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Handelsverband Tag des Handels

Das war der Tag des Handels

Aus dem Standorttag des Handelsverbandes entwickelte sich jenes Format für Händler und die FMCG-Branche, das nicht nur heiße Themen anspricht.

Am 27. September 2018 schaffte der ehemalige Standorttag, nun „Tag des Handels“ einen Besucherrekord. 180 Personen aus dem Handel in Österreich kamen in die Albert Hall in Wien, um die brisanten und oft diskutierten Themen des Handels zu diskutieren: Zusammenarbeit Landwirtschaft und Handel, eine mögliche Überarbeitung der Raumordnung, Entwicklung von e-commerce und die Auswirkung auf den stationären Handel, aber auch Logistik und rechtliche Themen. 

Die Themen „Standortentwicklung & e-Commerce, Raumordnung und rechtliche Entwicklungen für den Handel“ werden in Kürze hier detailliert behandelt.

Zwei wesentliche Punkte möchte ich hervorheben:

Ein neues Siegel für den heimischen Händler und die Verleihung des ersten österreichischen Handelspreises. 

Ein neues Siegel für heimische Händler

"Retail verändert sich disruptiv, und damit auch der Standort Österreich", so leitete Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des österreichischen Handelsverbands den Tag des Handels 2018 ein. " Allen Händlern mit Sitz und Gewerbeschein in Österreich steht das Siegel zum kostenlosen Download bereit. Eine wichtige Maßnahme gegen den Kaufkraftabfluss und für mehr Transparenz für die Konsumenten.

Luis Drexel erhält den Österreichischen Handelspreis

Einer der Höhepunkte des "Tag des Handels" war die Vergabe des österreichischen Handelspreises für herausragende Leistungen im heimischen Handel. Die Auszeichnung wurde heuer an eine Persönlichkeit verliehen, die den österreichischen Handel entscheidend geprägt und gestaltet hat: Luis Drexel. Der Vorarlberger LEH-Pionier war fast 20 Jahre lang Vorstandsvorsitzender der Spar AG Österreich und 10 Jahre lang Präsident des Aufsichtsrats. Luis Drexel hat die heimische Handelsbranche bereichert wie niemand sonst, mit Spar hat er ein großes Stück Handelsgeschichte geschrieben. 

Die Laudatio auf den Preisträger hielt der Wirtschaftsjournalist Hans-Peter Madlberger. "Luis Drexel und seine Spar stehen für Normalität, für Fleiß und Ausdauer. Luis Drexels Spar ist nicht  ausserordentlich. Sondern über die Maßen ordentlich, diszipliniert und solide. Das begründet ihren Langzeiterfolg. Er ist der Mann, der Spar zum European Player im Lebensmittelhandel gemacht hat", lobte Madlberger.

Dr. Gerhard Drexel, Sohn des 94-jährigen Luis Drexel, heute Vorstandsvorsitzender von Spar und selbst eine Legende in der Branche, nahm die Auszeichnung stellvertretend für seinen Vater entgegen. Er verlas im Anschluss auch einen persönlichen Dankesbrief, der im Saal für große Begeisterung und Emotionalität sorgte. 

Landwirtschaft und Handel

Im Moment sind sich Landwirtschaft und Lebensmittelhandel nicht 100%ig „grün“, möchte man meinen. Am „Tag des Handels“ zeugten die jeweiligen Vertreter zwar von größter Höflichkeit untereinander, doch es brodelt. Wenn man sich Pressemeldungen der vergangenen Tage ansieht, so möchte man meinen, dass der Lebensmittelhandel die fünfte Macht in Österreich ist und die Landwirte sehr unterdrückt. 

Die Ansichten müssen vielfältig betrachtet werden. Am Tag des Handels haben über die weitere Zusammenarbeit zwischen LH und Landwirtschaft diskutiert: Elisabeth Köstinger (Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus), Frank Hensel (Vizepräsident Handelsverband), Hannes Royer (Land schafft Leben) und Martin Unger (Contrast EY).

Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger, selbst auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen, gab zunächst ein Update über die jüngsten Gespräche beim informellen Rat der EU-Landwirtschaftsminister in Schloss Hof: "Wir sprechen von GAP, der gemeinschaftlichen Agrarpolitik in Europa. Politisch und budgetär ist nur die Agrarpolitik in der Hand der EU, alles andere liegt bei den Mitgliedsstaaten. Das macht es so schwer." Die große Herausforderung in Österreich? Das Bauernsterben (jeden Tag sperren in Österreich 10 bis 12 Betriebe zu) zu stoppen. "Die Landwirtschaft ist extrem im Wandel. Vor allem kleinere Strukturen und Bergbauern in benachteiligten Regionen haben es schwer, zumal ihnen oft das Budget für Investitionen fehlt", so die Ministerin, "jeder Betrieb, der zusperren muss, ist eine Katastrophe".

"Eine Partnerschaft funktioniert nur, wenn beide Seiten davon profitieren. Genau so ist es bei der langfristig gewachsenen Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel", erklärte Frank Hensel, langjähriger Vorstandsvorsitzender von Rewe. "Unser gemeinsames Interesse – die Wertigkeit unserer Lebensmittel – müsste alle in der Produktions- und Lieferkette vereinen, auch die Politik." Daher könne man dem Handel auch nicht die alleinige Verantwortung für die Aufklärung der Konsumenten übertragen. "Für viele Konsumenten gibt es aber auch – ökonomisch bedingt – den Zwang zum Billigeinkauf. Nicht jeder kann sich Bio leisten", gab Hensel zu bedenken.

Zu bedenken ist auch, dass der Handel oftmals zur Rechenschaft gezogen wird bzw. als Buh-Mann dargestellt wird, obwohl im Außer-Haus-Verzehr und in der Gastronomie (außer in der gehobenen Gastronomie) die Rückverfolgbarkeit praktisch nie gegeben ist. Handel ist ein Kampf um den besten Preis, wenn auch die Produkte noch so nachhaltig oder Bio sind. Der Wettbewerb ist in dieser Branche besonders hart.

Die „Unfair Trading Practices“  (UTP) sind momentan in aller Munde. Wird die kleinstrukturierte Landwirtschaft vor den Einflüssen des Handels europaweit geschützt, so könnte sich dieser Schutz auch auf FMCG-Unternehmen bis hin zu Konzernen ausweiten – eine Situation, die mit Sicherheit nicht fair ist, wenn man sich die Margen der Händler (im Durchschnitt 1,5%) im Vergleich zu jenen großer Konzerne ansieht (liegen im Schnitt bei 20%). Man muss abwarten, wie sich die Situation entwickelt: In einem Berichtsentwurf des EU-Parlaments ist jedenfalls vorgesehen, dass FMCG-Player vom Schutzumfang der Richtlinien UTP umfasst sein sollen. 

"Österreich verfügt über eine sehr hohe Qualität, sowohl in der Landwirtschaft, als auch im Handel, dennoch gibt es Potenzial für Optimierung, nicht zuletzt in der Bewusstseinsbildung beim Konsumenten", meinte Berater und Handelsexperte Martin Unger. Er wies auf die vielen Erfolgsgeschichten im heimischen Handel – von Bio & Regionalität über die Verbannung von Käfig-Eiern bis zum Qualitätsprodukt Wein – hin und plädierte für ähnliche Anstrengungen auch im Fleischbereich.

"Für unser Auto nehmen wir schon mal das etwas teurere Öl, aber das Futter für unseren Motor, den menschlichen Körper, soll immer billig sein", bedauerte Hannes Royer, Gründer der unabhängigen Initiative Land schafft Leben, die allgegenwärtige Billig-Mentalität. Sein Ziel: die Konsumenten darüber aufzuklären, wie Lebensmittel heute tatsächlich entstehen – fernab vom Kitsch der TV-Werbung. "Wenn wir unseren Lebensmitteln keine Wertigkeit mehr geben, wird es auch für die heimischen Bauern immer schwerer. Und wir zerstören damit unsere eigene Lebensgrundlage", so Royer. „Wir müssen den Wert der heimischen Lebensmittel wieder kennen- und schätzen lernen“, so Hannes Royer. Mit diesem Statement erntet der Landwirt großen Applaus.

