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Industrie bandelt mit Amazon an

Nicht nur Unilever bandelt mit Amazon an

Markenartikler sind begeistert von den Reichweiten der Internet-Marktplätze.

Hanspeter Madlberger/Gabriele Jiresch

 

Die weltweite Angst vor dem Corona-Virus löst allerorten Verwerfungen im Wirtschaftsgefüge aus. Was die Lieferketten in der Konsumgüterwirtschaft betrifft, läutet die globale „Viruskrise“ eine neue Runde im Verdrängungswettbewerb zwischen „Bricks“ und „Clicks“, zwischen dem traditionell-stationären und dem dynamisch-innovativen Onlinehandel ein. Vor dem Ausbruch der Corona-Epidemie schien es so, als würde der Ladenhandel mit emotional aufgeladenem Shopping-Erlebnis gegenüber den digitalen Verkaufsrobotern mit der Sprechpuppe Alexa, gesteuert von außerirdischen Cloud-Rechnern, Imagepunkte sammeln. Jetzt, wo mit einem Schlag „infektionssicheres Shoppen“ angesagt ist, schwingt das Shopper-Journey-Pendel in Richtung kontaktlosen Internet-Handel zurück. Übrigens sehr zum Nachteil heimischer Nonfood-Händler, die im Cyberspace herumirren, dass es ein wahrer Jammer ist.

In der Aufregung um das Fledermaus-Virus aus Wuhan ist eine Meldung des „Handelsblatts“ vom 27. Februar fast untergegangen. Das Blatt zitiert Arne Kirchem, den Mediadirektor von Unilever Deutschland mit der Aussage: „Auf einem Marktplatz hat man auf einen Schlag sehr viel mehr Reichweite als mit einem Webshop.“ Ein Statement, das, so harmlos es klingen mag, jede Menge Brisanz birgt. Markenartikelkonzerne wie Unilever loten neuerdings die Möglichkeiten der Absatzkooperation mit Online-Händlern, allen voran mit Amazon aus. Konkret: Unilever Deutschland will die Präsenz seiner Marken auf den Online-Marktplätzen verbessern. Einer Umfrage des Softwaredienstleisters Salesforce zufolge, sehen 81% von 500 befragten Entscheidern der deutschen Konsumgüterindustrie Online-Marktplätze als wichtigste Digital-Technologie noch vor Sprachassistenten (64%) und Künstlicher Intelligenz (61%). In Europa betreibt Amazon fünf Marktplätze: Italien, Deutschland, Spanien Frankreich und UK.

Marktplatz sticht eigene Umsätze

Über die Höhe der Marktplatz-Umsätze (auch Drittumsätze genannt) von Amazon herrscht in der Branche einige Verwirrung. Seattle gab offiziell bekannt, dass das Unternehmen 2019 58% seines weltweiten brutto Warenumsatzes über seinen Marketplace erzielte. Zuletzt haben die Drittumsätze des Online-Riesen stärker zugelegt als die Eigenumsätze. So verkaufen tausende österreichische KMU bei Amazon und exportierten in 2018 mehr als zehn Millionen Produkte an Kunden weltweit. KMU aus Österreich erzielten im Jahr 2018 über Amazon Exportumsätze von rund 300 Millionen Euro. 

Was den Marketplace für Markenartikler so attraktiv macht, ist seine Doppelfunktion. Die Plattform dient nicht nur als zusätzlicher Absatzkanal und damit als Rute im Fenster gegenüber dem Store Retailern, sondern darüber hinaus als Werbe- und Kommunikationsmedium. Beobachter stellen fest, dass amazon.com/de/at mit seiner Reichweite sogar Suchmaschinen vom Typ Google den Rang abläuft. Der Direktkontakt mit der Generation der heavy Smartphone-Users gewinnt solcherart für die Werbestrategie von Marken wie Knorr oder Rexona immer größere Bedeutung. Beiersdorf hat auf dem  Amazon-Marktplatz ein Nivea-Haus errichtet. Der mittlerweile aus dem Verkehr gezogene Dash-Button bleibt als Meilenstein inniger Kooperation zwischen Global Brand und Global Online-Retailer in Erinnerung.  

Ist Amazon als Absatzpartner pflegeleichter als Lidl, Aldi und Co.?

Die Situation auf Amazons Marktplätzen war für KMUs nicht prickelnd. Aufgrund zahlreicher Beschwerden aus Mitgliederkreisen hat der österreichische Handelsverband bekanntlich einen Wohlverhaltenskatalog für Internet-Plattformen erstellt, der Amazon tatsächlich veranlasste, die ärgsten Grauslichkeiten aus seinen Mieterkontrakten 

zu entfernen. Prinzipiell gilt jedoch die Praxis des „Level Playing Fields“, die besagt, dass es keine Gebührenunterschiede nach Größe gibt, sondern nach Kategorie. Waren mit höherer Manipulation zahlen mehr Gebühren, wie etwa Waschmaschinen oder auch Kleidung. 

