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Wie viel Österreich steckt in Billa und Hofer?

Wie viel Österreich steckt in Billa und Hofer?

Frage: Was haben Rewe und Aldi gemeinsam? Beide deutsche LEH-Riesen verfügen in Österreich über eine deutlich stärkere Marktposition, als auf ihrem Heimmarkt.

Bericht: Hanspeter Madlberger

Der Grad der Eigenständigkeit heimischer Tochterfirmen deutscher Handelsriesen ist gerade in Zeiten, da die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Lebensmitteln und die Inflationsbekämpfung in den Supermarkten stark gefragt sind, von großer Bedeutung für den Wettbewerb zwischen  Industrie und Handel.

Frage: Was haben Rewe und Aldi gemeinsam? Beide deutsche LEH-Riesen verfügen in Österreich über eine deutlich stärkere Marktposition, als auf ihrem Heimmarkt. Das belegen LEH-Marktanteilsdaten von NielsenIQ für das Jahr 2022: Als Nummer Zwei im deutschen LEH erreichte die Rewe einen Marktanteil von 21,2%. Marktführer ist beim nördlichen Nachbarn die Edeka mit 25,3%. Hierzulande belegt die Rewe mit Billa, Billa Plus, Penny, Adeg und Sutterlüty im LEH aktuell als Nummer Zwei einen Marktanteil von 33,7%. Marktführer ist bekanntlich die Spar mit 36,3% (Quelle: Key Account).

Ähnlich verhält sich die Marktanteils-Gewichtung im Aldi-Imperium. In D belegt die Aldi Gruppe (Aldi Süd und Aldi Nord) einen Marktanteil von 11,2%, ergibt Rang vier, hinter der Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland), die zwar im Europa-Ranking den ersten Platz einnimmt, auf dem deutschen Heimmarkt aber nur an dritter Stelle rangiert, mit einem Marktanteil von 18,3%. Relativ gesehen, viel stärker als Aldi in Deutschland ist Hofer in Österreich. Zwar weist NielsenIQ die beiden Discounter Hofer und Lidl nur gemeinsam aus, zuletzt mit einem LEH Marktanteil von 23,2%, man kann jedoch davon ausgehen, dass Hofer als Nummer Drei auf etwas mehr als 19% kommt.

Hofer vor Lidl: 30 Jahre Zeitvorsprung

Schlüssig folgt aus dieser Gegenüberstellung, dass die global so nachfragestarke Schwarz-Gruppe am rotweißroten LEH Markt mit einem geschätzten Anteil des Lidl-Filialnetzes von gut 4% eine deutlich schwächere Marktposition einnimmt, als daheim in D. Die Unterschiede erklären sich durch den Zeitpunkt des jeweiligen Markteintritts. Bereits im Jahr 1968 erwarb Aldi Süd, die Firma des Karl Albrecht, vom Wiener Filialisten Helmut Hofer dessen Hofer Märkte. Der elegante Helmut Hofer startet ein zweites Mal und gründete die Für Sie-Verbrauchermärkte, die später an Merkur gingen. 1996 landete der damalige Rewe-Chef Dkfm. Hans Reischl einen Überraschungscoup, einen echten Geniestreich und kaufte Karl Wlaschek dessen Billa Imperium ab. Im Jahr 1998, also zwei Jahre nach Rewe/Billa und 30 Jahre nach Aldi/Hofer wagte die Schwarz-Gruppe den Markteintritt in Österreich und eröffnete die erste Lidl Filiale. Folglich feiert man heuer das 25 Jahre-Jubiläum. Kaufland, Lidls Schwesterfirma im Hypermarkt-Format hat zwar seinerzeit damit geliebäugelt, durch den  Erwerb von Prokaufland (mit Standorten in Linz, Steyr und Wels) den Inn zu überschreiten, aber der Deal kam nicht zustande.

Hofer und Billa: Zwei urtypisch österreichische Store Brands

Der wesentliche Image-Vorsprung, den hierzulande Rewe und Aldi gegenüber Lidl beanspruchen dürfen: Man hat durch den jeweiligen Firmenkauf zwei urtypisch österreichische Store Brands übernommen. Adoption geglückt. Dass der bäuerlich konnotierte Name Hofer bei der Bevölkerung gar nicht erst den Verdacht aufkommen lässt, es könnte sich um einen ausländischen Handelskonzern handeln, haben Karl Albrecht und seine Statthalter in Sattledt richtig erkannt. Weshalb man wohlweislich von einer Umbenennung der Hofer- in Aldi-Märkte Abstand nahm. Übrigens, die Aldi-Markenrechte in Österreich hat man sich dennoch gesichert, doch musste man dafür dem Markeninhaber Leopold Wedl, Großhändler in Mils, eine  nette Ablösesumme bezahlen. Es gab nämlich einen Aldi-Markt, nämlich in Saalbach/Hinterglemm. Aldi stand für Alois Dick, die gleichnamige A&O Großhandelsfirma mit Sitz in Saalfelden, die später an Wedl verkauft wurde.  

