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Rewe Group Brennecke und Haraszti

Rewe-Einkauf, ahoi!

Ein Hamburger übernimmt in Wiener Neudorf das Steuerrad im Warengeschäft.

Dr. Hanspeter Madlberger

Mit  der Anfang April in Kraft tretenden Berufung von Jan-Peer Brenneke (*1965)  zum Vorstandsmitglied der Rewe International AG, zuständig für das Warengeschäft aller RIAG-Handelsfirmen, hat der Umbau in den Führungsetagen in Wiener Neudorf nach dem Abgang von Frank Hensel seinen krönenden Abschluss erfahren. Keine andere Managerrochade dürfte für die Geschäftsbeziehung der Rewe-Lieferanten mit dem heimischen LEH-Marktführer nachhaltigere Folgen haben.   

„Wir wollen wieder Wachstumskaiser werden, das waren wir  in den vergangenen Jahren nicht“. Dieses Statement von Marcel Haraszti, der bislang im RIAG-Vorstand  das Warengeschäft zu seinen Ressortagenden zählte, beinhaltet eine klare Kursvorgabe an den  Kollegen, der diese Aufgaben demnächst übernimmt. Der bisherige Karriereweg des gebürtigen Hamburgers rechtfertigt eine Portion Vorschusslorbeer.  Nach Stationen im deutschen  Handel, unter anderem bei Spar (!),  Tengelmann und Metro heuerte der Mann von der Waterkant vor zehn Jahren beim Kölner Genossenschaftskonzern an. In seinem ersten Job nahm er die Repositionierung der Toom Baumärkte vor (die seinerzeit im Einkauf mit Baumax kooperierten). Ab 2009 gehörte  er der Geschäftsführung von Penny Deutschland an und war dort für Einkauf und Category Management zuständig. In dieser Funktion war er maßgeblich an der Sanierung des Diskontformats beteiligt, das bei seinem Eintritt noch ein negatives EBITDA in dreistelliger Euro-Millionenhöhe schrieb und 2015 den Turnaround  in die schwarzen Zahlen schaffte. Zuletzt  leitete Brenneke in Köln den nationalen und internationalen Eigenmarken-Einkauf.

Penny Diskont und Eigenmarken-Ressourcing,  in diesen beiden Geschäftsfeldern verfügt  Brenneke über die größte Expertise  Bei  genauerer Betrachtung  handelt es sich exakt um jene Bereiche, in denen die Rewe in Österreich noch Optimierungspotential vorfindet. Beim Expansionswettlauf, den Hofer und Lidl einander in den vergangenen Jahren lieferten,  war Penny in mancher Hinsicht  nicht der lachende, sondern der leidende Dritte. Vor ein paar Jahren lagen Penny und Lidl beim Umsatz und damit beim Marktanteil gleichauf, seither ist die Schwarz-Tochter  davongezogen, der Marktanteilsrückstand von Penny dürfte aktuell bei knapp zwei Prozentpunkten liegen. 

Lassen sich die Erfolgsrezepte von Penny D auf Penny A übertragen? 

Brenneke hebt hervor, dass Penny sich beim nördlichen Nachbarn vor allem als urbaner Diskont-Nahversorger mit ausgeprägtem Frischesortiment und einem hohen Regionalprodukte-Anteil von den beiden, zu globaler Größe aufgestiegenen Diskontgiganten unterscheidet. Bei Penny Österreich gab es zwar bisher schon Ansätze  einer verstärkten  rotweißroten Positionierung (etwa mit der Frischwaren-Eigenmarke Ich bin Österreich), aber hier besteht noch Ausbau- und Nachschärfungsbedarf. Zumal Hofer mit Zurück zum Ursprung und Lidl mit Heimvorteil und Herz für Österreich zuletzt  deutlich stärkere kommunikative Akzente setzten. Ein deutliches Handikap hat Penny Österreich im Eigenmarken-Sektor deshalb, weil für die beiden Top Private Labels des Konzerns, nämlich  Ja!Natürlich und Clever im Diskontformat ein Hausverbot gilt. Der Zangenstrategie aus Preiseinstiegs- und Premium-Eigenmarken, die von Billa, Merkur, Spar und Hofer intensiv genutzt wird, hat Penny Österreich daher wenig entgegenzusetzen. Da ist die Schwester Penny Italia wesentlich besser dran, die neuerdings mit ihrer Bio Marke Natura è gegenüber Newcomer Aldi und Italien-Fixgröße Lidl groß auftrumpft.  Natura è, bietet zu 100% Produkte italienischen Ursprungs, die nur aus umweltverträglicher Landwirtschaft stammen, wobei auch die Biodiversität respektiert wird.
Im Unternehmensverbund mit Billa, Merkur, Adeg und Bipa  befindet sich Penny Österreich wegen des hohen konzerninternen Verdrängungswettbewerbs in einer besonders schwierigen Situation, was die Umsatzentwicklung betrifft. Hinsichtlich der Ertragslage ist Penny International, mit RIAG-Vorstandsmitglied Michael Jäger an der Spitze, auf der sicheren Seite, die Firmengruppe schreibt regelmäßig schwarze Zahlen.    

Koordinator und Effizienz-Steigerer

Brenneke sieht die Schwerpunkte seines neuen Jobs in Wiener Neudorf vor allem in der  Koordination bei der Warenbeschaffung (Stichwort: Eigenmarken-Sourcing),  in der Prozessoptimierung, der Kosteneinsparung durch Vereinheitlichung. Das klingt vielleicht etwas technokratisch, ist aber für den Erfolg eines so komplexen, stark strukturierten Unternehmens wie der Rewe Group von zentraler Bedeutung. Gerade in Österreich, wo die Rewe  als Marktführer im LEH (mit einem ungleich höheren Marktanteil als in Deutschland!) diese Stellung ihrer Vertriebslinien-Vielfalt verdankt und zugleich damit der Konkurrenz die meisten Angriffsfläche bietet. 

