"Wir sind bereit"
Die Herausforderungen sind vielfältig gewesen, sie kamen aufgrund der Pandemie kurzfristig (Arbeitsbedingungen, Sicherheit, Verfügbarkeit,...), aber gerade das Thema Fleisch ist seit einigen Jahren immer wieder im Brennpunkt: Nachhaltigkeit, Transparenz oder Tierwohl. "Wir sind bereit" sagen die Manager des Familien-Unternehmens: Rudolf und Claudia Berger, sowie Gaby Kritsch. Sie sind bereit, wenn es um die Vorreiterrolle bei diesen Themen geht.
Im Interview mit retailreport.at erklärt stellvertretend für das Unternehmen Mag. Gaby Kritsch, was Corona veränderte und die Zukunft bringt:
Wie hat sich das Unternehmen wirtschaftlich entwickelt?
Mag. Gaby Kritsch: Wir bei Berger Schinken sind sehr stolz darauf, dass sich der namensgebende Schinken auch 2020 ganz hervorragend bewährt und sowohl umsatz- als auch mengenmäßig gut entwickelt hat. Natürlich waren und sind wir gesamthaft betrachtet von der Pandemie betroffen, da wir einen beachtlichen Gastronomie-Anteil am Gesamtumsatz haben. 2020 haben wir mit 550 Mitarbeitenden einen Jahresumsatz von 148 Mio. Euro erwirtschaftet.
Welche Besonderheiten kennzeichnete das Corona-Pandemie-Jahr für einen Fleischbetrieb Ihrer Größe. Was waren die besonderen Merkmale, was war anders?
Die Pandemie und ihre vielfältigen Auswirkungen haben uns gefordert – persönlich, als Familie und als Arbeitgeber. Wir haben umfangreiche Sicherheits- und Testkonzepte eingeführt – im übrigen lange, bevor diese für die breite Bevölkerung angeboten wurden. Ein Gutteil unserer Mitarbeiter in der Zerlegung und Verpackung kommt aus dem benachbarten Ausland – die phasenweise Schließung der Grenzen war herausfordernd. Dank gemeinsamer Anstrengungen konnten wir das gesamte Jahr über unsere Produktion unter den gebotenen Sicherheits- und Hygienebestimmungen aufrechterhalten und liefern. Die Implementierung der umfassenden Corona-Schutzmaßnahmen machen sich natürlich auch finanziell bemerkbar: Um beispielsweise den geforderten Abstand der Mitarbeiter untereinander einzuhalten, mussten wir den Schichtbetrieb ausweiten, dadurch steigen die Lohnkosten. Auch die umfangreichen, wöchentlichen PCR-Testungen aller Mitarbeiter sind kostenintensiv und werden erst seit Kurzem teilweise abgegolten. Natürlich fehlen uns auch die Gastronomie -Umsätze.
Aber bei all dem haben wir unseren Fokus und unsere Energie in unsere Qualitätsoffensiven gelegt und konnten im Vorjahr die ersten Tierwohl-Produkte lancieren, haben eine weitere Filiale am Bahnhof Tullnerfeld eröffnet und den Grundstock für ökologischere Verpackungen gelegt. Unsere SB-Packungen haben – auch durch Corona – einen Boom erlebt haben. Wir begegnen diesem Trend mit recyclingfähigen, von Haus aus dünneren, Folien. Allein durch die dünneren Folien sparen wir pro Jahr 24 Tonnen Plastik ein.
2021 – das ja auch noch als Corona-Jahr „durchgeht“ – haben wir einen weiteren Abholgroßmarkt im niederösterreichischen Poysdorf eröffnet; hier richten wir uns an Privatkunden aber auch an Unternehmer und Gastgewerbebetriebe.
Wie sehen Sie den Umgang mit Fleischprodukten aktuell tatsächlich: sowohl von seiten des Handels als auch des Konsumenten?
Die Pandemie verstärkt die Nachfrage nach regionalen Produkten - das freut uns als lokalen Produzenten sehr. Auch das Thema Transparenz - dem wir immer schon hohe Bedeutung beigemessen haben - gewinnt an Bedeutung. Der Fleischkonsum in Österreich ist von einem sehr hohen Niveau ausgehend leicht rückläufig, die Ernährungsgewohnheiten ändern sich – aber bei weitem nicht in jenem Ausmaß, wie oftmals suggeriert oder beschrieben wird.
