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Werner Lambert

Zukunft von Bio wird erst sein

Spricht man von Bio in Österreich, kommt man an Werner Lampert nicht vorbei. Seine aktuellen Ideen zum Bio-Markt schildert er retailreport.at.

Auf seine Initiative wurde Ja! Natürlich 1994 im heutigen Rewe-Konzern auf den Markt gebracht und revolutionierte die Branche. 2006 folgte Zurück zum Ursprung bei Hofer, damals war es die erste Bio-Marke des Diskonters. Werner Lampert steht für die positive Entwicklung von Bio in Österreich und ist weit über unsere Grenzen hinaus bekannt. Zu Bio gehört aber mehr als der Anbau - wie er im folgenden Interview beschreibt. Auch leitbares Bio, wie Hofer es nennt, steht ganz im Vordergrund der zukünftigen Maßnahmen in der biologischen Landwirtschaft, speziell bei Hofer. Der Boom auf Bio-Lebensmittel wächst parallel zum steigenden Umwelt- und Ernährungsbewusstsein stetig an - dennoch werden Bio-Lebensmittel nur zu oft vom negativen Beigeschmack der deutlich höheren Preisen begleitet. Das muss nicht so sein.

retailreport.at: Hofer schreibt über leistbare Bio-Produkte, die AMA-Marketing betont, dass der LEH in den letzten Jahrzehnten Bio auf den Weg gebracht hat. In Wahrheit hat der Bio-Trend im Supermarkt mit Ihnen und Ja! Natürlich begonnen. Wo stehen wir heute? Ist Bio noch so zu sehen, wie vor 20 Jahren? Oder muss man heute mehr Aspekte bedenken, damit Bio nicht inflationär wird?

Werner Lampert: Wie alles im Leben, muss sich auch Bio weiterentwickeln und zum Vorreiter beim Weg aus der Anonymität werden. Konsumenten muss bewusst sein, dass hinter jedem Lebensmittel konkrete Menschen und Familien stehen. Diese Beziehung herzustellen, sehe ich als Aufgabe der Bio-Landwirtschaft.

Eine weitere Aufgabe ist das Leben authentischer Regionalität. Es ist keine regionale Milch oder kein regionales Fleisch, wenn das Futter aus Brasilien, Argentinien und der Ukraine kommt. Authentische Regionalität bedeutet, dass auch die Futtermittel aus der Region sind. Eine Hauptaufgabe ist auch, die Lebensmittelproduktion mit der Nachhaltigkeit zu verbinden und genau dort wird sich Bio hinbewegen.

Bio ist ein Hoffnungsträger! Wenn in einigen Jahrzehnten die Lebensmittelversorgung knapp wird, wird Bio mit seinem Engagement in der Region, in der Nachhaltigkeit und in der Nachvollziehbarkeit, Ernährungssouveränität schaffen. Bio wird uns Österreichern somit die Möglichkeit eröffnen zu bestimmen, wie unsere Lebensmittel produziert werden.

 

Wie sehen Sie die Zukunft der Beschaffung von Bio-Rohstoffen? Was muss die Landwirtschaft/der Handel/der Konsument bedenken?

Wenn man wirklich ernsthaft hergestellte und garantiert biologische Rohstoffe haben will, geht das nur über langfristige Verträge, langfristige Zusammenarbeit, durch Verlässlichkeit bei Abnehmer und Produzent. Ansonsten wird Bio seine Identität, sein Gesicht verlieren und würde zu einer schnellen Handelsware werden.

 

Welche Risiken kommen auf die Bio-Landwirtschaft zu? Werden die Preise fallen oder sich an konventionelle angleichen?

Die Nachfrage nach Bio steigt und diese Tendenz wird auch noch Jahrzehnte anhalten. In Deutschland ist das derzeit stark wahrzunehmen. Dadurch suchen auch Menschen, die mit der Ideologie nichts am Hut haben, im Bio-Bereich nach Gewinn. Dies birgt eine Gefahr für Betrug und für Qualitätsminderung, um die große Nachfrage zu befriedigen. Da sehe ich schon Risiken in naher Zukunft.

