Neue Lieferantengeneration der Startups
Das österreichische Unternehmen Procfit steht für eine Sache: Einkauf. Gründerin Margot Königshofer sieht die wesentliche Kompetenz im "Supply Chain Business Development". Mit ein Grund dafür, warum sie Expertin in Sachen "Beschaffung" ist.
retailreport.at: Wie verändern sich die globalen Lieferketten in Corona-Zeiten? Geht Asia Sourcing zurück?
Königshofer: Unsere Lieferketten haben sich durch Corona zum Erstaunen nicht großartig verändert. Jene Kategorien, die „Asien getrieben“ waren, sind es auch geblieben, wie beispielsweise Kunststoff, Werkzeuge und Elektronik. Und jene Kategorien, die üblicherweise regional und lokal beschafft wurden, blieben auch dort, wie beispielsweise Food und Beverages.
Lässt sich der steigende Umsatzanteil von landwirtschaftlichen Produkten regionaler/lokaler Herkunft im LEH prozentuell festmachen?
Ja, definitiv ist dieser Trend anhaltend präsent. Prozentuell lässt sich das aber sehr schwer beantworten. Bezogen auf unsere Procfit Projekte kann ich sagen, dass 90% aller Kunden, die dann letztendlich auch im LEH (Österreich, Deutschland) gelistet werden, auf regionale/lokale Produktionen zurückgreifen.
Bei welchen Warengruppen Food sind regionale Lieferanten seit Corona stärker gefragt?
Bei folgenden Food Warengruppen sind regionale Lieferanten sehr gefragt, nicht nur seit Corona, dieser Trend zeichnete sich schon zuvor ab und blieb durch Corona unverändert, hat sich teilweise nur noch verstärkt:
- Snackartikel (Obst, Gemüse)
- TK Desserts (bio, vegan)
- Milchdrinks in der Mehrwegflasche (vegan)
Können Sie uns Beispiele von Startups aus der D-A-CH-Region nennen, die ihre kritische Startphase bereits bewältigt haben?
Da gibt es zum Glück einige Beispiele, die mir einfallen. Auf zwei konkrete Fälle möchte ich eingehen:
Mysheepi aus Berlin/Deutschland: https://www.mysheepi.com/: Dieses Startup produziert orthopädische Lifestylekissen. Diese Kategorie erreichte durch Corona enorme Wachstumszahlen. Die Umsätze konnten verdoppelt werden.
Bownce aus Konstanz/Deutschland: http://www.bownce.com/: Ein sehr innovatives Gründerteam mit einem extrem tollen Produkt. Dieses Startup wird in Kürze in eine AG umgewandelt aufgrund zahlreicher Investoren, welche an diese Idee glauben. Viele unterschätzen das Startbudget, wenn man ein Produkt von 0 auf 100 auf den Markt bringen möchte. Viele haben nicht die Totalkosten im Blick und träumen von Kalkulationen, die es nicht gibt. Wenn man wie Bownce ein Produkt launchen möchte, bei dem man es mit Werkzeugen, Kunststoffkomponenten, Elektronik, Entwicklungsarbeit etc. zu tun hat, so geht das schnell in die Millionenhöhe – und dafür benötigt man natürlich externes Kapital, von Investoren/Business Angels.
Wie gut gelingt Startups und regionalen Anbietern der Vertrieb über E-Commerce? Ist Amazon im Internet-Handel nur Konkurrent oder auch (als Plattform) attraktiver Partner?
Darin sind Startups besonders fit – meistens sind die CEO´s und Founder von jungen Companies Sales und E-Commerce Experten. Amazon ist natürlich ein attraktiver Partner von Startups. Aber diese vergleichen die Amazon Tarife ganz genau, kennen den Markt und haben oft Alternativen im Ärmel.
Können Sie uns einen aktuell besonders erfolgreichen heimischen Lebensmittel-Onlinehändler nennen?
Niceshops https://www.niceshops.com/de ist ein sehr bekannter Online Händler mit Fokus auf regionale Produkte mit Sitz in der Steiermark. Dieses Format boomt derart, dass ca. 200 neue Mitarbeiter eingestellt werden, das Unternehmen bereits die 3. Ausbauphase verzeichnet und durch Corona ein Umsatzwachstum im 2- bis 3-stelligen Bereich gegeben ist.
Wie beurteilen Sie die Marktbedeutung der Online-Lieferdienste (Lieferando etc.) die sich zwischen Gastronomie und Konsumenten "zwängen" und dadurch eine Konkurrenz für den LEH in Bezug auf den in-home-Konsum darstellen?
Ich lebe am Land und möchte nicht auf kulinarische Highlights oder andere tolle Produkte verzichten wollen, egal welche Krise da ist oder welche noch kommen wird. Daher begrüße ich alle Online-Lieferdienste. Ich finde auch nicht, dass sich diese irgendwo reindrängen, auch der LEH hat die Chance ein Omnichannel-Geschäftsmodell zu betreiben um mit diesem Trend „mitzugehen“.
Last but not least: Wie verändert sich die Kundenstruktur von Procfit in Zeiten von Corona?
Wir alle wussten nicht, was die so genannte Corona-Krise mit sich bringt. Auch wir bei Procfit waren sehr gespannt – bedeuten die neuen Zeiten nun einen Rückgang in der Gründerszene? Werden nur mehr lokale Produktionen angefragt werden? Zum Glück und mehr denn je gibt es Menschen, die tolle Produktideen haben und diese auf den Markt bringen möchten. Betreffend der Kategorie verzeichnen wir einen sehr starken Zuwachs an Food- und Beverage Ideen – hier tut sich seit Corona noch mehr am Markt als zuvor.
Von einer Sache bin ich ganz fest überzeugt – wir alle werden lernen müssen uns schneller denn je auf Veränderungen einzustellen. Wir müssen anpassungsfähiger, flexibler und kreativer denn je werden. „If you think your training is finished you are not trained but maybe finished.“