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Hanspeter Madlberger im Kommentar

Merkur heißt ab heute Billa Plus. Na und?

Viel interessanter ist es, der Frage nachzugehen, warum bei Merkur in den letzten Jahren die Erfolgssträhne gerissen ist. Und wo für Billa Plus Profilierungschancen bestehen.

Kommentar von Dr. Hanspeter Madlberger

Mondo verschwand, Saturn verschwand, Merkur verschwand. Wir lernen daraus: Die Astronomie liefert keine erfolgsträchtigen Store Brand-Ideen. Überhaupt: Die Namen der meisten Ladenmarken sind, ganz im Gegensatz zu Markenikonen der Industrie, Schall und Rauch. Das hat schon seinerzeit Adeg Kaufmann Pichler aus Asten bei Linz erkannt, als er aus den Leuchtbuchstaben A D E und G sein privates Logo namens GEDA bastelte. LIDL entstand, weil Firmenchef Dieter Schwarz für seinen Diskontmarkt einen Namen suchte, der sich nur durch einen einzigen Buchstaben vom Vorbild ALDI unterscheiden sollte.

Die Umflaggung von Merkur auf Billa Plus, die mit dem heutigen Tag vonstatten ging, ist somit eine, von der Werbebranche maßlos überschätzte Formalität. Der Austausch der Firmenschilder lässt treue Merkur-Kunden kalt und bewegt noch keinen untreu gewordenen Kunden in den "Heimathafen" zurückzukehren. Der strategische Neustart des Rewe-Großformats muss tiefer ansetzen. Und da geht es zunächst um eine Frage: Warum ist die Erfolgssträhne des einstigen Vorzeige-Supermarkt-Typs der Wiener Neudorfer schon vor Jahren gerissen?

Versuch einer Antwort: Merkur war das Lebenswerk des Veit Schalle, seine Mannschaft ein eingeschworenes Team. Mit Merkur besser sein zu wollen als Billa (!), Hofer und Spar war die leidenschaftliche Message des Kärntners. "Merkur ist der Supermarkt des Jahres". Diese  Schlagzeile ist in gar nicht so alten Ausgaben rüstiger Handelsmagazine nachzulesen.

Solange Frank Hensel, der geniale Kalmierer und Stabilisator der post-Wlaschek-Ära bei der Rewe International die Zügel in der Hand hielt, gelang es dem Subkonzern, den Erfolgskurs von Merkur einigermaßen zu konservieren. Dieser begann brüchig zu werden, als das Manager-Karussel in der Warenwirtschaft der Rewe zu rotieren begann und so manche Neueröffnung mangels eines eingespielten Filialteams nicht gleich zur Höchstform auflief. Abnützungserscheinungen eines Ladenkonzept, dem der kämpferische Spirit der Pionierzeit  abhanden gekommen war. Such is life. Besonders häufig in Genossenschaften anzutreffen,  wo es keine Eigentümerfamilien gibt, die für Kontinuität und Vitalität sorgen.

Welchen Spirit braucht Billa Plus in seinem Geburtsjahr 2021? Die Herausforderungen sind, mit Blick auf die Corona-Verwerfungen in der Branche, einzigartig. Der Preiskampf wird  an Härte zulegen,

  • weil Hofer und Lidl, gestützt auf ihre Kostenvorteile gegenüber den Vollsortimentern voll angreifen werden,
  • weil der Wachstumsimpuls, der 2020 von Corona ausging, verpufft ist, sodass  heuer Umsatz-Stagnation angesagt ist und
  • weil eine kaufkraftgeschwächte Konsumentenschaft (Stichwort: Arbeitslosigkeit) auf der Jagd nach den billigsten Lebensmitteln auf Ladenloyalität pfeift. 

Mit welchem USP kann Billa Plus im LEH-Wettbewerb 2021 punkten?

Eine Frage, die noch schwieriger zu beantworten ist. Weil neben Billa auch Lidl (Nr. 1 in Europa), Spar (Nr.1 in Österreich) und Hofer (mit dem allerbesten Preis/Leistungsverhältnis) im Marketing dieselben Register ziehen: Nachhaltigkeit, Klimaschutz, gesunde Ernährung, Regionalität, Private Labels , Preiseinstiegssortimente. Das haben die großen Vier alle drauf. Österreichs LEH unterwegs zum Einheits-Super-Supermarkt. Da ist was dran.

Weiter auf der Suche nach Profilierungspotential. Der Einwand, Billa Plus als Marke sei nicht Fisch und nicht Fleisch ist nicht wirklich stichhaltig. Denn diese Charakteristik trifft auch auf die Eurospar-Linie der Salzburger zu  und dieser Sidestep einer Ladenmarke funktioniert prächtig. Besonders gut laufen übrigens Eurospar Märkte, die von Spar Kaufleuten geführt werden. Einer von Ihnen, Christian Prauchner aus Melk ist sogar neuer Obmann  des Lebensmittelhandels-Bundesgremiums in der Wirtschaftskammer.

Daher: Wenn schon Billa Kaufleute gesucht werden, warum rekrutiert man nicht gleich Billa Plus Kaufleute? Vorbilder dafür gibts zuhauf bei der Mutter Rewe in Deutschland. Aber auch im Ländle, wo der Rewe-Partner Sutterlüty (ehemals Eurospar) zeigt, wie es geht. Vor allem gilt: Kaufleute können Regionalität viel besser als Filialsysteme. Und sie haben ein Gespür für die Rekrutierung bedienungsfreudiger Mitarbeiter.

Eine andere Profilierungs-Option für Billa Plus sind die Laden-Restaurants. Wenn Corona vorüber ist, kann das Synergiepotential zwischen einem Feinkost-Superstore und dem angeschlossenen Restaurant, samt Take Away-Abholstation reiche Früchte tragen. Zum Beispiel bei der Verkostung  neuer Produkte und regionaler Spezialitäten. Und bei der Inszenierung saisonaler Kulinarik-Highlights.

Mittelfristig chancenreich, aber sehr investitionslastig ist der Ausbau von Billa Plus zu einem Smart Super Store. Mit Omnichannel-Tools kann sogar die Rückeroberung von Nonfood-Sortimenten gelingen, ein Bereich, aus dem sich Merkur schon vor vielen Jahren zurückgezogen hat. Immerhin ist Billa bei Click & Collect der Spar und den Discountern deutlich voraus.

Abschließend mein Herzenswunsch an die ganze Billa-Familie: Was Karl Wlascheks Firma groß machte, war die enge und ja, in jeder Hinsicht freundschaftliche, Zusammenarbeit mit der österreichischen und der internationalen Markenartikelindustrie. In vielen Warengruppen können die Handelsmarken den top-gemanagten Herstellermarken, was Innovation und emotionale Strahlkraft betrifft, nicht das Wasser reichen. Daher mein Rat an die Billa Einkäufer: Schafft die Listungsgebühren ab und verständigt euch statt dessen mit der Industrie auf  einen ECR-Bonus, den Billa und Billa Plus jenen Lieferanten gewährt, die kooperatives Marketing am POS am kreativsten  umsetzen!  

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geschrieben am

06.04.2021