Direkt zum Inhalt
Markus Fahrnberger-Schweizer/Geschäftsführer iglo Österreich, Tina Schrettner/Marketingleiterin Ankerbrot, Walter Karger/Geschäftsführer Ankerbrot Gruppe

Ankerbrot definiert Wiener Backtradition neu

Aktuell konnte Iglo Austria als Kooperationspartner für ofenfrische Gebäck-Snacks mit Gemüsefülle gewonnen werden. Walter Karger im Interview mit Hanspeter Madlberger.

Walter Karger, Geschäftsführer der Ankerbrot Holding spricht sich angesichts der dramatischen Rohstoff- und Energiekrise für gesicherte Getreide-Inlandsversorgung, für volatile Preise und eine faire Wertschöpfungsallianz entlang der gesamten Brot-Lieferkette vom Acker bis zum Frühstückstisch aus. Im Vertrieb ist die verstärkte Zusammenarbeit der Anker-Filialen mit dem Lebensmittelhandel beim Launch innovativer Gebäck- und Mehlspeissnacks angesagt. Aktuell konnte Iglo Austria als Kooperationspartner für ofenfrische Gebäck-Snacks mit Gemüsefülle gewonnen werden.
Die Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine bereiten Ankerbrot, so wie der gesamten Bäckerei-Branche massive wirtschaftliche Probleme. Waren es 2020 und 2021 vor allem die Umsatzeinbrüche infolge der rückläufigen Kundenfrequenzen und der Ausfälle im Geschäft mit der Gastronomie, so schossen bereits im vergangenen Herbst die Energiepreise, sprich die Heizkosten für die Backöfen in schwindelerregende Höhen. Eine Entwicklung, die sich mit Kriegsausbruch in der Schwarzmeer-Region, der Kornkammer Europas, noch verstärkte. Karger legte retailreport.at ein Chart vor, demzufolge der Gaspreisindex aktuell gegenüber Vorkrisenzeiten um das Zehnfache gestiegen ist.

Sicherung der Inlandsversorgung zu fairen, volatilen Preisen

Wenn es beim Getreide zu Ernteausfällen in der Schwarzmeer-Region kommt, ist darüber hinaus mit stark steigenden Mehlpreisen zu rechnen. Hauptlieferanten von Anker sind heimische, regionale Mühlenfirmen. Karger appelliert an den heimischen Getreidehandel, der Versuchung zu widerstehen, angesichts steigender Weltmarktpreise den Export zulasten der Inlandsversorgung auszubauen. "In diesen kritischen Zeiten muss die Verfügbarkeit von Getreide und Mehl zur Aufrechterhaltung der vollen Inlandsversorgung Vorrang haben." Bei den Preisen ist Volatilität entlang der Lieferkette angesagt. So wie der Getreidegroßhandel sich von Jahrespreis-Vereinbarungen mit den Getreidebauern verabschiedet habe, müsse sich auch der Lebensmittelhandel mit Backwaren-Produzenten auf flexible Preise verständigen, fordert der Anker-Chef.

Ankerbrot, der Wiener Markenklassiker

Es war ein Branding-Akt im ursprünglichsten Wortsinn: Als die Brüder Heinrich und Fritz Mendl den frischen Brotlaiben, die sie ab dem Jahr 1893 in ihrer neuen Wiener Brot- und Gebäckfabrik in Wien-Favoriten erzeugten, das Anker-Zeichen mit einem Stempel aufdrückten. Seit dem Mittelalter herrschte im Bäckergewerbe dieser Brauch der Herkunftskennzeichnung. Ähnliches praktizierten die Bauern, wenn sie ihr Vieh mit dem Brenneisen als ihr Eigentum markierten. Der Eigentümerwechsel bei Ankerbrot in den 130 Jahren Firmengeschichte war heftig, spiegelte die politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen Österreichs im vergangenen Jahrhundert. Die Marke Ankerbrot aber blieb in all den Jahren Garant für verlässliche Brot- und Backwaren-Qualität zur Versorgung der Wiener Bevölkerung. Und gilt neben Manner, Meinl Kaffee und Almdudler als typisch Wienerische Markenikone.

Dein Anker, Partner des Lebensmittelhandels

2019, erfolgte eine ziemlich revolutionäre Neupositionierung: Aus Ankerbrot wurde Dein Anker. Verantwortlich für diesen Relaunch zeichnet die Werbeagentur Jung von Matt an der Donau als Etat-Halter. Personalpronomina als Element der Markenkommunikation einzusetzen, dafür plädiert seit Jahren WU-Professorin Bernadette Kamleitner. Mit dem Argument, durch diese Formulierung werde eine starke emotionale Beziehung zwischen den Konsumenten und der Marke ("psychological ownership") aufgebaut. Dein Anker auf den Spuren von You Tube, Ikea, dein Zuhause und Raiffeisen, meine Bank.

Walter Karger, der ebenso wie Marketingleiterin Tina Schrettner das Markenartikel-Business bei Eskimo Iglo von der Pike auf erlernte, sieht den extrem hohen Bekanntheitsgrad und den emotionalen Mehrwert der im Markenkern "verankert" ist, als ideale Voraussetzung für den weiteren Ausbau der nationalen Distribution und zwar in enger Zusammenarbeit mit dem Lebensmittelhandel. Rund 50% des Ankerbrot-Gesamtumsatzes in Höhe von 110 Millionen Euro (Stand vor der Pandemie, 2021 waren es 90 Mio.) entfallen auf die Lieferungen an den LH.

