"Der schwierigste Job der Welt"
Wer die legendären Podiumsdiskussionen am ECR Tag, geleitet von ORF-ZIB2-Anchorman Armin Wolf, schon einmal erlebt hat, weiß, dass sie nicht ohne verbale Spitzen geführt werden können. Und auch heuer enttäuschte der Moderator nicht, wenn es um die Erklärung des Kreislaufwirtschaftspakets der EU ging und um Vorträge so mancher Referenten, dass Plastik in manchen Situationen doch viel Sinn macht. „Ich dachte immer der derzeit schwierigste Job der Welt sei jener der SPÖ-Vorsitzenden, doch ich habe mich geirrt: es ist jener der Person, die in der heutigen Zeit erklären muss, dass Plastik gut ist“, fasste Armin Wolf die Diskussionen rund um Verpackung zusammen.
Und er hat nicht unrecht: Plastik-Bashing ist zur Zeit en vogue. Böses Plastik, böse Verpackungen überhaupt – das schwingt im Raum. Ein vernünftiger Dialog findet aktuell nicht statt. Die Angst vor Verpackung überwiegt und die Unwissenheit und fehlende Information der Beteiligten in der Supply Chain macht es nicht leichter.
Deshalb kam der ECR Tag 2019 mit dem Thema „New Packaging“ genau zur rechten Zeit. Seit 14.11. hat man nach der Teilnahme am Kongress einen wesentlich besseren Durchblick. Ein Beispiel, welche Irrtümer gerade im Umlauf sind, brachte das Vortragsteam von pacproject, Maximiliane von Klitzing und Jörg Kuhlmann: „Für die Produktion eines Stückes Fleisch (Steak 500 g) werden 6,7 kg CO2 benötigt. Die Verpackung dazu braucht lediglich 0,2 kg CO2. Oder: mit Verpackung ist eine Gurke 14 Tage haltbar, ohne nur 3 Tage“. Das ist auch der Grund, warum Lebensmittelabfälle steigen werden – die ersten Resultate sind bereits im Handel zu erkennen.
Es muss recyclet werden
Die Europäische Kommission verabschiedete im Jahr 2015 ein EU-Kreislaufwirtschaftspaket, welches die Umsetzung einer zirkulären Ressourcennutzung auf EU-Ebene forciert. Statt eines linearen Wirtschaftssystems, das nach dem Durchlaufprinzip „Produzieren, Konsumieren und Wegwerfen“ funktioniert, wird ein Wirtschaftsmodell in Kreisläufen angestrebt. Es geht nun um „Vermeiden, Reduzieren und Wiederverwerten“.
„Nur 9% unserer Wirtschaft global gesehen ist im Kreislauf“, bestätigt Manfred Tacker in seinem Vortrag. Er ist Fachbereichsleiter für Verpackungs- und Ressourcenmanagement am FH Campus Wien und in zahlreichen Arbeitsgruppen über die Verpackung der Zukunft dabei. Er gründete heuer mit Circular Analytics ein Start-Up, das Tools und Methoden zur ganzheitlichen Bewertung von Verpackungen entwickelt und das Circular Design von Verpackungen optimiert.
Bis 2030 müssen aber alle Verpackungen recyclet werden können, so sagt es die EU. „Der Handel gibt sich exponiert und treibt die Industrie und auch sich selbst voran“, so Tacker. Das kann man leicht an den Packaging- oder Styleguides des Handels erkennen: Aldi, Tesco und Lidl sind hier sehr weit und spricht man mit Vertretern der Industrie, so kamen diese auch schon in den Genuss der Vorstellung dieser Guides.
ECR Austria hat aus diesem Grund nun gemeinsam mit der fachlichen Expertise der FH Campus Wien eine ECR Circular Packaging Initiative ins Leben gerufen.
Was ist das Ziel?
Das Ziel ist eine Zusammenführung aller Vorgaben, das ist auch die Aufgabe von ECR. Wie gestalte ich meine Verpackung, damit sie wieder verwertet werden kann? „Im Bereich Mopro entsprechen nach wie vor 50% nicht den Anforderungen“, so Tacker.
Und damit es noch komplizierter wird: es geht nicht nur um die Recyclingfähigkeit, sondern auch um die Sinnhaftigkeit einer Verpackung bei den Produkten. Da stehen sich gegenüber: Glas, PET, Schlauchbeutel und Metall und viele mehr. Gregor Herzog, Geschäftsführer von GS1 Austria: „Wir brauchen alle den gleichen Standard, quasi ein GPS der Kreislaufwirtschaft“.
Und schließlich kommt die Aufklärung zum Konsumenten hin dazu. Er kauft seit jeher Produkte mit einer Verpackung, die als Schutz gilt. Ist das heute noch ausreichend? Folgen neben der Wiederverwertbarkeit auch noch Rückverfolgbarkeit anhand der Verpackung oder eine Verknüpfung mit IoT (Internet of Things)?
