ECR Austria: die Spitze des Eisberges
Spätestens am ECR Tag 2021 war allen klar: diese Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie, die nun schon seit 25 Jahren währt, ist einzigartig und bringt nicht nur viele wichtige Themen ans Tageslicht, sondern bietet auch Lösungen an. Der ECR Tag ist nur die Spitze des Eisberges. Darunter spielt sich enorm viel mehr ab: Supply Chain Lösungen, Lösungen im Verpackungsbereich, Ausbildung, Kooperationen, und vieles mehr.
Mit welcher Intensität der diesjährige ECR Tag angenommen wurde, zeigt nicht nur die hohe Anzahl der „Firsties“ (über 40%), sondern auch die Treue der Besucher, die trotz strenger Covid-Maßnahmen und steigernder Infektionszahlen zum Kongress kamen. Einige Highlights:
Mag. Klara Fichtenbauer von GfK machte den Anfang und blickt in die Zukunft. Worauf wird sich der Handel einstellen müssen in den nächsten Jahren?
Das Streben nach Gesundheit und Wohlbefinden bei gleichzeitigem Achtgeben von Kosten und Mehrwert kommt bestimmt. Der Konsument hinterfragt immer mehr, welche Sinnhaftigkeit der Konsum eines Produktes hat. Betonung auf Sinnhaftigkeit: „Purpose“ ist das Zauberwort. Die Produkte müssen sinnhaft sein, transparent sowieso und ihre Aufmachung inklusive Verpackung und Inhalt umweltfreundlich und nachhaltig. Ja, der stationäre Handel kommt unter Druck, aber er wird weiterhin einen sehr wichtigen Platz einnehmen.
Für den Handel bedeuten all diese Entwicklungen auf eine resiliente Supply Chain zu schauen, das ist eine Kette an Versorgung, die auch dem größten Orkan (COVID, Suez Kanal, Rohstoffpreise,…) standhält. Resilienz bedeutet nicht nur den Status quo zu erhalten, sondern unter sich ständig wandelnden Gegebenheiten erfolgreich zu sein. Digitalisierung und der Einsatz von KI sind wesentliche Assets für einen Erfolg.
Was ist D2C
Der direkte Kontakt eines Herstellers mit den Konsumenten inklusive der Ausnutzung aller Daten, die im erlaubten Bereich möglich sind. Stefan Ramershoven von Kjero hilft bei der Entwicklung von D2C und wird bei der Fragerunde auch mit dem Gedanken konfrontiert: muss der Handel D2C nur mit Argusaugen sehen, oder kann man kooperieren? Selbstverständlich ist eine Kooperation möglich und auch wünschenswert, denn sowohl Handel kann von Industrie und umgekehrt lernen.
D2C Brands schaffen nahtlose Customer Journeys und zwar nicht nur zum Handel, sondern auch zum Konsumenten hin und sind mit der Technologie im Einklang. Beispiele für besondere D2C-Modelle sind der Pampers Loyalty Club, sowie der Nivea Club. Aber auch Commerce-Modelle, wie Tail.com von Nestlé zeigen die Kraft der Marken zum Konsumenten hin sehr schön.
Q-Commerce
Wenn wir schon bei Veränderung sind, so sind wohl jene Geschäftsmodelle, die die letzte Meile in einer Affen-Geschwindigkeit lösen, die Stars unter den Händlern – solange man auf das Modell blickt. Geht man in die Tiefe und macht einen Blick auf die Kosten versus Gewinn, sieht die Sache schon anders aus. In der späteren Podiumsdiskussion gesteht Maurice Beurskens vom Online-Händler gurkerl.at, dass er mit seinem Online-Markt NOCH keinen Gewinn macht. Der ist erst für 2023 vorgesehen.
Hier muss man wohl einen langen Atem haben, wie auch Chloé Kayser von mjam/mjam market erklärt. mjam market kooperiert mit mehr als 200 Partnern in Österreich (darunter auch Spar express) und lebt aktuell noch von kleinen Warenkörben.
Auch die anschließende Podiumsdiskussion (Nils Wlömert/WU Wien, Institut für Retailing und Data Service; Nicole Berkmann/Leiterin Konzern PR und Information Spar AG; Maurice Beurskens/GF gurkerl.at; Hanni Rützler/Foodtrend Expertin) bestätigt all das untertags Gesagte:
Für Spar ist klar: bleiben wird der Online-Handel (wenn auch in einem niedrigen Bereich), der Trend nach lokalen und Bio-Produkten, aber auch der genaue Blick auf die Kosten einer Ware.
Deshalb bleibt Spar auch gerne bei Rabattmarkerln, die vom Kunden stark angenommen werden und wird auch in Zukunft keine Kundenkarte initialisieren. „Die Rabattmarkerln haben ein spielerisches Element, das bei unseren 1,5 Mio. Kaufakten pro Tag sehr wichtig ist“, so Nicole Berkmann. „Wir schauen immer, was der Kunde will“.
In Zukunft wünscht sich die Unternehmenssprecherin, dass weniger Plastik in den Supermärkten zu finden sein wird und die Lieferkettenproblematik gelöst.
Maurice Beurskens von gurkerl.at hat anders gelagerte Probleme: bei gurkerl.at ist es die Menge an Bestellungen und die Route, die exakt geplant werden muss. Aktuell sind es wöchentlich 2000 Bestellungen mit einem Bestellwert von rund 85 Euro, der vor Weihnachten noch stark in die Höhe geht. Die Transparenz der Produkte und ihrer Lieferanten ist bei gurkerl.at von Anfang an gegeben, das ist auch der USP des Unternehmens – ebenso wie weniger Müll zu benötigen und die Verpackungen zu optimieren.
Von der wissenschaftlichen Sicht sieht Nils Wlömert die Entwicklungen im Handel und fragt sich heute immer noch, warum Daten nach wie vor so wenig – im rechtlichen Bereich – genutzt werden.
Was fehlt noch? Über die Prognose hinauszugehen: was muss ich machen, um den Kunden noch wertvoller zu machen?
Die gute Nachricht für den stationären Handel erfolgt zum Abschluss von Hanni Rützler, die sagt, dass der Konsument die Nähe braucht und will. Den: jeder Trend fordert einen Gegentrend. Der Peak Meat sei überschritten, die Covid-Krise eine Gesundheits- und weniger eine Wirtschaftskrise und vor allem junge Menschen schauen vermehrt auf das, was sie essen.
Der ECR Tag 2022 findet am 10. November statt.
Auszeichnungen für Studierende
Ein Highlight des Tages ist seit geraumer Zeit die Auszeichnung der Studierenden zum Thema „Efficient Consumer Response“. Gemeinsam mit Christina Holweg vom Institut für Retailing und Data Service wurden die ECR Academic Student Awards vergeben.