Erwartungen des Einzelhandels sind im Keller
Man fragt oft: welche Nachricht wollen Sie zuerst hören: die gute oder die schlechte? Im Falle der Umsätze für den Handel im Jahr 2020 gibt es meiner Meinung nach nur wenig gute:
- Eine Handelsbranche fängt in Summe vieles auf: der Lebensmittelhandel
- Es gibt ab nun für die „betroffenen Händler“ einen Verlustersatz
- Wifo und Handelsverband prognostizieren, dass der Handel 2021 1/3 der Umsatzverluste wieder wettmachen kann.
Und das wars dann. Die schlechten Nachrichten möchte man gar nicht mehr aufzählen: 6500 Händler stehen vor dem Ruin; es verlagert sich sehr vieles in den online-Handel und wer nicht online-fit ist, der hat echte Probleme und das „on-Top-Weihnachtsgeschäft“ konnte die Umsätze auch nicht mehr retten. Wenn man oft von Umsätzen spricht, so klingt das, als ob der Handel einfach nur gierig wäre – nein, so ist das nicht gemeint: Hinter den Umsätzen hängt ein langer Rattenschwanz an Zahlungen an Lieferanten, Vermieter und vor allem Mitarbeiter.
2020 wird in den Haushaltsausgaben ein Verlust von 16 Mrd. Euro prognostiziert. Der „stille Zeuge“ der Konsumflaute ist – wie es Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will ausdrückt – die Verdoppelung der Sparquote. Und: Corona war der Urknall der Digitalisierung. 17% legt e-Commerce in Österreich zu, bei einer Befragung der Konsumenten sagten 15%, dass sie zu 100% digital einkaufen.
Online wird bleiben
Alleine die Umsätze im online-Lebensmittelhandel sind um 21% gestiegen, was einem Dammbruch entspricht, auch wenn man von niedrigem Niveau ausgeht. Der Zuwachs im online- und Distanzhandel wird auf 74,5 Mrd. Euro prognostiziert, was einem Plus von 10% oder 2,2 Mrd. Euro entspricht.
Und dann kommt Weihnachten als die große Hoffnung, die sich als traurige Tatsche entpuppt: die Kauflaune springt nicht an, der Präsenzhandel steht vor schweren Zeiten. Heuer geht man beim Weihnachtsgeschäft von einem Mehrumsatz (setzt sich auf den Durchschnittsumsatz der Monate Jänner bis November drauf) von 1,1 Mrd. Euro aus. Denn nicht nur Corona, auch die speziellen Einkaufstage, wie Black Friday, Cyber Monday oder Singles Day kannibalisieren das Weihnachtsgeschäft.
Das Wifo sagt voraus, dass der gesamte reale Konsum im Jahr 2020 um 8 % zurückgehen wird: minus 15% im nicht-Lebensmittelhandel und plus 9% im Lebensmittelhandel. Fakt ist, dass 85% der Händler insgesamt 1/3 Umsatzverluste angeben.
Im Handel betreffen die negativen Auswirkungen der Krise jedoch fast ausschließlich die stationären Geschäfte. Hier dürfte der inflationsbereinigte Umsatzrückgang heuer bei mindestens -4,7% liegen (nominell: -3,4%). Am stärksten sind KMU-Händler mit Geschäftsflächen betroffen.
Im Detail
Die Umsatzprognose von Handelsverband und Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) für den österreichischen Einzelhandel geht von einem weihnachtsbedingten Mehrumsatz von 1,1 Mrd. Euro netto bzw. 1,29 Mrd. brutto aus. Das entspricht einem Rückgang von 9,5 % im Vergleich zum Vorjahr (1,22 Mrd. Euro netto bzw. 1,43 Mrd. brutto). Betrachtet man lediglich den Nichtlebensmittelbereich, liegt der Umsatzrückgang im November und Dezember sogar bei -14,7 %. Insgesamt wird das Umsatzvolumen heuer im Dezember auf nominell 6,25 Mrd. Euro geschätzt (Vorjahr: 6,4 Mrd. Euro).
Was wird gekauft?
"Generell setzt sich auch heuer der Trend zu Gutscheinen ebenso fort wie die Beliebtheit von Geldgeschenken. Reisen und Wellness, im Vorjahr noch auf Platz 2 der Rangliste, werden hingegen Corona-bedingt deutlich weniger verschenkt", erklärt Rainer Will. Bei den bevorzugten Waren greift jedes dritte österreichische Christkind im Einzelhandel zu Spielzeug (33%), Süßigkeiten (32%) oder Bekleidung (32%), immerhin jedes Vierte zu Büchern (27%) und Kosmetik (26%), um die Vorlieben der Liebsten zu treffen.