Die Preise werden natürlich nicht fallen, denn sie sind angesichts der großartigen Leistungen der Bio-Landwirtschaft gerechtfertigt. Immer mehr Menschen investieren in Bio- Lebensmittel. Das heißt die Zukunft von Bio war noch nicht, und ist noch nicht, sondern sie wird erst sein.

 

Welche Warengruppen sind noch wichtig im biologischen Segment aufgenommen zu werden?

Im Lebensmittelbereich ist Bio bereits sehr gut aufgestellt, Potentiale stecken noch in Hygieneartikeln, Waschmitteln, im Kosmetik- und Textilbereich. Bio hat noch viele Antworten parat.

 

Ein kurzer politischer Side-Step: Wie stehen Sie zu den EU-Finanzierungen der Bio- Landwirtschaft mit den beiden Säulen? Ist die Lösung vernünftig?

Das Landwirtschaftsförderungsmodell, das im Moment existiert und offenbar aufrechterhalten wird, ist für eine qualitative Landwirtschaft tödlich. Es wäre höchst an der Zeit, dass sich die EU davon verabschiedet. Es sollten nur qualitative und messbare Nachhaltigkeitsleistungen für die Umwelt und Gesellschaft mit Förderungen bedacht werden.

 

Was könnte man in Zukunft in der Landwirtschaft noch besser machen? Braucht es lückenloses Bio?

Bio hat etwas geschafft, was im Lebensmittelbereich als unschaffbar galt. Es hat ein nahtloses weltweites Kontrollsystem aufgestellt. Darauf kann Bio sehr stolz sein. Wenn man sich ansieht, wie wenig Skandale im Bio-Bereich passieren, wird jedem klar, dass das System funktioniert. Bio schafft Verlässlichkeit und Vertrauen, da ist Bio ein Vorbild für die konventionelle Landwirtschaft.

Hoffentlich wird sich die konventionelle Landwirtschaft bald von den Umweltgiften zurückziehen müssen. Sie sind eine Todsünde, die tatsächlich immer noch notwendig und für richtig erachtet wird, nur weil hier Milliarden von Industrien und Milliarden von Dollars und Euros drinnenhängen. Aber ein Lebensmittel für Menschen sollte niemals mit Giften in Berührung kommen, weder bei seinem Anbau, noch bei der Produktion.

 

Sollten Bio-Produkte für alle leistbar sein? Wie kann so etwas realisiert werden?

Wir müssen unseren Lebensstil umstellen. Österreich gehört weltweit zu den Ländern mit dem höchsten Fleischverbrauch mit 106,4 kg pro Jahr. Zusätzlich werden 30-50% unserer Lebensmittel weggeworfen. Das ist natürlich nicht haltbar für das zukünftige Leben auf unserem Planeten. Wenn wir an diesen beiden Schrauben drehen, sind Bio-Lebensmittel für alle leistbar. Dazu gibt es auch aktuelle Untersuchungen vom WWF und dem FiBL, die das belegen.

Außerdem können konventionelle Lebensmittel nur so billig sein, weil die wahren Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Wir alle zahlen mit unseren Steuergeldern, was die industrialisierte Landwirtschaft anstellt. Der BSE-Skandal hat die EU mehrere Milliarden Euro gekostet.

 

Ihr Wunsch an Händler, Politik und Konsumenten?

Es kann nur einen Wunsch geben: Endlich die Wahrheit in der Landwirtschaft aufdecken und den Konsumenten zu erzählen, wie es wirklich zugeht. Wenn die Konsumenten über die gelebte Realität in der Landwirtschaft Bescheid wissen, dann wird es keine Alternative zu Bio geben.

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geschrieben am

13.03.2019