Wlascheks Billa: Wiener Naschmarkt-Flair reloaded

Kontinuität der Ladenmarke trotz des Eigentümerwechsels, das ist auch das Erfolgsrezept der Rewe Gruppe in Österreich. Im Gegensatz zum ländlichen Hofer-Gen besitzt Billa, das urbane Wiener Naschmarkt-Gen, das Billa-Gründer Karl Wlaschek perfekt verkörperte. Übrigens, Ernest Dichter, der weltberühmte Motivforscher mit Wiener Wurzeln hat Wlaschek eine Zeit lang in Werbefragen beraten und die Figur des Billa Maxi kreiert.

Der Grad der Autonomie der beiden Österreich-Töchter gegenüber der deutschen Konzernmutter wird nicht nur vom, über die Jahrzehnte hinweg sorgfältig gepflegten Kern der Marken Hofer und  Billa mitgeprägt, sondern ebenso vom Rotweißrot-Commitment des Führungspersonals. Der frühere Rewe-Österreich-Chef Frank Hensel, brachte es immerhin zum Präsidenten der Wiener Austria, auch wenn seiner Amtszeit in diesem Traditionsclub, wie in der Branche nicht unüblich, ein abruptes Ablaufdatum beschert war. Apropos Fußball: Zu welchem Nationalteam Marcel Haraszti bei einem Ländermatch Österreich- Ungarn hält, wollen wir an dieser Stelle nicht vertiefen. Stattdessen aber darauf hinweisen, dass Harasztis Vater das Café Burgtheater in der Wiener City besaß und mit Jenö Eisenberger, Wlascheks Intimfeind, befreundet war. Politisch bestens vernetzt war der frühere Billa/Merkur-Chef Veit Schalle, er brachte es sogar bis zum BZÖ-Abgeordneten im Parlament. Worüber man in Köln not amused war.

Österreichische Frischwaren, österreichische Eigenmarken

Der Österreich-Esprit, wie Lionel Souque sagen würde, der bei Billa wie bei Hofer herrscht, er drückt sich auch im Bekenntnis zu Frischwaren österreichischer Herkunft aus, ob es sich nun um Fleisch oder Milchprodukte handelt. Und in der Handschlag-Qualität bei der langjährigen Zusammenarbeit mit heimischen Eigenmarken-Produzenten. Da stehen Hofer und Billa den „waschechten“ Österreichern, einer Spar, einem MPreis, einem Unimarkt, Kastner oder Kiennast um nichts nach. Bei Lidl hat man dieses Manko in jüngster Zeit erkannt und bläst mit starker Werbepower zur Aufholjagd. Gerade um die heimische Bio-Landwirtschaft haben sich die beiden Wahlösterreicher in Wiener Neudorf und Sattledt große Verdienste erworben. Und in beiden Fällen hat der Vorarlberger Gemüsehändler und Bauernversteher Werner Lampert als schillernde Gallionsfigur bemerkenswerte Pionierarbeit geleistet.

Spar gab Metro und dm den Österreich-Touch

Eine äußerst clevere Rolle bei der „Austrifizierung“ deutscher Handelskonzerne hat übrigens Marktführer Spar geleistet. Zum einen haben die Salzburger den Markteintritt des deutschen C&C-Urgesteins Metro in unserem Land maßgeblich mitgestaltet. Seit dem Start im März 1971 (Eröffnung des Metro Vösendorf) hält die Spar AG an Metro Österreich einen Gesellschafteranteil von 27%.  Zwischen Erwin Conradi, dem langjährigen Mastermind der Düsseldorfer und dem Spar-Topmanagement herrschten engste freundschaftliche Kontakte. Im Global Sourcing von Nonfood Artikeln ist Metro ein wertvoller Partner des heimischen Familienkonzerns. Zentralregulierung betreibt man gemeinsam über EKS. Und in Metro Märkten findet man Spar Eigenmarken wie den Regio Kaffee.

Auf ähnliche Weise haben die Parade-Österreicher mit dem niederländischen (!) Firmennamen (Spar = Tanne) dafür die Weichen gestellt, dass auch die Drogeriemarktkette dm hierzulande ihr eigenes Profil hat. In den Startjahren, bald nachdem dm-Gründer Götz Werner, seinen Ruderkameraden Günter Bauer überredete, von Hofer wegzugehen und den Aufbau des dm-Filialnetzes in unserem Land zu managen, erwarb die Spar eine 32%ige Beteiligung an dm Österreich. Der Deal hatte strategisches Format. Die Spar übernahm die Vita Drogeriemärkte von Metro und brachte sie als Sacheinlage bei dm ein. Im Wettbewerb mit Bipa hat Drogeriemarkt-Marktführer dm einen Vorteil: In den SES Einkaufszentren der Spar Gruppe, ihrerseits die Nummer Eins unter den heimischen Shopping Malls, findet man häufig einen dm, aber nie einen Bipa.    

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geschrieben am

14.04.2023