Studie über Kreislaufwirtschaft
Für die Veranstaltung im Vorfeld führte das Gallup Institut einen Umfrage unter Konsumenten durch: Andrea Fronaschütz, COO des österreichischen Gallup Instituts, sagt klar, dass das Thema Verpackung und Kreislaufwirtschaft dem Kunden in eine „alltagstaugliche Sprache übersetzt werden muss“ – so konnten zum Beispiel nur rund 11% der Bevölkerung mit dem Begriff „Kreislaufwirtschafspaket“ etwas anfangen. Es gibt in Wahrheit 20% Desinteressierte, 8% Engagierte und 72% Pflichtbewusste.
Auch Tanja Dietrich-Hübner, Leiterin Nachhaltigkeit bei Rewe, erkennt zwar „ein zunehmendes Interesse der Konsumenten, sieht diese aber mit dem Thema dennoch ziemlich überfordert“. Sie sieht es daher als Aufgabe von Industrie und Handel „Lösungen zu finden, die einfach und bequem sind.“ Um dennoch innovative Schritte in die richtige Richtung zu setzen, nimmt beispielweise die Drogeriehandelskette dm laut deren Geschäftsführerin, Petra Gruber, „bewusst Rohertragsverluste in Kauf, um innovativen Produkten eine Chance zu geben“.
GfK Studie zum Thema Plastikmüll
Und weil es gerade so fein passt, sei hier auch eine jüngst erschienen Studie von GfK Austria erwähnt, die sich mit dem Thema Plastikmüll befasst. Wenn es um die Umwelt geht, zählen mehr als 53 % der europäischen Verbraucher das Thema Plastikmüll zu ihren drei größten Sorgen – gefolgt vom Klimawandel (44 %). Bei insgesamt 23 % der Befragten landet Plastikmüll sogar auf Platz 1, weltweit ist das bei 15 % der Fall.
Befragte in Europa geben sich laut GfK-Studie bereits große Mühe, Plastik zu vermeiden. Für den gesamten Lebensmitteleinkauf werden beispielsweise eigene Taschen verwendet (88 %) und zuhause wird mit wiederverwendbaren Reinigungsutensilien und -tüchern geputzt (84 %). Rund 81 % der Verbraucher geben an, Plastikteller und andere Kunststoffutensilien von ihren Partys zu verbannen oder für unterwegs wiederauffüllbare Flaschen zu verwenden (81 %). Laut GfK-Studie lassen sich die Befragten – je nach Grad der Plastikvermeidung und Bedeutung dieser Thematik für sie – in vier Segmente einteilen und auf deren Kaufverhalten untersuchen: Von „Dismissers“ (machen nicht viel, um Plastikabfall zu vermeiden) über „Considerers“ und „Believers“ hin zu „Actives“ (machen viel, um Plastikabfall zu vermeiden). In Deutschland und Österreich fallen beispielsweise rund ein Drittel der Haushalte in die Gruppe der Actives.
Die Kluft zwischen Reden und Handeln
Zwar verwenden Verbraucher bereits wiederverwendbare Taschen für ihren gesamten Einkauf, um Obst und Gemüse zu verpacken, greifen sie aber oftmals noch zu den bereitgestellten Plastiktüten. In der GfK-Studie wurden Verbraucher in insgesamt zwölf europäischen Ländern gefragt, wie sie ihr Verhalten „Plastikmüll zu vermeiden“ einschätzen – zur Auswahl standen insgesamt 17 unterschiedliche Maßnahmen. Während Verbraucher in Österreich, Ungarn und Deutschland angaben, am stärksten darauf zu achten, Plastikmüll zu vermeiden, zeigt sich in Russland, den Niederlanden und Polen noch Potenzial. Hier liegen die angegeben Maßnahmen zur Vermeidung von Plastikmüll weit unter dem europäischen Durchschnitt.
Verbraucher sehen vor allem Hersteller in der Pflicht
In der Mehrheit der untersuchten Länder erwarten Verbraucher vor allem von Herstellern Maßnahmen zur Lösung der Plastikmüllproblematik. An zweiter Stelle stehen die Regierungen. Den Handel oder sich selbst sehen Befragte, wenn überhaupt, nur teilweise in der Pflicht. Die größte Verantwortung wird Herstellern in Schweden, der Tschechischen Republik und den Niederlanden zugeschrieben, über die Hälfte der Verbraucher sieht das so.
In Polen und Italien sind die Befragten der Meinung, dass die Eindämmung von Plastikmüll nur im Zusammenspiel verschiedener Akteure gelingen kann. Knapp 65 % der Befragten sind der Meinung, dass in erster Linie die Regierung handeln müsste.
Insgesamt zeigt die Studie, dass über alle untersuchten Länder hinweg der Handel am wenigsten für die Problematik verantwortlich gemacht wird. Nur durchschnittlich 7% der Befragten sehen den Handel in der Pflicht.
Maßnahmen der Hersteller werden häufig nicht wahrgenommen
Bei der Frage, welche Marken proaktiv versuchen, Plastikabfälle zu reduzieren, erhalten Hersteller deutlich weniger Anerkennung als Händler. Im Durchschnitt kann nur jeder zehnte Verbraucher eine Marke nennen, die seinem Eindruck nach Plastikmüll vermeidet. Aber auch dann handelt es sich bei mehr als der Hälfte der genannten um Eigenmarken der Händler. Der Handel befindet sich daher in einer recht komfortablen Situation – es wird nicht viel erwartet, Anerkennung gibt es jedoch leicht.