Puzzlestein der fairen Gesellschaft
25 Jahre immer das gleiche Ziel vor Augen: „wir müssen es schaffen, dass die Bäuerinnen und Bauern in den Anbaugebieten soviel verdienen, dass sie ihr Leben selbstbestimmt meistern können“. So skizziert Fairtrade Österreich Geschäftsführer Hartwig Kirner grob den Aufgabenbereich des internationalen Gütesiegels. Heuer ist es ein Vierteljahrhundert her, dass das Siegel seine Aufgaben in Österreich aufgenommen hat. So mancher Unternehmer würde vieles dafür geben, wenn er solche Entwicklungszahlen vorweisen könnte: 46% Wachstum 2016 (im Vergleich zum Vorjahr); geschätzter Gesamtumsatz 270 Mio. Euro. 92% der Österreicher kennen das Siegel, 80% kaufen gelegentlich und 41% regelmäßig Fairtrade-Produkte ein. Das Jubeljahr 2018 wird von unterschiedlichen Aktionen begleitet: Gewinnspiele, Straßenfeste, Fairtrade-Botschafter von Spar führen Verkaufsaktivitäten durch und schließlich wird es im Herbst einen Kongress geben. Die Aktionen im Detail findet man unter www.fairtrade.at.
Zugkräftiges Siegel
Was aus einer Initiative heraus begann, ist heute eine Erfolgsgeschichte par excellence. Keine Debatte über Flüchtlingsthemen oder ein schwacher oder starker Dollar konnten Fairtrade tatsächlich etwas anhaben. Im Gegenteil: von 2016 auf 2017 im ersten Halbjahr stiegen die Umsätze in Österreich bei Kakaobohnen etwa um 40%, bei Bananen um 20% und Rosen um 10%. Fair gehandelter Zucker sowie Kaffee legten ebenfalls zu. Verantwortlich für die starke Steigerung bei Kakao war noch immer das Fairtrade-Kakaoprogramm, das besagt, dass nicht das gesamte Produkt aus fairen Rohstoffen bestehen muss – allerdings der Kakao. Große österreichische Hersteller wie 2017 Gunz oder der Pionier Heindl Schokolade, sowie Manner oder Zotter sprangen auf den Zug auf.
In Wahrheit sind jedoch die Eigenmarken der Händler (Spar natur pur, Rewes Ja! Natürlich oder Hofer Zurück zum Ursprung) die wahren Treiber des fairen Siegels. An fair gehandelten Bananen und Rosen kommt man als Konsument nicht mehr vorbei. „Der Handel entscheidet oft pragmatischer, wenn es um neue Produkte und Fairtrade geht. Die Entscheidungswege sind oftmals kürzer und damit erhöht sich die Umsetzungsgeschwindigkeit“, so Hartwig Kirner, Geschäftsführer bei Fairtrade Österreich. Die gute Nachricht ist jedoch: bis 2020 wollen alle Hersteller nur mehr fair gehandelten Kakao einkaufen.
In diese Richtung geht auch die Strategie beim Siegel selbst: Es geht um Vertiefung, nicht um Verbreiterung. Wichtig ist es die Anteile in den Warengruppen zu forcieren und weniger neue Warengruppen zu finden. „Von 100 Tonnen fair angebauten Kakaos können derzeit nur 30% als Fairtrade verkauft werden, wir wollen aber über 50%“, so Kirner.
Fairtrade ist nicht nur für die sozialen Aspekte da, sondern auch für die Qualität der Bewirtschaftung. Beim West African Cacao Programme geht es auch stark um die Aspekte der richtigen Agro-Technik. Die Pflanze ist ein sensibles Produkt. Weiters ist der Kakaopreis ein ständig präsentes Thema. Seit 2008 ist er wieder gestiegen, er unterliegt aber starken Schwankungen. Wenn die Nachfrage aus China stärker wird, wie geht man mit den Mengen um? Was tun, wenn das Durchschnittsalter der Bauern permanent steigt und die Jungen in die Städte flüchten? Wie verhält man sich, wenn ein Großteil der Bauern lieber auf andere Produkte umsteigen möchte, weil Kakao zu anstrengend ist?
All diesen Überlegungen müssen sich die internationalen Mannschaften des Siegels stellen. Dass der seriöse Umgang mit Nachhaltigkeitsthemen kein einfacher ist, das zeigte auch der jüngste Merger zwischen Rainforest Alliance und UTZ. Die beiden Siegel sehen in der Kooperation mehr Stärke. Die Zukunft und ihre Konsumenten fordert jedoch Stäre in der Nachhaltigkeit, denn die junge Zielgruppe wird an Kaufkraft gewinnen und möchte sich in einigen Jahren immer noch darauf verlassen können, dass sie faire Rohstoffe in ihren Nahrungsmitteln vorfinden.