Fairtrade: 30 Jahre und kein bisschen leise
„Ich habe seit Beginn meiner Geschäftsführung bei Fairtrade in Österreich vor 16 Jahren drei weltweite Krisen miterlebt: die Finanzkrise, die Covid-Gesundheitskrise und schließlich die Teuerung aufgrund des Krieges“, blickt Fairtrade Österreich Geschäftsführer Hartwig Kirner zurück. „Und jedes Mal waren wir sehr unsicher, was die Zukunft angeht – und jedes Mal ist es anders gekommen“. So auch 2022 nach Covid und mitten in der Inflation: Fairtrade Produkte im Handel in Österreich erreichten 2022 einen Umsatz von mehr als 500 Mio. Euro, das ist ein Plus von 22% zum Jahr davor. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Konsum von rund 66 Euro liegt Österreich damit im internationalen Vergleich unter den Top 3 Ländern.
„Diese Zahlen spiegeln das faire Bewusstsein der Österreicher wider“, so Kirner. „Konsumenten greifen weiterhin zu nachhaltigen Produkten, die im Vorjahr oft auch preisstabiler waren. Eine Studie des Marktforschungsunternehmens Nielsen zeigt, dass die Preise für Fairtrade-Kaffee und Süßigkeiten mit Fairtrade-Kakao im Jahr 2022 deutlich weniger stark gestiegen sind als jene für konventionelle Produkte“, erklärt Hartwig Kirner. Das ist ein Mitgrund für die Wachstumsimpulse des Vorjahres.
Prinzipiell ist es schon lange so, dass ¼ (25%) aller österreichischen Konsumenten sehr bewusst einkaufen: Bio, Nachhaltig, fair. Sie würden sogar den Einkaufsort wechseln, wenn sie ihre nachhaltigen Produkte nicht finden. Weitere 50% finden Nachhaltigkeit beim Einkauf wichtig, würden aber keinen Einkaufsort wechseln und weiteren 25% sind diese Attribute des Produktes egal.
Zahlen und Fakten bei Fairtrade
Fairtrade Schätzungen nach haben Fairtrade Rosen 35% und Fairtrade Bananen 28% Marktanteil am Umsatz im Handel. Fairtrade Tafelschokolade hat 10% Marktanteil laut NielsenIQ und Fairtrade Röstkaffee 9% Marktanteil laut NielsenIQ. Kakao ist der größte Wachstumstreiber, allerdings kann man die Marktanteile nicht eindeutig feststellen, da Fairtrade Kakao über die Hersteller aus Industrie und Handel (Eigenmarken) an den Konsumenten kommen.
Der Umsatzzuwachs in den vergangenen zwei Jahren kommt stark aus der Industrie, während der Handel mit seinen Marken immer schon ein Fairtrade-Verfechter war. „Vergleicht man die Zahlen mit Vor-Corona, so haben Rosen in der Menge zu 2019 9% zugelegt, Bananen ebenfalls 9% - Fairtrade versteht sich“, so Kirner. Zucker und Reis nahmen überhaupt um 31% im Vergleich zu 2019 zu.
Die Entwicklung der Preise ist spannend: Laut NielsenIQ/Wert 2022 im Vergleich zum Vorjahr steigerte sich Nicht-Fairtrade Schokolade um 2,8%, Fairtrade Schokolade um 0,2%. Röstkaffee – der sehr energieaufwändig produziert wird – legte im konventionellen Bereich bei den Preisen um 15,6% zu und Fairtrade-Röstkaffee um 9,2%. Damit ist wieder gezeigt, dass Fairtrade Produkte im Preis geringer angestiegen sind als konventionelle Ware. „Ein Vergleich mit Bio-Produkten ist zulässig“, erklärt Hartwig Kirner: die Bio-Mengen sind zwar gesunken, aber die Marktanteile nicht.
Industrie: Fairtrade als Teil künftiger Entwicklung
Gerade im Süßwarenbereich hat sich viel getan. Durch das Cacoa Program von Fairtrade haben sich schon seit längerem viele Unternehmen dazu entschlossen Fairtrade kakao in ihren Produkten zu verarbeiten: Manner, Ölz, Heidi Chocolat (Bobby), Berglandmilch, Nöm, aber auch Händler wie Hofer, Spar, Rewe setzen auf Fairtrade bei Eigenmarken.
Im Kaffeebereich geht es ebenfalls fair zu (nur einige Beispiele):
- Tchibo/Eduscho hat eine neue Fairtrade-Fixlistung im Sortiment: den Barista Caffè Crema aus Kolumbien.
- Neuer Fairtrade-Lizenzpartner aus Wien: Die Naber Kaffee Manufaktur GmbH stellte im Vorjahr ihren ersten Fairtrade-Kaffee vor, der auch biozertifiziert ist.
- Ganz ohne Plastik oder Aluminium: Julius Meinl bietet mittlerweile Kaffeekapseln im Sortiment an, die sowohl Fairtarde- als auch biozertifiziert sind und aus kompostierbarem Material bestehen.
- Ein Tiroler Hersteller bereichert das Fairtrade- Sortiment: Zum Start hat das Unternehmen Kaffee Nosko aus Innsbruck zwei Sorten vorgestellt: Arturo Espresso und Heinrich der Starke.
- Noch mehr bio und fair beim Diskonter: Hofer führte einen Bio Single Origin Fairtrade-Kaffee aus Honduras ein.
- Von allen Eigenmarken-Ranges hat Spar mittlerweile das größte für Fairtrade-Kaffee etabliert.
Fairtrade: Ausblick und Zukunft
Das Lieferkettengesetz ist für Fairtrade eine wichtige Botschaft an alle: Hersteller und Konsumenten. Durch den EU-Justizausschuss ist der Entwurf durch und er wurde sogar noch verschärft (240 Mitarbeiter und 40 Mio. Euro Umsatz gilt jetzt für alle; Finanzindustrie wurde wieder in die Pflicht genommen). Im Herbst geht der Entwurf weiter durch den Trilog (Kommission, Rat, Parlament) und wird schließlich in nationale Gesetze gegossen.
„Das Lieferkettengesetz ist auch deshalb so wichtig, da sich die Welt in ihrer Globalisierung in der klassischen Nord-Süd Perspektive aufgelöst hat. Gerade in China, Indien bewegt sich viel. Und schließlich steht auch für die weltweite Landwirtschaft eine Veränderung durch den Klimawandel bevor“, so Kirner. Deshalb müssen die Fairtrade Standards – wie jetzt gerade – immer wieder angepasst werden, um auch die nächsten Jahrzehnte gut arbeiten zu können – im Sinne des Fairtrade Gedankens.