue Allianzen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft braucht, muss mit einer Gegenfrage beantwortet werden: sind die aktuellen Allianzen stark genug, um die Wirtschaftskrisen auszuhalten? Leitbare Preise, Versorgungssicherheiten, Klimadebatten – all das prasselt auf die Stakeholder ein.
Christina Mutenthaler-Sipek: „Was ist der richtige Weg aus der Krise in der Landwirtschaft? Jeder dritte Euro in Österreich wird laut RollAMA für Aktionen im Lebensmittelhandel ausgegeben. Dabei sind 45% in Aktionsware bei Fleisch, aber 80% wünschen sich Tierwohlware.“ Hier kommt es zum ersten Dilemma. Denn eine RollAMA Analyse, zeigt, dass die wichtigsten Topargumente beim Einkauf lauten: Frische, Qualität, Herkunft. Um diese Wünsche zu erfüllen, müssen die Betriebe stark investieren.
Beim Thema Herkunft geht es vor allem darum Transportkilometer zu sparen, ABER es muss eine Lücke geschlossen werden: was ist Wunsch und was passiert wirklich bei der Viehwirtschaft?
Dem Konsumenten fehlt das Wissen und die Erfahrung, wie Landwirtschaft passiert. „Deshalb müssen wir uns die Frage stellen: Was ist uns in Zukunft wichtig? Und das müssen wir kommunizieren“, so Mutenhaler-Sipek. „Es muss allen klar sein: wenn man regional und saisonal kauft, kauft man nachhaltig und unterstützt die Familienbetriebe“.
Rewe International Vorstand Marcel Haraszti: „Das Thema Tierwohl können wir nicht mehr wegdiskutieren. Der Trend zu Bio steigt weiter und die Qualität bei Fleisch ist immer ein Thema. Wir haben ein großes Problem: Überregulierung. Wir tun alles, um die Anforderungen zu erfüllen, aber irgendwann können wir innerhalb der Wertschöpfungskette nicht mehr. Auch die Landwirtschaft braucht ihre Planungssicherheit, genauso wie wir“. Haraszti ist sich sicher, dass gerade in Zeiten der Instabilität den Konsumenten auch Sicherheit gegeben werden muss – und zwar durch eine Allianz zwischen Landwirtschaft, Lebensmittelhandel und Politik. „Man muss das Narrativ neu formulieren und eine neue Allianz schaffen, ohne ständig mit dem Finger auf den anderen zu zeigen“.
Alexander Bernhuber, Abgeordneter zum Europäischen Parlament (ÖVP) hat den politischen Überblick und ist ebenfalls der Meinung, dass es zur Zeit durch den Green Deal zu einer starken Überregulierung kommt. „Wie macht man eine vernünftige ökosoziale Marktwirtschaft, um ehrlich zu arbeiten und zu wirtschaften. Wir müssen bei der Bürokratie die Stopptaste einsetzen“. Bernhuber hinterfragt auch, ob eine Einhaltung der Lieferkettengesetze in vielen Fällen nicht an der EU-Außengrenze umzusetzen möglich wäre. Braucht es den Green Deal auch für den Lebensmittelhandel, der in seinen Umsetzungen bei Nachhaltigkeit auf Wunsch der Konsumenten schon sehr weit ist? Was es braucht, sind Standards bei Importprodukten, sind sich die Diskutanten einig. Denn abschließend sagt Stephan Pernkopf, Präsident des Ökosozielan Forums und NÖ Landeshauptfrau-Stellvertreter: „Eine im Dezember erschiene Studie des renommierten Nature-Magazins stellt der österreichischen Landwirtschaft insgesamt ein hervorragendes Zeugnis aus. Auch wenn in Einzelbereichen weitere Schritte nötig sind, steht Österreich im internationalen Vergleich in Sachen Balance der Nachhaltigkeitsziele an vorderster Stelle der bewerteten Länder. Wir sind nicht so schlecht wie manche meinen. Aber auch nicht so gut wie wir noch werden können,“ so Pernkopf. Dazu ist es nötig, dass hohe Umwelt- und Tierschutzstandards nicht zu einem Wettbewerbsnachteil werden. „Agrarprodukte dürften daher nur eingeführt werden, wenn sie entweder die gleichen Produktionsstandards erfüllen oder einem entsprechendem Grenzkostenausgleich unterworfen werden“, fordert der Präsident des Ökosozialen Forums.