Die Weichen sind gestellt für ein faires „UTP-Austria“
Der 43. Competition Talk, zu dem BWB-Generaldirektor Theo Thanner am 29. Jänner eine handverlesene Schar von Juristen und Branchenvertretern ins Hotel Stefanie in der Wiener Taborstraße einlud, stand im Zeichen der von Brüssel erlassenen UTP-Richtlinie zur Vermeidung unlauterer Handelspraktiken in der Lebensmittel-Supply Chain. Die Diskussion darüber, wie diese EU-Richtlinie in die österreichische Gesetzgebung einfließen soll, bescherte den anwesenden Damen Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Sparte Handel in der WKÖ und Ines Schurin, Pressesprecherin der Rewe International, eine freudige Überraschung.
Denn, wie Bernd Höchtl, Mitarbeiter im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BLRT) beim Competition Talk darlegte, obliegt die Umsetzung der UTP-Richtlinie in österreichisches Recht dem Wirtschafts- und nicht dem Landwirtschaftsministerium. Die Zuständigkeit von Ministerin Margarete Schramböck in der Causa UTP ist auch in der neuen Regierungserklärung festgeschrieben. Am Zustandekommen der Gesetzesmaterie hatte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger wesentlichen Anteil, wurde doch die ursprüngliche Fassung der UTP–Richtlinie gegen Ende Dezember 2018 unter der EU-Präsidentschaft Österreichs verabschiedet.
Wenige Wochen später wurde Anfang 2019 auf Initiative der BWB ein informelles Fairnessabkommen zwischen Lebensmittelhandel und Landwirtschafts-Ministerium vereinbart, das die wesentlichen Auflagen der EU-Richtlinie beinhaltete. Dieses Agreement umfasste auch die Errichtung einer Ombudsstelle, bei der sich Bauern beschweren können, wenn ein Kunde/Händler gegen die Fairness-Regeln verstößt. Schon damals wurde festgelegt, dass dieses Servicebüro im Wirtschaftsministerium eingerichtet werden soll. Dazu kam es bisher nicht, wohl auch deshalb weil das Kabinett Bierlein während seiner Amtszeit in dieser Angelegenheit nicht aktiv wurde.
Jetzt aber lichten sich, dank Thanners Talk-Dinner die Nebel über dem künftigen Prozedere der Regierung in der heiklen UTP- Gesetzgebung. UTP soll nach dem Willen von Brüssel auf nationaler und nicht auf Unions-Ebene umgesetzt werden. Spätestens am 1. Mai 2021 sollen die nationalen UTP-Vorschriften in Kraft treten. Zügige Verhandlungen der involvierten Ministerien unter dem Vorsitz von Schramböck mit den Interessensvertretern und der Wettbewerbsbehörde sind daher gefragt.
Thalbauer umriss beim Competition Talk die Position der WKO-Sparte Handel zu UTP, dieses Statement ist mit den großen Gruppen des Lebensmittelhandels bereits akkordiert.
Und das sind die wichtigsten Forderungen des Handels an den UTP- Gesetzgeber:
1:1 –Umsetzung , also kein „Golden Plating“. Die vorliegende, inhaltlich schlanke EU-Richtlinie, die nur 15 Bestimmungen umfasst, soll in Österreich 1:1 umgesetzt werden. Deutschland, Dänemark und die Niederlande haben bereits signalisiert, dass sie sich für diese Vorgangsweise entscheiden. Die Übernahme der EU-Richtlinie in unveränderter Form gewährleistet, dass mittelstandsfeindliche Auflagen, wie sie in der ersten Phase der Verhandlungen seitens der EU-Agrarier aufs Tapet gebracht und unter Österreichs EU-Präsidentschaft ausgeräumt wurden, nicht erneut Gegenstand der Verhandlungen sind. Das ist laut Thalbauer deshalb besonders wichtig, weil das seinerzeit von den Agrariern geforderte Verbot von Einkaufskooperationen zwischen Lebensmittel- Groß- und Einzelhandel den Tod von Handelsketten wie Spar oder Adeg bedeutet hätten.