„Wertschöpfung aus Österreich für Österreich“ ist und bleibt gefragt. Wir sind davon überzeugt, dass Regionalität, Tierwohl und Nachhaltigkeit – nicht zuletzt aufgrund der laufenden Diskussionen zum Thema Klimaschutz – weiter an Bedeutung gewinnen werden.
Welche Trends können Sie skizzieren, wenn es um Fleisch und verarbeitetes Fleisch geht?
Die Trends lauten Transparenz, Verpackungsinnovationen sowie sogenannte Hybridprodukte. Wir von Berger Schinken vereinen in unseren Berger Kartoffel-Grillwürsteln „das Beste beider Welten“. Gemäß unserer Philosophie, auf regionale Rohstoffe zu setzen, kombinieren wir Kartoffel aus NÖ und Fleisch. Das Ergebnis sind gutschmeckende, natürliche „Berger Kartoffel-Grillwürstel“.
Immer im Trend liegt Schinken, der sich auch im Krisenjahr gut bewährt hat. Viele Konsumenten scheinen sich nach dem Geschmack der Kindheit, nach den Dingen, die sich nicht verändert haben und uns Sicherheit und Orientierung in diesen unübersichtlichen Zeiten geben, zu sehnen. So werden aktuell Produkte, die zu den „Klassikern“ in den Theken und SB-Regalen der Supermärkte zählen, besonders stark nachgefragt. „Da weiß man, was man hat“, fasst Gaby Kritsch zusammen. Zu den Klassikern im Schinkenregal zählen der Traditions-Beinschinken, der Backofen-, sowie der Farmer-Schinken.
Welche Trends sehen Sie sonst noch, wie etwa Verpackung, da wurde ja soeben eine Neuheit lanciert?
Im „Trend“ liegt das Thema Klimaschutz, dem wir uns mit voller Kraft widmen. Naturgemäß haben wir beim Rohstoff, den Produkten und der Produktion den größten Hebel – definieren unsere Verantwortung aber breiter: Gerade im Corona-Jahr war ein eindeutiger Trend zu vorverpackten Produkten zu bemerken. Dem können wir bei Berger Schinken nur mit größter Anstrengung, die Verpackungen umweltgerechter zu machen, begegnen – was wir auch getan haben: Die beliebten 100-Gramm Schinken-Packungen bekamen im Fein neues „Outfit“, das nicht nur attraktiv sondern auch besonders umweltschonend ist, denn es besteht aus wiederverwertbarer Folie, die dem Recycling-Kreislauf zugeführt werden kann. Darüber hinaus ist die Folie leichter als die bisherige – alleine dadurch werden Jahr für Jahr 24 Tonnen Kunststoff eingespart.
Die Verpackungen von Berger Schinken zählten schon bisher zu den „kleinsten ihrer Art“, da dank der einzigartigen Legefalttechnik die Außenhülle viel kleiner als die der Mitbewerber ist.
Worauf muss man als Hersteller eines sensiblen Produktes wie Fleisch besonders aufpassen? Was bringt die Zukunft?
Die Zukunft wird transparenter, denn das fordern Handel und Konsumenten ein, wir stellen uns dem gerne. Wir nehmen daher die Bewerbung unserer neuen, umweltschonenderen SB-Schinken-Packungen zum Anlass, uns auch diesem Thema zu widmen: Das Herzstück der Kampagne ist der neue Slogan „Da schmeckt mehr dahinter“, den wir bei Berger Schinken auch als Teil des Selbstverständnisses und als Arbeitsprogramm verstanden wissen wollen. Wir Schinken- und Fleischwarenerzeuger befinden uns in einem stetigen Veränderungsprozeß –als Familienbetrieb sehen wir es als unsere Aufgabe an, der nächsten Generation nicht nur einen florierenden, sondern einen zukunftsorientierten Betrieb zu übergeben. Dafür müssen die Weichen jetzt gestellt werden - in Richtung Ökologisierung, Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung.
