ECR Tag: Blick hin zu den Konsumenten
Es ist wie mit Reels in den Sozialen Medien: ist man einmal hineingekippt, kommt man schwer wieder davon los. Doch diese Art von „Surfen“ im Web kostet Zeit. Genauso wie die Auseinandersetzung mit EU-Regulatorien, neuen Arbeitsweisen wie Online Meetings oder globale Herausforderungen, die immer mehr unser Wohlbefinden beeinflussen. Ist die Branche zu sehr mit sich selbst beschäftigt und vergisst die Bedürfnisse des Konsumenten?
Auf der einen Seite haben die Schlachten um den niedrigsten Preis schon sehr kriegerische Ausmaße angenommen. Die Händler aller Branchen unterbieten sich und auch Online-Händler spielen in diesem Kampf mittlerweile eine große Rolle. Man spricht in Österreich gerne von Aktionitis und vergisst, das alles, was mit -is im Gesundheitsbereich endet (Arthritis, Gastritis, ..) eine Entzündung beschreibt. So auch die Aktionitis, eine Entzündung der Preisgestaltung in Österreich.
Wir wissen alle, dass es die Teuerung vielen Verbrauchern schwer macht ihre gewohnten Einkaufsgewohnheiten weiter zu verfolgen und dass sie vermehrt auf den Preis schauen müssen. Die Prognose für 2025 ist auch von Seiten der Referenten beim ECR Tag nicht rosig: „2025 wird viel krasser, was Preise angeht“, ist man sich einig. Immer weniger Menschen können sich nachhaltige Produkte oder Bio-Produkte leisten, immer mehr Menschen greifen zu billigen Eigenmarken. Sie sagen zwar, dass sie für nachhaltige und regionale Produkte mehr zahlen würden, aber der „Attitude Behaviour Gap“ – die Schere zwischen „Sagen und Tun“ ist groß. Am Schluss entscheidet man sich meistens für das Produkt zum niedrigsten Preis.
Auch im Online-Handel findet ein neuer Kampf statt, denn mit den chinesischen Plattformen Shein und Temu haben Amazon und Zalando ihre Meister gefunden. Es ist wie damals, als die beiden mittlerweile etablierten Online-Händler den stationären Markt disruptierten – heute sind sie in ähnlicher Situation.
Trends erzeugen Gegentrends
Doch es gibt nicht nur schlechte Nachrichten. Jeder Trend erzeugt einen Gegentrend, wie die Marktforscherin und Geschäftsführerin von YouGov Consumer Panel Austria GfK, Birgit Walia, bestätigt. Dazu gehört, dass Premium sehr gefragt ist. Interspar-Chef Johannes Holzleitner bestätigt das aus seinen Märkten: der Wunsch nach Veggie, Bio, Tierwohl und Nachhaltigkeit ist sehr groß. Das Thema ist eher, dass die Mittelschicht schwächer wird und auch insgesamt im Handel weniger für sie getan wird. Nicht so bei Spar, wo man sich als Feelgood-Markt für die Konsumenten positioniert und ihnen in diesem Rahmen Lösungen bietet.
Die Lösung für Handel und Industrie muss in Zukunft der Einsatz von neuer Technologie sein. Technologie wird zentraler Wertschöpfungstreiber des Handels. Das Warenrisiko muss gesenkt werden, das bedeutet die Drehungen müssten schneller werden. Da hat der Lebensmittelhandel in gewisser Weise Glück, denn im Gegensatz zu einer neuen Couch können Milch, Eier, Brot und Käse im Bedürfnis und Einkauf schwer aufgeschoben werden. Und am liebsten wollen die Kunden ihren täglichen Einkauf in einem Markt tätigen, der nach den Kriterien des Ladendramaturgen Christian Mikunda ausgestattet sind: Hochgefühl und Wertschätzung beim Einkaufen.
Trend Nachhaltigkeit
Dieser Trend wird es schwer haben einen Gegentrend zu finden, denn es gibt – gerade in Europa wenig Alternativen dazu. Die Unternehmen entlang der gesamten Supply chain müssen sich dem Thema stellen. Sie werden in die Verpflichtung genommen und das nachhaltige Management muss ganz oben auf der Agenda stehen. Während hinter der Bühne die Räder gedreht werden und hart gearbeitet wird, um nachhaltige Themen umzusetzen, wird der Konsument wenig davon spüren – außer einem noch besseren Gefühl der Sicherheit bei seiner Produktwahl.
ECR Austria Arbeitsgruppen
ECR Austria steht für eine sachliche Verbindung zwischen Industrie und FMCG-Branche. Dabei trifft man mit den Arbeitsgruppen immer wieder ins Schwarze. Eine der jüngeren AGs ist „Joint Forecasting“. Ziel ist es, durch gemeinsame Forecasting-Methoden zwischen Handel und Industrie, das eingesetzte Working Capital effizienter zu nutzen und die Warenversorgung zuverlässiger zu gestalten. Ein Workshop im Juni 2023 hat bereits klare Richtlinien für die Themen und Ziele der Arbeitsgruppe definiert, einschließlich der Schaffung von Standards zur Warenverfügbarkeit und der Definition abgestimmter Prozesse.
EU-Lieferkettengesetz und EU-Entwaldungsverordnung werden ebenfalls in AGs genau untersucht. Und nicht zuletzt die EU-Verpackungsverordnung. ECR Austria als einzige Plattform eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Handel UND Industrie, gemeinsam mit der fachlichen Expertise der FH Campus Wien, eine ECR Circular Packaging Initiative ins Leben gerufen. Bereits vier richtungsweisende Publikationen wurden:
Die ECR Empfehlung „Packaging Design for Recycling“ bietet einen auch für Nicht-Fachleute verständlichen Leitfaden, wie Verpackungen möglichst zirkulär entwickelt werden können.
Die ECR Empfehlung „Nachhaltigkeitsbewertung von Verpackungen“ zeigt auf, welche Kriterien bei der Beurteilung einer Verpackung in Betracht gezogen werden müssen, um einen holistischen Ansatz zu ermöglichen.
Gefolgt wurde diese Publikation von der ECR Empfehlung „Bewertung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen“. Die hier angeführte Methode erlaubt die Berechnung der technischen Recyclingfähigkeit eines Verpackungssystems.
Als letzte Publikation der ersten „Circular Packaging Initiative“ wurde die ECR Empfehlung „Verpackungsstammdaten“ veröffentlicht. Ziele dieser Arbeitsgruppe waren die Festlegung der notwendigen Informationen der Verpackungsdaten sowie die automatisierte Abbildung in Rahmen des Stammdatenaustausches zwischen Handel und Industrie.
ECR Tag Auszeichnungen
Die beiden Chairmen Thomas Zechner (ECR Co- Chairman Handel) und Markus Fahrnberger-Schweizer (ECR Co-Chairman Industrie) verliehen mit GS1 Austria Geschäftsführer Gregor Herzog und WU Wien Professor Nils Wlömert (Institut für Retailing & Data Science) die Auszeichnungen an die prämierten Bachelor- und Masterarbeiten, sowie an eine Dissertentin.
Zuvor gab es noch Gratulationen an die Absolventen der ECR-Kurse.