All Eyes on China

Die "Big Ideas Session" von Marcel Münch (DongXii) und Daniel Albrecht (Starke Consulting) stand ganz im Zeichen des Retail-Zukunftsmarktes China. 

"Wir wollen den Osten und den Westen miteinander verbinden. Gerade in China braucht man häufig einen Trade Partner, um überhaupt Zugang zum chinesischen Markt zu erhalten. Bei einem Markteintritt in Asien ist der ROI gerade zu Beginn i.d.R. niedrig, da die initialen Marketinginvestitionen erheblich sein können", gab Marcel Münch, Co-Founder und CEO des deutschen Startup-Wunders DongXii zu bedenken.

Doch auch die Chancen in China sind erheblich: "Bis 2020 wird der chinesische E-Commerce Markt größer sein, als die eCommerce Märkte aller anderen Länder zusammen", so die Einschätzung des deutschen Rechtsanwalts Daniel Albrecht. Der Managing Counsel von Starke Consulting muss es wissen, lebt er doch schon seit Jahren in China, um internationale Unternehmen im E-Commerce-Bereich zu beraten. Albrecht gab auch einen spannenden Einblick in das chinesische Markenrecht, Pekings "Great Firewall" und das Problem der Schutzmarkenbesetzung.

Weitere Details: www.gateway2asia.at

Logistik findet Stadt

Eine Podiumsdiskussion mit Logistik-Schwerpunkt bildete einen weiteren Schwerpunkt. Kommt der Raumordnungstypus Logistikfläche? Wie stark behindern hohe Durchlaufzeiten bei Standortenscheidungen das Wachstum? Wie werden die Ballungszentren das enorme E-Commerce-Wachstum stemmen? Und was kann die EU Kommission beitragen? Nur einige der zahlreichen hochspannenden Fragen, die im Round Table diskutiert wurden.

Walter Trezek von Commerce Logistics Specialists (CLS) kam direkt von einer Arbeitssitzung der EU Kommission im Rahmen der Umsetzung des sog. VAT E-Commerce Package angereist und erläuterte die aktuellen Projekte der Europäischen Union im Bereich des Mehrwertsteuerrechts und der Logistik. "Jetzt ändert sich alles. Künftig werden auch Online-Händler aus Fernost die Einfuhrumsatzsteuer abliefern müssen - die Freigrenze fällt mit 1.1.2021", so der Experte mit 35 Jahren Erfahrung in der Postindustrie.

Jürgen Dachauer, Experte für den Schutz kritischer Infrastruktur im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), erläuterte die wichtigsten Strategien, um die Resilienz in Österreich für heimische Unternehmen zu erhöhen. "Der Lebensmittelsektor ist einer von 12 Sektoren, die bei uns zur kritischen Infrastruktur zählen und daher besonders schützenswert sind", so Dachauer, "angesichts der zunehmenden Vernetzung der Wirtschaft ändert sich nicht nur die Komplexität, sondern auch die Bedrohungslage."

Peter Umundum, Vorstand Paket & Logistik bei der österreichischen Post, referierte über die aktuellen Top-Trends in der Logistik - von der CO2-neutralen Zustellung über autonomes Fahren bis hin zur Erprobung von Drohnen reichte die Palette. Angesprochen auf den baldigen Start von "Amazon Logistics" meinte der Experte: "Amazon ist unser größer Kunde, und wird wohl auch unser größter Kunde bleiben." Anfang Oktober soll Amazon voraussichtlich in Wien mit einer eigenen Zustellung beginnen.

Franz Schwammenhöfer, Leiter der Stabstelle Logistikkoordination im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, brachte u.a. Licht ins Dunkel rund um das Schlagwort "Smart Urban Logistics". Im wesentlichen geht es "um Strategien und Systeme zur Erreichung eines effizienten Güterverkehrs in unseren Ballungszentren. Hier kommen spannende Dinge auf uns zu."

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geschrieben am

03.10.2018