Die Landwirtschaft war viele Jahre lang eine Art Black-Box. Wir wollen nun für mehr Wissen und damit auch Verständnis sorgen. Wir sind überzeugt davon, wenn Endkonsumenten die Unterschiede in der Tierhaltung und der Fütterung bewusst wahrnehmen, werden sie bereit sein, den Aufpreis für Regionalität und Tierwohl zu bezahlen. Wir wollen den Konsumenten bewusst machen, welche Macht sie durch ihre täglichen Kaufenentscheidungen haben. Denn letztlich hätten sie es in der Hand, ob die Zukunft eine ökologischere wird. Und natürlich sind auch wir als Unternehmen erst am Anfang der Reise - aber der erste Schritt ist getan.
Regionalität steht bei uns bereits seit mehr als einem Jahrzehnt im Kern unseres Regional-Programmes REGIONAL-OPTIMAL, wo wir ausschließlich von Landwirten aus der unmittelbaren Umgebung Rohstoffe beziehen. Das schafft Wertschöpfung und gibt den Konsumenten die Sicherheit, gentechnikfreie Produkte zu konsumieren und regionale Landwirte zu unterstützen. Mit den im Vorjahr lancierten ersten Tierwohl-Produkten setzen wir hier „oben auf. Wir sehen die Zukunft klar in regionalen Produkten und im Bereich Tierwohl.
Wird es jemals wieder einen fairen Preis für Fleisch geben? Was muss passieren, um zu erkennen, dass das Fleisch ein „LEBENS“mittel ist?
Spannende Frage! Hier sind alle Beteiligten gefragt: Der Handel, die Konsumenten und die Gastronomie. Wir als Produzent forcieren klar Tierwohl und Regionalität und freuen uns, wenn unsere Mehrkosten auch abgedeckt werden. Wenn der politische Wille da ist, werden die Themen Herkunftskennzeichnung und Tierwohl (Stichwort Haltungsbedingungen) an Fahrt zulegen. Wir sind bereit und in vielen Bereichen Vorreiter.
Wie stehen Sie zu dem Thema Tierwohl, gibt es Projekte?
Tierwohl und Nachhaltigkeit sind wirtschaftlich und moralisch ein Gebot der Stunde und entsprechen auch den Wünschen der Konsumenten. Die Gründung unserer Berger Tierwohl-Initiative ist daher die „logische Ergänzung und Fortsetzung“ das hauseigenen Regionalitäts- und Klimaschutzprogrammes. Damit gelingt es uns, das Gute aus der Region zu forcieren, die Landwirte der Gegend zu unterstützen und den Tieren ein artgerechtes Leben zu ermöglichen. Qualitativ hochwertigste und geschmacklich herausragende Produkte werden durch den verantwortungsvollen Umgang mit den Tieren sichergestellt.
Wir haben im November des Vorjahres erstmals Tierwohl-Produkte unter der Marke Berger auf den Markt gebracht. Den Start machten vier verschiedene Produkte sowie Frischfleisch, die neben den eigenen Berger Filialen auch bei Metro erhältlich sind. Wir haben zwischenzeitig auch Produkte für den Einzelhandel entwickelt und freuen uns über Listungen bei Kastner, Merkur, Meinl, Maximarkt und gurkerl.at. Speziell für die SB-Regale bieten wir aus dem wertvollen Tierwohl-Rohstoff Hofschinken, Extrawurst, Knacker und Frankfurter an; der Tierwohl-Beinschinken im Ganzen ist an der Bedientheke erhältlich.
Die Tiere für unser Berger Tierwohl-Programm wachsen bei bäuerlichen Zulieferbetrieben rund um die Produktionsstätte in Niederösterreich auf. Die Tiere haben im Vergleich zum gesetzlichen Standard doppelt so viel Platz, Auslauf ins Freie und weiche Stroheinstreu. Damit kommen wir auch den langjährigen Forderung von Tierschutzorganisationen nach. Die Schweine können ihre Instinkte – von der Bewegung bis hin zu Sozialkontakten – ausleben und werden ausschließlich mit garantiert gentechnikfreiem Futter aus dem Donauraum gemästet. Als Kriterien für das Programm wurden pro Tier 100 % mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben, die Trennung von Liege- und Aktivitätsbereich, kein Vollspaltenboden, weiche Stroh-Einstreu, die Möglichkeit zum Auslauf sowie Verzicht auf Schwanzkupieren und Kastration unter Vollnarkose definiert.
Interview: Gabriele Jiresch