Relaxter Zugang zu Eigenmarken

Aus Sicht der Lieferanten nimmt Brenneke, der sich mit seiner Coolness und seinem verbindlichen Auftreten  als dialogfähiger Gesprächspartner präsentiert, eine zentrale Position im Warengeschäft der Rewe Firmen ein. „Hart aber fair“, so beschreibt er seine Verhandlungsmaxime in Konditionsfragen. Bei den anstehenden Jahresgesprächen wird er als oberster Einkaufschef, zusammen mit den beiden Zentraleinkaufs-Direktoren Mag. Josef Siess (Trockensortiment) und Alfred Probst (Frischware) ein  starkes Verhandlungstrio  anführen. Besonders jene österreichischen Hersteller, die sich, parallel zur Markenartikelgeschäft  auch als Lohnproduzenten für Handelsmarken  betätigen, werden es zu schätzen wissen, dass der neue Mastermind des Rewe-Einkaufs, anders als manche seiner Mitbewerber einen relaxten, undoktrinären Zugang zum Verhältnis zwischen Hersteller- und Handelsmarke hat. 

Faires Verhältnis zur Landwirtschaft

Aus seiner deutschen Penny-Vergangenheit heraus bringt Brenneke eine positive Einstellung gegenüber der lokalen Landwirtschaft (Stichwort: Anbauverträge) und  regionalen Lebensmittelproduzenten entgegen. Da ihm auch die Rewe-Produktionsbetriebe (Fleisch/Wurst, Weinkellerei) unterstellt sind, bringt er gute Voraussetzungen mit, einen größeren Beitrag der Rewe zu einer „Austrian Food Supply and Value Chain“ zu leisten. Für Rückwärtsintegration  im Frischwarengeschäft steht auch die von Deutschland aus gesteuerte  Beschaffungstochter Eurogroup, die hauptsächlich den Obst- und Gemüseimport aus den Mittelmeerländern betreibt. Bei der Gestaltung und Preispolitik  für das Grüne Sortiment in Zusammenarbeit mit Eurogroup die richtige, sprich konsumentenfreundliche und nachhaltige  Balance zwischen Inlands- und Importware zu finden, ist eine ebenso heikle wie lohnende gemeinsame Hausaufgabe für Brenneke und Zentraleinkäufer Probst.    

Nein, es gibt zurzeit keine Anzeichen dafür, dass mit dem Wechsel an der Spitze des Rewe-International- Einkaufs bei der Nummer Eins der Branche „deutsche Verhältnisse“  Einzug halten. Die klar festgelegte Arbeitsteilung zwischen Lionel Souque (* 1971), der als CEO des Rewe Konzerns für das Deutschland-Geschäft verantwortlich zeichnet und dem Vorstands-Vize Jan Kunath (*1965), dem der Rewe Handel im Ausland, sprich die Rewe International AG unterstellt ist, unterstreicht die Eigenständigkeit der RIAG. Und ihrem, in Wiener Neudorf residierenden Vorstand, dem Brenneke jetzt als sechstes Mitglied neben Marcel Haraszti, Janusz Kulik, Christoph Matschke, Michael Jäger und  Franz Nebel angehört.  Übrigens leitet Kunath in Köln  auch das Ressort Digital. Im Online-Wettbewerb mit Amazon wird er von Christoph Matschke unterstützt, der in Wien, genauer gesagt, am Wienerberg einen digitalen Braintrust dirigiert.  

„Unsere“ Rewe wird nicht „deutscher“, aber „europäischer“ 

Die in Brüssel ansässige Tochter EURELEC, eine gemeinsam von  Rewe und Leclerc betriebene Europa-Einkaufsplattform dürfte mit Sicherheit auch auf der Agenda der Jahresgespräche stehen, die Brenneke und sein Team schon demnächst mit den Verkaufschefs der Austro-Töchter von Unilever, Procter, Nestlé und Co. führen werden. „Wir sind sehr zufrieden mit EURELEC“ gibt er sich diplomatisch. Vorlaute Journalisten-Anfragen über die Höhe allfälliger in Brüssel ausverhandelter  on-Top-Konditionen  bleiben unbeantwortet. Im  Ranking der umsatzstärksten Lebensmittelhändler Europas liegt die Rewe beim Markenartikelgeschäft deutlich hinter der Schwarz-Gruppe. So wie die Edeka als starker Partner des Einkaufsverbunds Agecore kämpft die Rewe mit EURELEC darum, bei den Konditionen der Multis mit der Schwarz-Gruppe einigermaßen gleichzuziehen.  Kontroversen zwischen  Edeka und Nestlé  sowie zwischen  Kaufland und  Unilever zeugen von der  Heftigkeit des Konditionen-Gerangels zwischen den Big Players des Handels und der Industrie auf europäischer Ebene. Im Vergleich dazu, geben sich die Einkaufsherren der Rewe  betont zurückhaltend. Auf die LV-Preisunterschiede zwischen Deutschland und Österreich angesprochen, sagt  Brenneke, er gehe nicht davon aus, dass dabei unterschiedliche Industrie-Abgabepreise eine bedeutende Rolle spielen. Ein Statement, das sich vom Vorwurf des Geo-Blocking, den Mitbewerber Spar vergangenes Jahr im retailreport.at erhob, deutlich unterscheidet.  

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geschrieben am

27.02.2019