Packerl-Flut im Dezember. Mehr als 1 Mio. Pakete pro Tag.
Noch stärker als der Distanzhandel wird heuer der sog. KEP Markt (Kurier-, Express- und Paketdienste) zulegen. 2019 lag die Zahl der zugestellten Pakete im B2C Bereich bereits bei 151 Mio. (+14%). Für heuer erwarten wir ein Paketvolumen von 180 Mio. – ein Anstieg von mehr als 19 % innerhalb eines Jahres. Hauptgründe für die Paketlawine sind neben dem generellen eCommerce-Boom vor allem überproportional steigende Teillieferungen und Retouren. Im Weihnachtsgeschäft werden heuer an manchen Tagen über eine Million Pakete zugestellt. Das bringt zahlreiche Paketdienstleister an ihre Grenzen.
Internationale Studie
Auch Capgemini zeigt in einer zweiten Studie zum Weihnachts- Shopping, dass die Verbraucher in dieser Saison Zurückhaltung bei ihren Ausgaben für Weihnachten walten lassen. Gemäß den Studienergebnissen geben international 38 % der Verbraucher derzeit weniger für Weihnachtseinkäufe aus, als sie es gewohnt sind. Für die Studie wurden zwischen dem 30. November und dem 2. Dezember über 7.500 Verbraucher in zehn Länern befragt.
Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass der Ausgabenrückgang auf verschiedene Gründe zurückzuführen ist: auf ein niedrigeres verfügbares Einkommen (24 %), aber auch auf anhaltende Corona- Beschränkungen (22 %), die die Verbraucher daran hindern, im Geschäft einzukaufen. Zudem machen 20 % der Befragten weniger Geschenke, weil sie eine kleinere Anzahl von Familienmitgliedern treffen. Diese Faktoren wirken sich darauf aus, was die Verbraucher kaufen: International 48 % der Einkäufe dieser Weihnachtssaison betreffen benötigte Produkte. Die Verbraucher bevorzugen dabei Kleidung (36 %), Schönheits-/Körperpflegeprodukte (21 %) und Elektroartikel (21 %). Im deutschsprachigen Raum stehen elektronische Geräte an erster Stelle (28 %), gefolgt von Kleidung und Schönheits- bzw. Körperpflegeprodukten (jeweils 25 %).
Studie des Instituts für Handel, Absatz & Marketing
Prof. Christoph Teller und Dr. Ernst Gittenberger von der JKU in Linz sehen es ähnlich: Die Covid-19-Krise hat sich in den Köpfen der Konsumenten bereits vor der Schließung des stationären Einzelhandels ab 17. November festgesetzt. Konsumklima und Ausgabenneigung haben sich verschlechtert. Auch das Einkaufserlebnis – insbesondere in den Einkaufsstraßen – hat durch die Schließung der Gastronomie und die Mund-Nasen-Schutz-Tragepflicht in Geschäften gelitten.
36 % der Konsumenten haben bereits Anfang November geplant, ihre Einzelhandelsausgaben im November zu reduzieren. „Nur“ 5 % wollten ihre Ausgaben erhöhen, immerhin 59 % konstant zu halten. In der (sinkenden) Ausgabenneigung zeigen sich dabei kaum Unterschiede nach Alterskohorten. Klar ist aber auch: je höher die – durch die Covid-19-Krise ausgelösten – Einkommensverlusten ausfallen, desto stärker werden auch die Einzelhandelsausgaben zurückgeschraubt. Und dann ist der Teil-Lockdown #2 in einen Komplett-Lockdown #2 gemündet, was gerade in der Vorweihnachtszeit für den stationären Einzelhandel katastrophale Auswirkungen hat.
Amazon als Markplatz
Zuletzt gibt es noch die Möglichkeit auf Amazons Markplatz als österreichisches Unternehmen seine Ware zu verkaufen. 4000 Marktplatzhändler aus Österreich machen das bereits und sie erwirtschaften einen angenommenen Umsatz von 300 Mio. Euro.
Ein eigener Webshop in Österreich muss schon sehr gut aufgestellt sein, um die Konkurrenz von 13.500 heimischen Webshops standzuhalten. Qualität ist hier gefragt.
Auf der anderen Seite verlangen die Vertreter des Handels ein Mehr an Rechtssicherheit und Fairplay auch für ausländische Online-Händler wie Amazon. Dazu in einem anderen Bericht.