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Der Stein des Anstoßes II

Vergangene Woche berichtete retailreport.at über die Listung von Markenartikel beim Diskont und die Auswirkungen. Gibt es Lösungen?

Bericht von Dr. Hanspeter Madlberger

Bringt 2018 bereits die Wende?

Für das zu Ende gehende Jahr 2018 darf man die vorsichtige Einschätzung wagen, dass der Shift der Markenkäufer von den Supermärkten zu Hofer seinen Kulminationspunkt überschritten hat.  Anhaltspunkte für diesen Befund:

o Das Marktwachstum im LEH hat sich heuer gegenüber dem Vorjahr von 4% auf 2% halbiert, und liegt damit ungefähr auf Höhe der Inflationsrate. 

o Die Discounter (Hofer/Lidl) sind 2018 nicht mehr die Wachstumstreiber der Branche. Ihr Umsatzplus entspricht dem Branchendurchschnitt von 2%. Einer der Gründe: Die Anzahl der Neueröffnung ist, speziell bei Hofer, gegenüber früheren Jahren zurückgegangen.  

o Die Super- und Verbrauchermarktketten haben speziell im Markenartikelsektor ihren Aktionsdruck verstärkt und konnten daher offenkundig Hofer-Kunden zurückerobern. So kletterte im ersten Halbjahr 2018 der Promotionanteil bei Bier auf den Rekordwert von 64% 

(die Fußball WM trug das Ihre dazu bei), mit Kistenaktionen trumpften die Verbraucher- und Supermärkte auf, Hofer, gehandicapt durch den Verzicht auf Mehrweggebinde, schlug mit Bieraktionen in Glas/Einweg zurück. Auch bei Röstkaffee (59% Aktionsanteil), Near-Water Getränken (53%) und Vollwaschmitteln (48%), haben unsere Vollsortimenter den Schleudergang eingelegt. Hofer, „genetisch“ auf Dauertiefpreise programmiert, hat bei diesem Aktionitis nur verhalten mitgemacht.  

o Last but not least: Sattledt forciert heuer besonders heftig seine Premium-Eigenmarken, insbesondere die Nachhaltigkeitsmarke Zurück zum Ursprung. Wie stark der schon-lange-nicht-mehr-Primitiv-Discounter ins Delikatessen-Geschäft einstieg, ist im hundert Seiten starken “Hofer Special“ der Gourmet-Zeitschrift Falstaff nachzulesen, die diesen Herbst anlässlich des 50 Jahre-Jubiläums der Marke Hofer, genauer gesagt, der Aldi-Präsenz in Österreich, erschien. 

Erzürnte Reaktionen im Lager der Supermärkte

Schon seinerzeit, als Lidl mit zahlreichen Markenartikeln im Gepäck seine Österreich-Expansion startete, bekamen die Key Account Manager der Multis den Groll der Supermarktketten zu spüren. Chefs aus der Markenartikelindustrie mussten sich damals bei einem Handelsforum in Fuschl von einem Handelsboss anhören, welche Top-Marken „nichts bei Lidl verloren hätten“. 

Wie nicht anders zu erwarten, haben die Einkäufer der Vollsortimenter auf Hofers Markenartikeltrip nicht minder heftig reagiert. Branchenkenner berichten, dass in Salzburg die Erregung größer war, als in Wiener Neudorf.  

Verständlich, denn ein Blick auf die Ladenstandorte zeigt, dass Spar und Hofer in den westlichen und südlichen Bundesländern eine große gemeinsame Schnittmengen bei den Käuferreichweiten aufweisen, während die Rewe und Hofer im Großraum Wien, der stärksten Umsatzbastion von Billa und Merkur, einander weniger in die Quere kommen. Und ein Handelsriese, der mit dem Format Penny dem Markendiscount frönt, kann nicht gut den Beleidigten spielen, wenn es ihm Aldi/Hofer gleichtut. Allerdings: Penny setzt mehr auf B-Marken, Hofer forciert A-Marken.

Früher, als Vollsortimenter und Hard Discounter noch recht unterschiedliche Sortimentsstrategien fuhren, kam es an vielen Peripherie-Standorten zu symbiotischen „Zweckehen“. Man profitierte wechselseitig von der Kundenfrequenz des „Komplementäranbieters“ Hofers Frischwaren-offensive samt Backbox beeinträchtigen diese einst gut nachbarlichen Beziehungen schon seit langer Zeit, die Markenartikel-Einlistungen sorgen für weiteren Zündstoff. 