Grau darf nicht Schwarz werden. Die Richtlinie unterscheidet zwischen „schwarzen“ und grauen Praktiken des unfairen Handel(n)s. Schwarze Praktiken, dazu zählt beispielsweise die einseitige Verlängerung von Zahlungszielen durch den Abnehmer, sind schlichtweg verboten. Die Liste der grauen Praktiken umfasst beispielsweise die Forderung von Listungs-, Platzierungs- und Werbezuschüssen, die der (bäuerliche) Lieferant an den Abnehmer entrichten soll. Laut Richtlinie sind diese dann verboten, wenn sie nicht vorher zwischen den Geschäftspartner explizit vereinbart wurden und somit vom Kunden überraschend als Forderung an den Lieferanten herangetragen werden.
Standpunkt der Sparte Handel in dieser Frage: Bei der nationalen Umsetzung von UTP dürfen diese grauen Punkte nicht in schwarze umgewandelt werden. Listungsgelder und Werbezuschüsse sollen also künftig weiterhin erlaubt sein, wenn sie vorher einvernehmlich zwischen Handel und Landwirtschaft vereinbart wurden. Thalbauer begründet diesen Standpunkt mit dem wirtschaftlichen Faktum des Einführungsrisikos bei Produktinnovationen. Wenn ein Händler ein Produkt in sein Sortiment aufnimmt oder den betreffenden Artikel promotet, entstehen Kosten, die im ein Falle eines Flops (wie er bei Innovationen häufig vorkommt) für den Händler als Verlust schlagend werden. Es sei daher fair, wenn die aus diesem Risiko resultierenden Kosten zwischen Lieferanten und Abnehmer aufgeteilt werden. Thalbauer dazu: „Wäre eine solche finanzielle Risikoteilung grundsätzlich verboten, könnten viele Innovationen gar nicht den Konsumenten angeboten werden. Daraus entstünde ein gravierender Nachteil nicht nur für die Konsumenten sondern auch für die Produzenten.“
Qualitätsauflagen, die den gesetzlichen Rahmen überschreiten, müssen erlaubt sein. Die WKO weist die Forderung der Agrarier zurück, dem Handel strengere Qualitätsauflagen, als gesetzlich vorgeschrieben, zu verbieten. Solche Qualitätsprogramme sind seit langem bei Bio- und Tierwohl-Premium-Eigenmarken des Handels im Einsatz. Sie zu verbieten würde nach Ansicht der Sparte Handel den Qualitätswettbewerb entlang der gesamten Food Supply Chain abwürgen.
Präzisierung der Richtlinien. Einzelne Bestimmungen der UTP-Gesetzgebung bedürfen laut Ansicht des Handels der Präzisierung. So dürfen beispielsweise beim Thema „Qualitätsminderung entlang der Lieferkette – wer trägt die Kosten?“ die Gewährleistungsansprüche des Kunden nicht massiv eingeschränkt werden. Und das Zahlungsziel soll dann zu laufen beginnen, wenn die (elektronische) Rechnung beim Empfänger einlangt.
Beraten statt strafen. Last but not least: Die Verhängung von Geldstrafen zur Durchsetzung der UTP-Richtlinie soll nur als Ultima Ratio zum Einsatz kommen. Begründung: Es handelt sich um eine neue Rechtsmaterie, da braucht es eine Anpassungsphase. Strafen sollen daher nicht gleich beim ersten Verstoß gegen das Gesetz, sondern erst im Wiederholungsfall verhängt werden. Daher soll das Prinzip „zuerst beraten, erst dann strafen“ zur Anwendung kommen. Weiters wird seitens der WKO eine Deckelung der Höchststrafe gefordert.
Fazit: Was im Juristendeutsch sehr kompliziert klingt, ist in der täglichen Geschäftspraxis sehr einfach. Es geht nicht so sehr um die einseitige Festlegung fairer Praktiken „des Handels“ sondern vor allem um eine Richtschnur des Gesetzgebers für faire Praktiken des Handelns auf den Marktplätzen der Lebensmittel-Wertschöpfungskette. Die sich nunmehr abzeichnende „UTP Austria“ stellt die Weichen für eine faire und von gegenseitiger Wertschätzung geprägte Zusammenarbeit zwischen unseren Bauern und unserem Lebensmittelhandel.