Inflation pusht Gastro GH-Umsätze
Bericht: Hanspeter Madlberger
Österreichs Gastro-Großhandel darf vorerst aufatmen. Nach den beiden Lockdown Jahren 2020 und 2021 geht es heuer beim Umsatz wieder aufwärts. Wie uns GastroData, gestützt auf sein sehr repräsentatives GastroPanel (R) berichtet, steigen die Verkaufserlöse im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 6%. Umsatz-Spitzenreiter nach Bundesländern ist Tirol, vor Wien und Niederösterreich. In Kärnten hat das Geschäft mit +12,4 % besonders stark zugelegt, im Burgenland steigerte der Gastro-GH seine Umätze um 11,9%, in Oberösterreich um 8,9%, Wien ist Schlusslicht mit - 1,7%.
Bitterer Wermutstropfen: Wie verschiedene Panel-Teilnehmer einhellig erklärten, ist das Umsatzplus weitgehend auf die Inflation bei den Preisen auf b2b-Ebene zurückzuführen. Das reale Wachstum blieb bescheiden. Leider gibt es keine zuverlässige Inflationsmessung auf Ebene der zweiten, aber wichtigen Food-Distributionsschiene.
Bei ihrer Preispolitik stehen Metro, Transgourmet und Kollegen vor einem Dilemma. Zum einen sind sie aus betriebswirtschaftlichen Gründen gezwungen, Preiserhöhungen ihrer Vorlieferanten und eigene Kostenerhöhungen (Transportkosten bei der Zustellung) in ihrer Kalkulation unterzubringen. Zum anderen müssen sie ihren Lieferanten aus der Industrie ein kostengünstiges Distributionsmodell in Richtung Gastronomie anbieten, als Alternative steht den Produzenten immer noch die Direktbelieferung von System- und Individualgastronomie (z.B. in Zusammenarbeit mit der Einkaufsgenossenschaft Hogast) offen.
Vor allem aber setzt der Wettlauf um die zahlreichen AGM-Zustellkunden die Metro und die Metro-Konkurrenz (Transgourmet, Eurogast, Kastner, Wedl, etc.) gleichermaßen unter Leistungsdruck. Wer bietet das bessere Service, wer bietet günstige Schnäppchenpreise? Aus früheren "Kundenübernahme"- Kommandoaktionen liegt der Erfahrungswert vor, dass bei Kauf eines Gastro-Großhandelsunternehmens maximal 70% der Kunden "bei der Stange bleiben", der Rest entscheidet sich für einen Lieferantenwechsel.
Zustell-GH legt um 10,2% zu und erreicht im Juni Rekordanteil von 71%
Das Gastro-Zustellgeschäft (auch Foodservice genannt) boomt und erreichte laut Gastro Data im ersten Halbjahr 2022 ein Plus von 10,2%. Die Zustellquote übertrifft bereits jene aus vor-Corona-Zeiten, im Juni wurde ein Rekordwert von 71% erreicht. Im Gegenzug schrumpfte der Abhol-GH im 1. JJ 2022 um 3,1%, der Anteil der C&C-Abholung sank im Juni auf 29%. Angesichts dieser Entwicklung geht es aus Metro-Sicht in diesen Monaten wohl vor allem darum, die "Umwandlung" der AGM-Kunden in zuverlässige Metro-Kunden möglichst rasch in trockene Tücher zu bekommen. Neben der Verdichtung des Standort-Netzes von 12 auf 19 Betriebe war es ja das zweite, große Ziel des Metro-AGM-Deals, die niedrige Zustellquote der Metro-Betriebe durch die deutlich höhere der übernommenen AGM- Betriebe "aufzupäppeln". Die Konkurrenz setzt alles daran, um das zweite Ziel durch die Abwerbung bisheriger AGM-Zustellkunden zu vereiteln. Und die großen Getränke-Konzerne, die die Gastro direkt beliefern, sehen sich dieses Schauspiel genüsslich aus der "ersten Reihe fußfrei" an.
Wer bekommt Klagenfurt? Chefs Culinar oder Alpin Gastro Markt?
Was die Standort-Neubesetzung betrifft, steht im Fall des AGM Betriebes Klagenfurt (der seit vielen Jahren im Zustellgeschäft exzellente Arbeit leistete) die Entscheidung noch aus. Wen die Metro in der Lindwurm-Stadt als neuen Mitbewerber erhält, darüber brodelt die hochsommerliche Gerüchteküche. Zwei Namen werden von Beobachtern lanciert. Da ist zum einen vom deutschen Foodservice Großhändler Chefs Culinar die Rede, der bereits über ein Auslieferungslager in Hallein verfügt und außerdem von seiner süddeutschen Niederlassung in Zusmarshausen mit Stützpunkten in Baienfurt und Traunwalchen zahlreiche Gastro-Kunden in Westösterreich beliefert.
Chefs Culinar (mit einem Sortiment von 25.000 Food und Nonfoood-Artikeln, darunter Frischfleisch und zwei Eigenmarken-Linien) ist eine Tochter der Citti Einkaufszentren, diese wiederum gehören der weit verzweigten deutschen Bela-Gruppe an. Hervorgegangen aus dem norddeutschen Familienunternehmen Bartels & Langness, ist Bela mittelständisches "Urgestein" der Markant-Gruppe. Chefs Culinar-Betriebe sind ausserhalb Deutschlands auch in den Niederlanden, Polen und, bisher mit einem Fuß, in Österreich tätig. Der Stützpunkt Klagenfurt könnte nach Expertenmeinung der Türöffner für den Eintritt in den Alpe-Adria-Raum sein. Aus Sicht der Wettbewerbshüter hätte ein neu auftretender Player einigen Charme, weil dadurch der Konzentrationssschub in der Branche ein wenig gebremst würde.
Anders verhält es sich für den Fall, dass eine österreichische Handelsgruppe den Zuschlag für AGM Klagenfurt erhält. Kolportiert wird in diesem Zusammenhang das frischgebackene Eurogast-Mitglied Alpin Gastro Markt (ehemals AGM Zell am See). Eine reibungslose "Hofübergabe" dürfte in diesem Fall gewährleistet sein, denn die AGM-Gruppe aus dem Pinzgau (mit fünf Standorten in Altenmarkt, Gasteinertal, Hall in Tirol, Zell am See und Salzburg) arbeiteten, bis vor kurzem mit dem AGM Kollegen in Kärnten erfolgreich zusammen. Aus Sicht der Rewe, die damit das Problem der AGM-Liquidation endgültig vom Tisch hätte, wäre die Übernahme des Betriebs in Klagenfurt durch das Familienunternehmen Alpin Gastro Markt (im Eigentum Salzburger Adeg-Kaufleute!) sicher die perfekte Lösung. Zuvor ging schon der AGM-Bludenz an ein anderes Eurogast-Mitglied, die Firma Grissemann mit Stammsitz in Zams. Unterm Strich wäre daher die Eurogast-Gruppe mit der Übernahme von insgesamt sieben AGM-Standorten (inklusive Klagenfurt) neben der Metro der zweite große Gewinner der AGM-Aufteilung. Der AGM Wolfsberg eröffnet am 2. November unter Kastner-Flagge.
Österreichs Gastro Großhandel sortiert sich in herausfordernden Zeiten neu. Ein nach Corona wieder erstarkter Tourismus gibt Hoffnung , dass die heimischen Familienunternehmen trotz des Konzentrationsschubes im Geschäft mit der vielgestaltigen Gastronomie ihre regionalen Stärken weiterhin ausspielen können.