Reaktion der Hofer-Konkurrenz: Verbissen oder clever?

Wie aber reagieren? Im Vordergrund standen und stehen preistaktische Maßnahmen. Als Hofer Markenartikel einlistete, griffen die Vollsortimenter zu folgenden „Sanktionen“:

o Man forderte Konditionsverbesserungen, die dem Supermarkt bei den betreffenden Marken Dauertiefpreise auf Hofer-Niveau ermöglichten.

o Man straffte die Sortimente und reduzierte die Zahl der Facings der Marken, die mit Hofer „fremdgingen“.

o Markenartikler, die bei Hofer Einzug hielten, wurden mit neuen Premium-Eigenmarken „abgestraft“.

o Gleichzeitig kamen verstärkt Price off-Aktionen zum Einsatz, wobei der Aktionspreis unterhalb des Hofer Dauerdiskontpreises lag.

Wie sehr sich dieses Reaktionsmuster bei den Supermarktketten in Deutschland wiederholte, zeigt folgendes Zitat aus der LZ vom 29. Juni 2018. Befragt nach seiner Antwort auf die Discounter-Listung von Marken der Kategorie „gekühlten Frischwaren“, erklärte „Hit“-Markt –Kaufmann Jürgen Pitz: „Das geht über die Zentrale. Da wird dann eine Preisanpassung gemacht. Und sonst werden die Produkte über das Facing geändert, sodass wir diese Artikel dann nicht mehr so breit haben. Manchmal forcieren wir auch andere Produktgrößen“.

Mit Marken-Price-off Aktionen gegen Hofers Markensortiment anzutreten, dieser Schuss kann sehr leicht nach hinten losgehen. Gestützt auf seine niedrigeren Kosten, sitzt der Discounter bei der direkten Preiskonfrontation meist am längeren Hebel. Und wenn beim Vollsortimenter der Aktionsanteil zulasten des Kurantanteils steigt, ohne dass sich unterm Strich ein Umsatzplus einstellt, kommt der Deckungsbeitrag des Artikels unter die Räder.  

Agieren statt reagieren

Agieren und die eigenen Stärken ins Spiel bringen, ist wohl für die Supermärkte die bessere Strategie. „Appeasement“ –Pakete, wie sie von manchen Multis für den traditionellen Handel geschnürt wurden, setzten auf Maßarbeit bei der Supermarkt-Verkaufsförderung, beispielsweise auf alternative Packungsgrößen. Oder auf Innovationen, die auf jene Shoppertypen zugeschnitten sind, die im Supermarkt Lifestyle-Inspiration und Convenience suchen. Die Digitalisierung versetzt den Händler in die Lage, die riesigen Mengen an Artikel- und Kundendaten zu analysieren und daraus für eine differenzierte Sortiments-, Preis- und Promotionpolitik die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Auswirkungen auf Private Label

Wenn stark beworbene Herstellermarken sich im Discounter-Regal breit machen, dann muss auch die Private Label-Strategie nachjustiert werden. Der Druck auf die Markenartikelpreise führt zwangsläufig quer durch die Ladenformate auch zu einem Druck auf die Preise der Handelsmarken in der Preiseinstiegslage. Was wiederum Markenartikler, die nebenbei auch Handelsmarken produzieren, in eine schwierige Lage versetzt. Marken verlangen nach Innovationsführerschaft, Private Labels nach Preisführerschaft, die Kluft zwischen den beiden Markenmodellen wird größer. Und den Herstellermarken im Niemandsland zwischen Premium Brand und Budget Brand droht ein baldiges Verfallsdatum.

Man sollte aber auch die Kirche im Dorf lassen. Die beiden großen heimischen Lebensmittelhändler, Regional-Filialisten, Kaufleute mit Premium-Ambitionen und Gastro-Großhändler, sie alle sind mit ihren serviceorientierten Formaten gegenüber den stationären Discountern und den anrückenden Online-Discountern gut aufgestellt. Ein Hofer mit 20% Marktanteil im LEH und 20% Umsatzanteil des Markensortiments ist keine Katastrophe, weder für die Konkurrenz noch für die Lieferanten. Alternativen zur Aldinative gibt es in Hülle und Fülle. Und Aldi/Hofer ist ein verdammt seriöses Handelsunternehmen, das mit Augenmaß agiert und seine Sturm- und Drang-Phase schon lange hinter sich hat. Reich sind die Albrecht-Erben ja schon.     

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geschrieben am

18.12.2018