Weihnachten: lachendes und weinendes Auge
Die gute Nachricht: das Weihnachtsgeschäft 2022 toppt jenes von 2021 – kein Wunder, gab es vor einem Jahr auch einen weiteren Corona-Lockdown in Österreich. Die traurige Wahrheit: durch Teuerung und oftmals angesprochene Mehrkosten im nächsten Jahr sind die Konsumenten nicht ganz so gut aufgelegt, um viel für Geschenke auszugeben. Fakt ist: Der Dezember ist für den Großteil der österreichischen Einzelhändler der wichtigste Monat im Geschäftsjahr, er gilt branchenintern als "5. Quartal". Die absoluten Mehrumsätze, die durch das Weihnachtsgeschäft erzielt werden, haben in den letzten fünf Jahren vor Ausbruch der Corona-Pandemie stetig zugelegt. Seit 2020 ist alles anders.
Im Detail
"Das aktuelle Weihnachtsgeschäft verläuft angesichts der horrenden Inflation und des Kaufkraftverlustes breiter Teile der Bevölkerung zuletzt etwas besser. Die Umsatzprognose geht heuer von einem weihnachtsbedingten Mehrumsatz von 1,36 Mrd. Euro netto aus", so Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Das entspricht zwar einem Plus von 220 Mio. Euro im Vergleich zum Vorjahr (1,14 Mrd. Euro netto. Insgesamt wird das Umsatzvolumen heuer im Dezember auf nominell 7,28 Mrd. Euro geschätzt (Vorjahr: 6,72 Mrd. Euro). Inflationsbereinigt entspricht das einem Minus von 0,8%.
"Wir sehen heuer auch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Betrachtet man lediglich den Nichtlebensmittelbereich, liegen die Mehrumsätze im Dezember inflationsbereinigt um 11 Millionen Euro über dem Vorjahresniveau, aber um mehr als 150 Millionen Euro hinter 2019 zurück. Der Lebensmitteleinzelhandel erwirtschaftet heuer im Weihnachtsgeschäft inflationsbereinigte Mehrumsätze von 422 Millionen Euro, real 1,9 % weniger als im Vorjahr", sagt Dr. Marcus Scheiblecker, Senior Economist am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).
Trends
Der Kauf von Gutscheinen ist heuer ein Spitzenreiter in der Beliebtheitsskala. Diese Umsätze sind auch aus steuerlichen Gründen nicht dem aktuellen Weihnachtsgeschäft zuzurechnen, sondern gelten erst dann, wenn Ware über den Ladentisch geht. Apropos Ladentisch: auch der Online-Handel muss sich mehr um seine Kunden bemühen, vor allem der österreichische. Die Konsumenten kaufen immer noch gerne bei ausländischen Online-Händlern ein.
Bei den bevorzugten Geschenken greift heuer jedes dritte österreichische Christkind im Einzelhandel zu Gutscheinen (38%), Bekleidung (35%) und Spielzeug (30%), immerhin jedes Vierte zu Büchern (27%), Süßigkeiten (27%) und Parfum/Kosmetikprodukten (26%), um die Vorlieben der Liebsten zu treffen. Spannend: Jeder Zwölfte wird heuer alle Weihnachtsgeschenke im Onlinehandel bestellen, fast ein Zehntel der Bevölkerung verzichtet komplett auf den Kauf von Geschenken.
Das zeigt auch deutlich: die Weihnachtsspitzen der früheren Jahre und Jahrzehnte im Handel gehen deutlich zurück. Das liegt nicht nur an Covid und Krieg, sondern auch an dem grundsätzlichen Verhalten der Bevölkerung.
Im Schnitt werden die Österreicher heuer 395 Euro für Geschenke ausgeben. Das ist um 68 Euro bzw. 15% weniger als 2021 und auch deutlich weniger als im Vorkrisenjahr 2019.
Einzelhandel 2022: Nomineller Umsatz steigt auf 72,5 Mrd. Euro (+6,3%); real -1,0%
"Aus all diesen Faktoren leitet sich unsere Gesamtjahresprognose 2022 für den österreichischen Einzelhandel von 72,5 Milliarden Euro ab. Eine Steigerung von 6,3% gegenüber dem Vorjahr. Bereinigt man allerdings um die durchschnittlichen Preissteigerungen, muss der heimische Einzelhandel heuer real ein Umsatzminus von -1% verkraften und wirkt damit inflationsdämpfend", so Will.
"Für 2023 erwarten wir, dass die Effekte des heurigen Weihnachtsgeschäfts stärker in den Jänner einwirken, insbesondere das Gutscheingeschäft sowie die Umtauschphase im stationären Handel nach Silvester. Ab Februar werden allerdings die höheren Kosten voll durchschlagen. Spätestens im zweiten Halbjahr 2023 hoffen wir auf eine Normalisierung des Preisniveaus, die auf eine Aufschwungphase durch staatliche Kaufkraftmaßnahmen treffen könnte."
"Die Grunddynamik in der Umsatzentwicklung verlief heuer trotz multipler Krisen und eines sinkenden Konjunkturklimas recht solide. Wir liegen über dem Vorjahr, allerdings sind die Zuwächse ausschließlich auf die hohen Teuerungsraten zurückzuführen. Positiv ist, dass wir den Peak bei der Inflation und den Energiepreisen bereits überschritten haben", ergänzt Marcus Scheiblecker. Und Scheiblecker ergänzt: „Ich finde auch Profit-Maximierung durch steigende Preise im Handel in der aktuellen Situation nicht verwerflich. Ich stehe für eine offene Marktwirtschaft. Denn nur dann kann auch ein Händler punkten, der das gleiche Produkt für einen niedrigeren Preis anbietet“.