"Handel ist bunt und vielfältig"
Die Funktion des Obmannes des gesamten Handels in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) zu übernehmen, ist aktuell mit Sicherheit herausfordernd. Rainer Trefelik (49) kommt hier mit viel Erfahrung im Gepäck an den Start und übernimmt ein engagiertes Team. Peter Buchmüller, sein Vorgänger in dieser Funktion und nun Präsident der Wirtschaftskammer Salzburg (WKS), ist Lebensmittelhändler. Rainer Trefelik führt seit vielen Jahren ein hoch angesehenes Mode-Familienunternehmen in der Wiener Innenstadt. Viele fragen sich fragt sich nun: Was wird der neue Handelsobmann neu, anders machen?
„Der Handel erlebt aktuell durch die Corona-Krise - aber nicht nur dadurch - einen gravierenden Wandel“, so der neue Sprecher des österreichischen Handels. Bereits vor der Ausübung seiner neuen Funktion stellte sich Trefelik die Frage, wie man gewachsene und tradierte Geschichte mit eigenen Akzenten vereinbaren kann. „Im Laufe der Jahre haben sich Arbeitsweisen entwickelt, die eine wichtige Basis waren, aber nicht mehr State of the Art sind. Dann kam auch noch Corona. Ich bin vor diesem Hintergrund dafür, die Zukunft innerhalb eines gewissen Spielraums breiter zu denken“, so Trefelik.
Corona hat das Spielfeld verändert
In den Augen vieler Händlerinnen und Händler ist die Corona-Krise natürlich eine wirtschaftliche Katastrophe und es muss geholfen werden. Aber diese Krise hat auch das Spielfeld komplett verändert. „In sehr vielen Bereichen im Handel und in der Gesellschaft werden wir uns schwer tun, vor und nach Corona gleich zu denken. Deshalb erlaubt uns die neue Situation an die Dinge anders heranzugehen“, konstatiert Trefelik.
Was meint der Handelsobmann damit? Es gibt viele Dinge, die Rainer Trefelik in diesem Zusammenhang anspricht:
Da sind zuerst einmal die Verhandlungen für einen neuen Kollektivvertrag im Handel für 2021, die ja im Herbst 2020 wieder starten. Handelsobmann Rainer Trefelik ist der neue Chefverhandler auf Arbeitgeberseite, im Verhandlungsteam gibt es die eine oder andere personelle Veränderung. Die Vorboten der KV-Verhandlungen sind heuer ganz besondere – man denke an die Diskussion um die so genannte Maskenpause der Mitarbeiter. „Es ist ein anderes Setting, in dem wir uns befinden und daher ist auch eine neue Offenheit mit dem Gesprächspartner erlaubt.“ Der Druck in den Mitgliedsbetrieben ist sehr hoch, denn das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) prognostiziert für heuer einen Einbruch der Wirtschaft von 5,25 % bis 7,5 %. „Diese Zahlen sind unvorstellbar. Hat man vor einigen Jahren ein Minus von 0,1 % angekündigt, sprach man von Krise. Und heute haben wir diese Krise tatsächlich. Denn hinter all diesen Minus-Zahlen stehen Unternehmer, die existenzielle Sorgen haben. Für sie verhandeln wir den Lohnabschluss“, sorgt sich Trefelik. Im Übrigen: Mit 1. Dezember 2021 besteht die letzte Möglichkeit für den Umstieg auf den neuen KV.
Dazu kommt, dass diese Negativ-Zahlen im Bereich Handel keine Aussagekraft haben. Manche Händler erleben ein Minus von 30,9 %, manche spürten wenig Veränderung und einige hatten ein Plus von etwa 10 %. „Nimmt man nun den Durchschnittswert, so landet man bei 4,2 % - das sagt aber absolut nichts aus.“
Das zeigt sich etwa im Modehandel - was macht eine Modehändlerin, ein Modehändler mit Kurzarm-Blusen, wenn der Winter naht? Doch da gibt es jetzt gute Nachrichten: „Wir haben gekämpft und jetzt kann auch für saisonale Ware ein Fixkostenzuschuss aus dem Corona-Hilfsfonds beantragt werden“, zeigt sich Rainer Trefelik erfreut.
Der Handel in Österreich - bunt und vielfältig
Es ist eine große Herausforderung, in die einzelnen Handelsbranchen hineinzuschauen und auf Spezifika bestmöglich Rücksicht zu nehmen: „Der Handel in Österreich ist bunt und vielfältig, hat eine enorme Bandbreite, und zwar sowohl bei Waren- und Dienstleistungsangeboten, bei Art und Größe der Geschäfte und bei anderen Distributionskanälen. Wir gehen viele Wege zu den Kundinnen und Kunden“, sagt Trefelik.
