Das neue Team für den Lebensmittelhandel in der WKÖ
Dr. Hanspeter Madlberger hat einige Fragen an das neue Triumvirat gestellt. Wie in der Geschichte verbindet die drei Händler verschiedener Organisationen ein gleiches Interesse: der Lebensmittelhandel.
- Was sind die größten Herausforderungen und Veränderungen, die die Corona-Wirtschaftskrise dem österreichischen Lebensmittelhandel beschert?
Der gesamte Lebensmittelhandel (LMH) hat in der Corona-Krise seinen Auftrag, die Grundversorgung der österreichischen Bevölkerung sicherzustellen, hervorragend gemeistert. Gleichzeitig hat die Krise ganz klar aufgezeigt, wie essentiell die Nahversorgung bis in die kleinsten und entlegensten Ortstrukturen in Österreich ist.
Operativ liegen die zentralen Herausforderungen für den Lebensmittelhandel während der Corona-Krise einerseits in der Warenbeschaffung unter teilweise sehr volatilen Nachfragebedingungen (z.B. Hamsterkäufe). Und andererseits in der Sicherstellung einer starken und wertschätzenden Zusammenarbeit mit dem Personal, das oft an der Belastbarkeitsgrenze arbeitet. Auch für unsere Kunden und Kundinnen ist die hohe soziale Kompetenz der vielen Händlerinnen und Händler und ihrer Mitarbeitern und deren Interesse am Menschen ein zentraler Faktor.
Der Lebensmittelhandel wird in der Öffentlichkeit gerne pauschal als Gewinner der Krise präsentiert. Dies ist zwar mit Blick auf den LEH insgesamt richtig, da die Geschäfte offenhalten durften, auch wenn es auch im LEH an vielen Hochfrequenzstandorten (z.B. Schulen, Universitäten, Verkehrsknotenpunkten) zu starken Umsatzrückgängen kommt. Dramatisch ist die Situation aktuell aber insbesondere im Großhandel an Gastronomie und Hotellerie, wo es nun schon zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres zu massiven Umsatzeinbrüchen kommt. Als Bundesgremium setzen wir uns daher auf politischer Ebene für einen Umsatzersatz für direkte Lieferanten an Gastronomie und Hotellerie für die Dauer des Lockdowns ein. Es ist aus unserer Sicht wichtig, dass es durch Corona zu keiner weiteren Konzentration im Großhandel kommt, auch der österreichische Mittelstand bedarf daher dringend der Unterstützung.
- Welche konkreten Beiträge zur Bewältigung der wirtschaftlichen Corona-Folgen soll und wird das Bundesgremium der WKÖ leisten?
Die Beiträge des Bundesgremiums während der Corona-Krise sind vielfältig. Nicht alle unsere Aktivitäten sind für unsere Mitglieder immer zu 100% sichtbar. Wir arbeiten auch sehr viel im Vorfeld, um politische Entwicklungen mitzugestalten, bevor sie konkret sichtbar werden.
- Die unmittelbarste Aufgabe in dieser sehr schnelllebigen Zeit besteht darin, unsere Mitglieder so rasch wie möglich über die neuesten Gesetze, Verordnungen und Erlässe der Regierung zu informieren und bei schwierigen Auslegungs- und Interpretationsfragen zu unterstützen.
- Darüber hinaus setzten wir uns auf politischer Ebene für staatliche Unterstützung für die von der Corona-Krise hart getroffenen Teile des LMH ein, wie insbesondere den Gastro-Großhandel, um die Leistungsfähigkeit des LMH über die Krise hinaus sicherzustellen.
- Zudem ist es essentiell, die Branche in dieser sehr angespannten Situation nicht mit zusätzlichen gesetzlichen Belastungen zu überfordern, wie beispielsweise einem teuren Einwegpfand, einem Werbeverbot auf bestimmte Lebensmittel oder dem Gold Plating diverser EU-Vorschriften von der UTP-Richtlinie bis hin zur Agrarmarkt-Transparenz-Verordnung, um nur einige zu nennen. In all diesen Bereichen vertreten wir gegenüber der Politik als Bundesgremium und mit der Kraft der gesamten WKÖ konsequent die Interessen unserer Mitglieder.
