Böse Überraschung für Rewe: 70 Mio. Euro Geldbuße
Die Entscheidung vom OGH kam für alle Beteiligten sehr überraschend. Der Oberste Gerichtshof erhöhte die Geldbuße für Rewe von 1,5 Millionen auf 70 Millionen Euro. Die Billa-Mutter Rewe muss nun die bisher höchste je in Österreich verhängte Kartellstrafe zahlen.
Der Hintergrund: Billa (Rewe Tochter) mietete Geschäftsflächen im Welas Park Einkaufszentrum in Wels zum Betrieb einer Lebensmitteleinzelhandels-Filiale (damals Merkur), was – wie der Oberste Gerichtshof im ersten Rechtsgang klärte – einen anmeldepflichtigen Zusammenschluss gemäß § 7 Abs 1 Z 1, § 9 Abs 1 KartG und einen Verstoß gegen das Durchführungsverbot nach § 17 Abs 1 KartG verwirklichte, für den die Antragsgegnerin verantwortlich ist. Gegenständlich war nur noch die Bemessung der Geldbuße. Das Kartellgericht verhängte über die Antragsgegnerin eine Geldbuße von 1,5 Mio Euro.
Aber: Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht verhängte infolge der Rekurse der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundeskartellanwalts eine Geldbuße von 70 Mio Euro. Geldbußen nach dem KartG verfolgen präventive und repressive Zwecke, was eine angemessene Höhe erfordert, weil sonst keine abschreckende Wirkung erzielt wird.
Ausgehend von einem Konzernumsatz des dem Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung vorangegangenen Geschäftsjahres betrug die Strafrahmenobergrenze mehr als 9 Mrd Euro. Bei der Ausmessung der Geldbuße berücksichtigte der Oberste Gerichtshof den (bloßen) Verstoß gegen eine Formvorschrift (Zuwiderhandeln gegen das Durchführungsverbot ohne Erfüllung eines Untersagungstatbestands), die (lange) Dauer der Zuwiderhandlung von mehr als vier Jahren, die fehlende Bereicherung der Antragsgegnerin, ihre (nicht geringe) Fahrlässigkeit, ihre hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, den geringen Umfang des betroffenen Markts, die hohen Marktanteile der beteiligten Unternehmen, die wiederholte Verhängung einer Geldbuße wegen einer gleichartigen oder ähnlichen Zuwiderhandlung der Antragsgegnerin und die Mitwirkung der Antragsgegnerin an der Aufklärung der Rechtsverletzung. Die Ausmessung der Geldbuße (ungeachtet des hohen Betrags im untersten Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens) folgte der – bereits in mehreren Entscheidungen klargestellten – Rechtsprechung, dass auch in Österreich zur wirksamen Bekämpfung von Kartellverstößen Geldbußen in einer Größenordnung zu verhängen sind, wie sie auf Unionsebene und in zahlreichen Mitgliedstaaten bereits seit langem üblich ist.
Zusammengefasst: Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten hat: „Über die Antragsgegnerin wird wegen verbotener Durchführung eines Zusammenschlusses durch Inkraftsetzen eines langjährigen Pachtvertrages über die Geschäftsfläche im *, zum Betrieb einer Lebensmitteleinzelhandels-Filiale, ohne vorherige zusammenschlusskontrollrechtliche Freigabe im Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 20. September 2022 gemäß § 29 Z 1 lit a KartG iVm § 17 Abs 1 KartG eine Geldbuße von 70 Mio Euro verhängt.“
Eine Stellungnahme der BWB liegt ebenfalls vor: „In Österreich haben wir nur das Instrument der Fusionskontrolle, die Preiserhöhungen, welche durch Marktkonzentration entstehen, aufhalten kann. Diese dient dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher aber auch für andere Unternehmen, insbesondere KMUs. Die Entscheidung und die Höhe der Geldbuße ist eine Ermahnung, die Anmeldepflicht von Zusammenschlüssen in Österreich ernst zu nehmen. Die BWB hat eine Klarstellung vor dem Obersten Gerichtshof nun erreicht.“