Ein Marktplatzteilnehmer kann allerdings Services dazukaufen, wie etwa Versand (wenn es das KMU nicht selbst macht) oder Adverstising.

Der Konflikt zwischen Marken und Eigenmarken ist genauso gegeben, wie im klassischen Handel – stationär oder online. Allerdings sind es beim us-amerikanischen Online-Händler zwei komplett getrennte Teams, die sich um die Segmente bemühen. Amazon verwendet keine Daten von Drittanbietern für die eigene Produktentwicklung. Im übrigen ist der Anteil der Private Brands am Gesamtumsatz lediglich 1%. Auf Händlerdaten wird dann zurückgegriffen, wenn es um Beratungen geht. Somit kommt man sich dabei mit anderen Marken und Eigenmarken nicht in die Quere.

Andere Hersteller wählen die sichere, aber zugleich teure Variante, sie nutzen die reichweitenstarke Plattform primär für die Kundenansprache und den eigenen Webshop für den Online-Verkauf.  Marken wie Nespresso, die von Anfang an auf den Eigenvertrieb übers Internet gesetzt haben, können gelassener reagieren, wenn sie vor der Frage stehen, ob sie dem Internet-Wegweiser „go amazon.com“ Folge leisten oder nicht. Dass die Markenartikel-Multis im Konditionen-Tauziehen mit den Handelsmultis, egal ob Wal-Mart, Lidl, Aldi oder Amazon bessere Karten haben, als heimische „Achten Sie auf die Marke“ –Teilnehmer. Und der klassische Ladenhandel hat in der Sache auch noch ein Wörtchen mitzureden, wenn er sich die Empfehlungen des Omni Shopper Journey Guidebooks von ECR Austria zu Herzen nimmt, an dessen Konzeption so namhafte Händler wie Rewe, Hofer (!) oder dm und so namhafte Markenartikler wie Brau Union, Coca-Cola Henkel und Procter mitgewirkt haben. 

Playing Level Fields

Die oben zitierten Gebühren für Marktplatzteilnehmer aller Art bringen so manche Erfolgsgeschichte hervor. Drei spezielle Unternehmen, die am Amazon-Marktplatz vertreten sind, seien hier erwähnt:

  • Startups wie Robo Wunderkind aus Wien, das seinen kleinen und großen Fans in Europa und in den USA Roboter- Bausätze und passende Programmier-Apps für Handy, Tablet und Computer bereitstellt, nutzen das Programm Amazon Launchpad. Mit Amazon Launchpad bietet Amazon jungen Unternehmen eine Startrampe, um ihr Geschäft und ihre Marke aufzubauen sowie ihre Produkte international an Kunden auf der ganzen Welt zu verkaufen. Es ist ein ganzheitliches Programm, das Startups eine Vielzahl von Tools, Fachwissen und direktem Support bietet – darunter Unterstützung beim Marketing, beim Übersetzen und beim Kundenkontakt. „Für uns ist die Zusammenarbeit mit Amazon Launchpad eine phantastische Gelegenheit, auf uns aufmerksam zu machen und möglichst vielen Menschen zu sagen: ‚Jedes Kind kann programmieren. Jedes Kind ist ein Wunderkind‘“, sagt Anna Iarotska von Robo Wunderkind. 
  • Kräutermax mit Sitz in Ried im Innkreis ist ein Unternehmen mit über 120-jähriger Tradition. Seit 2013 verkauft das Unternehmen auch auf Amazon. Geschäftsführer Christoph Zauner: „Wir konnten unseren Umsatz durch Amazon und die Exportmöglichkeiten an Kunden in ganz Europa verdreifachen. Neben dem deutschen Markt verkaufen wir an Kunden aus Spanien und Italien.“ 
  • PlanRadar, gegründet 2013 in Wien, ist ein wachsendes Unternehmen, das einen Kundenstamm von über 6000 Kunden in 43 Ländern weltweit aufgebaut hat. Es bietet eine digitale Lösung, die es seinen Kunden, wie Architekten, Ingenieuren, Auftragnehmern, Eigentümern, Immobilien- oder Facility-Managern, ermöglicht, komplexe Bau- und Immobilienprojekte zu verwalten, indem sie den manuellen Prozess der Dokumentation und des Informationsaustauschs durch einen digitalen Prozess ersetzt. Um die Anforderungen ihrer Kunden zu erfüllen, arbeitet PlanRadar bereits seit der Gründung mit Amazon Web Services (AWS) zusammen. Die Dienste von AWS ermöglichen es PlanRadar, effizienter und effektiver zu sein, da sie ihre digitale Lösung mit nur zwei Systemadministratoren betreiben können. 

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geschrieben am

09.03.2020