- Eine weitere zentrale Aufgabe des Bundesgremiums besteht darin, einen Ausgleich und Schulterschluss zwischen allen Lebensmittelhändlern herbeizuführen, egal ob groß oder klein, selbständig oder Filialkette, Einzelhandel oder Großhandel. Wir alle sitzen im selben Boot und brauchen uns gegenseitig, um unsere Anliegen politisch durchzusetzen. Der österreichische Lebensmittelhandel ist enorm vielfältig und nur durch die Bewahrung dieser Vielfalt und Chancen-Fairness zwischen allen Akteuren können wir die Nahversorgung in all ihren Formen bis in die kleinste Gemeinde und das letzte Tal in Österreich sicherstellen.
- Welche konkreten Eigeninitiativen zur Krisenbewältigung empfehlen Sie den Mitgliedern des Gremiums?
Christian Prauchner:
- Der erfolgreiche Umgang mit Herausforderungen beginnt immer im Kopf. Daher ist meine erste Empfehlung, das Wort „Krise“ mit dem Wort „Chance“ zu ersetzen. Dies führt sofort zu einem Perspektivenwechsel, Blockaden im Kopf lösen sich auf, negative Emotionen und Ängste verschwinden.
- Im nächsten Schritt gilt es, sofort damit beginnen, die Chancen konkret zu definieren und dann die Umsetzung planen.
- Und der wichtigste Punkt: ES ZU TUN – eine der wichtigsten Stärken aller erfolgreichen Unternehmer.
- Strategisch halte ich vor allem den Online-Bereich im Lebensmittelhandel für eine der wichtigsten Herausforderungen, mit der sich Händler auseinandersetzen sollten.
Wolfgang Benischko:
- Mein Ratschlag an alle Händler ist es, in der Krise ruhig und besonnen zu bleiben.
- Operativ ist aus meiner Sicht das Personal eine zentrale Herausforderung. Oft arbeiten die Mitarbeiterinnen an der Belastungsgrenze. Trotz Corona und zeitweiligen Quarantäne-Abwesenheiten den Betrieb aufrechtzuerhalten, erfordert einen konsequenten Fokus auf den Faktor Mensch. Meine Empfehlung hinsichtlich Prävention lautet, vermehrt auf COVID-Schnelltests zu setzten, die nun schon zu erschwinglichen Preisen flächendeckend zur Verfügung stehen. Mit Blick auf das Personal empfehle ich auch allen kleinen Händlern, ihren Mitarbeitern eine Corona-Prämie steuerbegünstigt auszubezahlen, um ihre Leistungen während der Krise auch monetär anzuerkennen.
- Der zweite operative Bereich, den Händler im Blick haben sollten, ist die Sicherstellung der Warenversorgung trotz zweitweiser Nachfrageschwankungen (Hamsterkäufe).
Christof Kastner
- Die Krise hat gezeigt, dass die Digitalisierung im Handel in Zukunft erfolgsentscheidend sein wird. Was jedoch die wenigsten wissen: Der LEH ist seit Jahrzehnten einer der Vorreiter der Digitalwirtschaft. Die Branche war bereits in den 70er Jahren eine der ersten, die manuelle Prozesse auf Warenwirtschaftssysteme und Computer-Systeme umgestellt hat. Die Kastner Gruppe war dabei keine Ausnahme. Bereits 1986 haben wir unser Kassensystem auf PC-Basis mit eigener Software umgestellt.
- Heute geht es darum, die Prozesse noch schneller zu machen und neue Technologien (wie z.B. Cloud-Systeme) zu nutzen. Dabei gibt es noch viel zu tun, vom Artikelstammdaten-Management über die Kommunikation von EDI-Standards bis hin zum Online-Handel.
- Eine wesentliche Herausforderung wird es in Zukunft sein, auch im stationären Lebensmittelhandel im Sinne einer Multi-Channel-Strategie verstärkt Online-Angebote umzusetzen. Dies ist oft auch eine gemeinsame Aufgabe zwischen selbständigen Kaufleuten und den Großhandelspartnern. In Österreich hinkt jedoch trotz aller Beteuerungen der Politik oft noch die Infrastruktur (flächendeckender Breitbandausbau), speziell im ländlichen Raum, hinterher. Für den Aufbau einer florierenden Online-Wirtschaft in Österreich ist es entscheidend, dass alle Konsumenten eine schnelle Internetverbindung haben, um schnell und unkompliziert einkaufen zu können.