Unverwechselbares Kennzeichen der Marke Anker ist die Symbiose zwischen dem Anker-Filialnetz im Großraum Wien und den Supermarktketten in den Bundesländern, Karger: "Wir testen Produktinnovationen in unseren 120 Filialen, inklusive 18 Franchisebetriebe  messen die Akzeptanz bei den Konsumenten und liefern damit unseren Kunden im Lebensmittelhandel aussagestarke Indikatoren für das Umsatzpotential." Der innovative Markenartikel in Verbindung mit den Eigenfilialen an Hochfrequenz-City-Standorten (wie der "Jonas-Grotte" unter der Wiener Opernring-Kreuzung) mit angeschlossener Ladengastronomie, landesweit multipliziert über die Backstationen der Supermarktketten: Mit dieser Strategie will Anker die Wiener Backtradition zeitgemäß neu interpretieren. 

Brot-Snacks to go: Der Wachstumstrend

Kurzfristig hatte das Geschäft mit Brot, Gebäck und Mehlspeisen infolge der Pandemie mit massiven Einbrüchen zu rechnen, mittel- und langfristig aber zählt diese Kategorie zu den wachstumsträchtigsten im gesamten Lebensmittel-Sortiment. Brot, das elementare Lebens-Mittel schlechthin, Inbegriff der gesunden Ernährung, grenzenloser Geschmacksvielfalt, klimaschonender, regionaler Herkunft des agrarischen Rohstoffes: All diese Eigenschaften ergeben eine breite Palette handfester Kaufmotive. Die jüngsten Dein Anker-Innovationen zielen auf den seit Jahren zu beobachtenden Trend zum Snack- Konsum.

Erster Schritt in diese Richtung war vor zwei Jahren die Einführung der Wiener Mehlspeisen to go- Produktrange. Mohnnudeln, Germknöderln, Marillenbuchteln, Grießkipferln und last but not least, der legendäre Wiener Kaiserschmarrn werden tiefgekühlt an die Filiale angeliefert, dort gebacken und ofenwarm für den Sofort- oder to go-Verzehr angeboten. Wiener Mehlspeis-Geschmack vermählt sich mit dem aus Amerika importierten Muffin-Look. Aktuell laufen Verhandlungen mit dem Lebensmittelhandel über die Listung der Wiener Mehlspeisen to go, die in Österreichs Mehlspeis-Metropole ihren Erfolgstest schon bestanden haben.

Vor wenigen Tagen erfolgte der zweite Schritt der Anker-Backwaren-Line-Extension. Auf Basis einer langfristigen Kooperationsvereinbarung mit Iglo Österreich servieren die ersten Anker-Filialen gschmackige Plunderteig-Schnecken, die mit einer Mischung aus Marchfelder Iglo Spinat und Feta gefüllt sind. Weitere Produkte, wie ein Proteinriegel mit Iglo Sojabohnen und Iglo Erbsen folgen. Ab 5. Mai lieferbar: Das vegane Gemüseweckerl, mit der zarten Iglo Gemüsemischung (Babykarotten, Erbsen, Mais) vitaminreich aufgepeppt. Kunden haben die Wahl zwischen dem frisch gebackenen -Weckerl  für den Heimkonsum und dem ready-to-eat-Imbiss, ebenfalls frisch gebacken und mehrmals am Tag frisch gefüllt mit Emmentaler, Radieschen und Rucola.

Backstationen im Lebensmittelhandel: Aufreger der Bäckerei-Branche?

Viele Standesvertreter des Bäckerhandwerks betrachten den Siegeszug der Backstationen in den Super-, Verbraucher- und Discountmärkten als existenzielle Bedrohung ihrer Zunft. Karger will mit der neuen Anker-Strategie den Beweis dafür erbringen, dass eine win-win-Partnerschaft zwischen einer Großbäckerei, ihrem Filialnetz und den Outlets des Lebensmittelhandels möglich ist und beiden Seiten Wachstumschancen eröffnet. Damit diese Übung gelingt, bedarf es bei beiden Absatzsystemen des Ineinandergreifens von Tiefkühl-Logistik und instore-Backofen. Nicht zu verwechseln mit den Aufback-Stationen. Karger erklärt den Unterschied:

"Beim Aufbackverfahren wird die Ware zu rund 80% in der Fabrik gebacken, anschließend gefrostet, in die Outlets transportiert und dort fünf bis sechs Minuten lang aufgebacken. Ergebnis: Bereits nach zwei Stunden tritt ein Qualitätsverlust ein. 

Wir von Anker produzieren die Tiefkühlteiglinge zentral und backen sie dann vor Ort. Bei diesem Verfahren dauert der Backprozess in der Filiale eine halbe Stunde und länger. Das Ergebnis: Eine deutlich höhere Qualiät im Vergleich zum Aufback-System, das Gebäck bleibt länger frisch und knusprig."

In Lichtenwörth wird ab 2024 keimfrei verpackt

Vor Ort backen statt aufbacken, dieses Verfahren kommt nicht nur bei Qualitätsbäckern wie Anker, sondern auch in den meisten Supermärkten zur Anwendung. Weil der Backvorgang inklusive der Vorbereitung an die zwei Stunden dauert, müssen auch die Bäckerinnen und Bäcker in den Anker Filialen zeitig in der Früh aufstehen, um ab sechs Uhr ihren Kunden die frisch gebackenen Frühstückssemmeln zu servieren.

Der nächste große Innovationsschritt ist für das Jahr 2024 zu erwarten, wenn die nagelneue Fabrik in Lichtenwörth (NÖ) den Betrieb aufnehmen wird. Das Anker-Management setzt auf grüne und energiesparende Hochtechnologie, extreme Flexibilität beim Produktionsprogramm und auf Top-Hygiene-Niveau durch Keimfrei-Verpackung unmittelbar nach dem Backvorgang. Wodurch auch die Verderbquote ohne Einsatz von Zusatzstoffen deutlich reduziert werden kann.

Kategorien

geschrieben am

06.04.2022