Die Unbeschwertheit ist uns genommen
Eine weitere Herausforderung ist die vielfach besorgte und bedrückte Stimmung der Bevölkerung, die teilweise auch medial verstärkt wird. Eine negative Grundstimmung ist für den Handel nie gut. Auch krisenresistentere Branchen wie etwa der Lebensmittelhandel sind nicht homogen - es gibt Lebensmittelketten, kleine Selbstständige, Imbisse, Take-Aways. Sie alle mussten in Zeiten von Corona massiven Aufwand betreiben, um alle Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Das wird sich im Herbst wohl nochmals verschärfen.
„Als Historiker tut man sich immer leichter als als Prophet“, sagt Trefelik. „Wir erleben permanent eine Art ‚work in progress‘ und gehen mit sehr viel Sensibilität an unser Tun heran und werden das auch in Zukunft tun.“
Arbeitsplätze erhalten
Eines der Hauptziele des Handels ist es, Arbeitsplätze zu sichern und zu erhalten. Das ist keine Schönfärberei, sondern man ist überaus bemüht, seine Mitarbeiterinnen weiter zu beschäftigen. „Tatsache ist: Wir wollen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten und haben in manchen Bereichen sogar mehr aufgenommen als bisher.“
Und weiter: In der Interessenvertretung des Handels ist man etwas irritiert über das Thema „Pause von der Maske“: Denn zum einen würde eine Maskenpause für Mitarbeiter Mehrkosten von 20 Millionen Euro pro Monat für den Handel verursachen, zum anderen sind die Sicherheitsvorkehrungen für die Beschäftigten im Handel ohne Maske auch jetzt schon sorgfältig umgesetzt (Plexiglasscheiben, Desinfektion, …). Aus psychologischer Sicht und als Vorbote für die KV-Verhandlungen könne man mit den Diskussionen leben, aber dem Handel in Wahrheit alle Vorkehrungen als Last umzuhängen – das ist Sicht des Handelsobmanns nicht in Ordnung.
Zusammenfassend könne man aber sagen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern und allen Beteiligten aus der Politik in den letzten Monaten extrem gut funktioniert hat. „Denn all das, was man derzeit macht, ist Symptombekämpfung, da ja niemand weiß, wann wir eine medizinische Lösung gegen das Virus erhalten. Und davon wird alles abhängen“.
Online und offline
Ein wichtiger Bereich, den man neu denken muss, ist die Digitalisierung. „Wir alle akzeptieren ‚online‘ als Faktum, aber in Wahrheit verändert sich damit im Handel alles: Transparenz, Preise, Rabattschlachten und vieles mehr“, so Trefelik. Mit dem Internet habe man den Kunden zur Rabattsuche erzogen, und das werde auch weiter verstärkt.
Man steht vor der Frage, wie man Betriebe - auch kleine - fit für die Digitalisierung macht. „Dazu zählen aber viele Faktoren: Präsenz, Kosten, Marketing, Traffic und schließlich der Kauf und die Bezahlung bis hin zu den vielen Rücksendungen. Da nützt es wenig, wenn man auf die Straße geht, um für die Umwelt und Nachhaltigkeit zu demonstrieren und dann mit dem High-End-Smartphone online Produkte bestellt“, gibt Trefelik zu bedenken. „Ich wünsche mir viel mehr wirtschaftliches Verständnis und eine entsprechende Ausbildung in Schulen und Ausbildungsstätten.“
Rahmenbedingungen anpassen
Nicht zuletzt geht es auch um faire Rahmenbedingungen für den heimischen Handel. Diese sind vielfältig. „Wir müssen über eine weitere Flexibilisierung nachdenken dürfen“, so Trefelik, der auch die leidige Debatte rund um eine Sonntagsöffnung anspricht: „Es braucht Fairness für den stationären Handel sowie eine generelle Lösung und klare Kommunikation den Konsumenten gegenüber“.
Die unternehmerische Freiheit gelte es zu fördern und zu unterstützen. Denn: Die reine Bedarfsdeckung wird uns nicht mehr den Wohlstand bringen und sichern, den wir bis dato gewohnt sind. Und wir müssen uns im internationalen Vergleich mit anderen Weltstädten sehen. Online sind Waren 24/7 an sieben Tagen der Woche verfügbar, der stationäre Handel kann mit anderen Vorteilen punkten wie etwa individueller Beratung, die Möglichkeit, Waren anzuprobieren und bei Bedarf ändern zu lassen und vielem anderen mehr. Neue Methoden und Tools bringt der Handel, sofern sie dem größtmöglichen Kundennutzen dienen, gerne zum Einsatz. In vielen Fällen fungiert der Wirtschaftszweig als Innovationstreiber. Vor diesem Hintergrund plädiert Rainer Trefelik, der Sprecher des Handels in Österreich, dafür, „dass wir die Corona-Krise dazu nutzen, dem Handel in Österreich neue Wege zu eröffnen.“