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territoriale Lieferbeschränkung in Diskussion

Geoblocking erhitzt die Gemüter immer mehr

Man muss es ansprechen, es herrscht in Bezug auf territoriale Einkaufsbeschränkungen im Lebensmittelhandel ein Konflikt zwischen Industrie und Handel.

Seit Jahren ist Geoblocking ein großes Thema im Handel. Bereits 2018 hat sich der heutige Marktführer im Lebensmittelhandel, die Spar, über die territorialen Lieferbeschränkungen mit Praxisbeispielen Aufmerksamkeit geschaffen. Für Rewe war die Situation immer ein wenig anders gelagert, da die internationalen Preisverhandlungen mit internationalen Herstellern teilweise nicht in Österreich, sondern in Köln oder Brüssel stattfinden.

Sieben Jahre später, also 2025, beschäftigt das Thema die EU in einem großen Ausmaß. „Territoriale Lieferbeschränkung“ ist zu einem enorm wichtigen wirtschaftlichen und politischen Thema geworden, geht es doch um unterschiedliche Verkaufs-Preise in Europas Supermärkten. Das stößt einerseits der Gewerkschaft auf, die meint die Konsumenten zu vertreten und andererseits ärgert es den Lebensmittelhandel, der sich mit neidischen Augen in Europas Lebensmittelhandel umsieht und erkennen muss, dass so mancherorts die Preise niedriger sind als in Österreich. Jetzt kommt das große ABER: es geht dem österreichischen Handel laut eigenen Aussagen ausschließlich um Produkte und Waren internationaler und globaler Hersteller.

Handelsverband und GPA schießen massiv

In der gestrigen Aussendung, die gemeinsam von Handelsverband und GPA verfasst wurde, ist man sich ausnahmsweise einig: ein EU-weites Verbot territorialer Lieferbeschränkungen wird gefordert – so rasch wie möglich. „Tatsache ist, dass über 90 Prozent der Beschaffung im Lebensmitteleinzelhandel im EU-Binnenmarkt nach wie vor national erfolgt. Das liegt vor allem an den Praktiken der multinationalen Nahrungsmittelindustrie, den EU-­Binnenmarkt entlang nationaler Grenzen künstlich zu segmentieren und so den internationalen Einkauf faktisch unmöglich zu machen“, bestätigt Rainer Will, Geschäftsführer des freien, überparteilichen Handelsverbands. Er führt desweiteren ein Non Food Beispiel an, dessen Preisunterscheid im Einkauf für österreichische Händler bei rund 1,20 Euro liegt. „Die Großhandelspreise in kleinen Ländern wie Österreich sind aufgrund dieser TSC-Praktiken im Regelfall signifikant höher als jene in großen Ländern wie Deutschland“, so Will. Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, will aufgrund von EU-Studien eine Einsparung von 14 Mrd. Euro für Konsumenten wissen, wenn die Lieferbeschränkungen fielen.

Industrie sieht volkswirtschaftlichen Selbstmord

Günter Thumser, Geschäftsführer des Markenartikelverbandes, warnt eindringlich vor einer Eskalation, die Gräben schafft, aber bei weitem nicht die Lösung, die der Handel anstrebt. „Laut Studien des Internationalen Markenartikelverbandes liegen die Einsparungen nicht einmal bei einem Bruchteil der genannten 14. Mrd. Euro. Ich kann deshalb die Aussagen nur als Wutzettel verstehen“, so Thumser. Er befürchtet viel mehr, dass man sich mit dem Beenden der territorialen Lieferbeschränkungen den tiefsten Preis nach Österreich holt, OHNE zu hinterfragen, WOHER die Produkte kommen. „Und mit diesem niedrigsten Preis müssen dann die österreichischen heimischen Hersteller kämpfen und sich konkurrenzieren lassen“, so Thumser. Das ist seiner Meinung nach volkswirtschaftlicher Selbstmord. „Wir wissen doch alle, dass gerade im Osten Europas Produkte deutlich billiger hergestellt werden können, da dort andere steuerliche, soziale und arbeitstechnische Kosten herrschen“, so Thumser. Mit dem Ausschalten der Lieferbeschränkung nimmt man die österreichischen Hersteller mit einem Schlag aus dem Markt. Von Themen, die aufgrund der bisher partnerschaftlichen Verbindungen zwischen Handel und Industrie herrschen, ist ganz zu schweigen: „Wer bewirbt dann die Produkte, die im Regal stehen? Sicher nicht die österreichische Niederlassung. Wer kümmert sich um Nachhaltigkeit, ökologischen Transport und Werbemittel für den Handel?“, fragt sich der Industrievertreter. Der Preis ist in seinen Augen ein Resultat aus vielen Elementen: „Mit der Vorstellung des Handels werden aktuelle Leistungen und Gegenleistungen außer Kraft gesetzt“.

Nicht zuletzt stellt sich Günter Thumser immer wieder die Frage: Warum richtet sich das Bashing immer auf die Industriemarken, während die Eigenmarken des Handels ebensolchen Preisschwankungen über die Landesgrenzen ausgesetzt sind? „Wenn man fair sein will, muss man auch die Handels-Eigenmarken in die Betrachtungen miteinbeziehen“, so Thumser abschließend. 

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geschrieben am

18.07.2025